Carrosserie- und Fahrzeugbau

Serie: «Vorwärtskommen – Berufsleute mit Biss + Ziel»

 

Wer in der Carrosseriebranche vorwärtskommen will, hat allerbeste Chancen. Denn hier wird Aus- und Weiterbildung GROSS geschrieben, die Möglichkeiten sind umfassend – egal, ob man sich werkstattseitig nach oben orientieren möchte oder der Plan steht, später einmal einen Betrieb zu führen oder zu übernehmen. Wohin ihr eigener Weg bereits geführt hat oder wohin er noch weisen wird, das erzählen einige Interviewpartner in unserer Serie «Vorwärtskommen».

 

Heute: Manuel Lipp (26), Ruswil (LU), Carrosseriespengler EFZ und Carrosserielackierer EFZ

 

Herr Lipp, man kann alles schaffen, wenn man will! Dieser Satz könnte von Ihnen stammen – und trifft wohl kaum auf einen anderen jungen Berufsmann so messerscharf zu wie auf Sie. Einverstanden?
Manuel Lipp: Tatsächlich kann jeder und jede sehr viel erreichen. Aber das hört sich auf den ersten Moment so super einfach an. Dabei ist es, so denk ich jedenfalls, in erster Linie eine Fleissarbeit. Oder nicht?

 

Fleissig sind Sie auf jeden Fall. Gelernter Carrosseriespengler, dann Berufsmeisterschaften mit Regional- und Schweizermeister- sowie Vizeweltmeistertitel, Lastwagenprüfung abgelegt, Zweitlehre als Carrosserielackierer mit 5,9 abgeschlossen, Werkstattleiter, Carrosserie-Fachmann, technische Berufsmatur – Ihr Leistungsausweis ist extrem lang.
Manuel Lipp: Jetzt, wenn Sie das so aufzählen, sieht man schon, dass ich ein paar Hürden übersprungen habe. Das geht nur Step by step. Ich habe jeweils jede Aufgabe als grosses Puzzle in Angriff genommen – mit vielen Teilen, die im Tages- oder Wochenziel dem Gesamtbild zugeordnet worden sind.

 

Apropos Berufsmeisterschaft: Interessiert Sie das heute noch?
Manuel Lipp: Aber natürlich interessiert mich das Thema immer noch. Brennend sogar. Als Mitglied vom Champions-Club darf ich die jungen interessierten Berufsleute während Meisterschaftsvorbereitungen und an den Wettbewerben begleiten. Das ist eine sehr, sehr tolle, spannende und dankbare Aufgabe.

 

Blenden wir kurz in Ihre Schulzeit zurück – haben Sie damals schon im Detail gewusst, wie Sie ihr Berufsleben gestalten werden?
Manuel Lipp (schmunzelt): Gegen Ende der Schulzeit war ich so ziemlich genau das Gegenteil von heute – und eigentlich auch unterfordert. Ich hatte sehr viel Freizeit, und die habe ich in vollen Zügen genossen.

 

Das Leben in der Werkstatt muss Ihnen dann aber schnell viel Spass gemacht haben, sonst stünden Sie nicht dort, wo Sie heute sind. Sie haben einmal in einem Interview erwähnt, dass Ihr Vater, ebenfalls Carrossier von Beruf und Inhaber eines eigenen Betriebes, extrem viel mit Ihnen gebastelt und zusammengebaut hat.
Manuel Lipp: Das stimmt. Es scheint schon so zu sein, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt. Deshalb habe ich mich auch für den Beruf des Carrossieriespenglers entschieden.

 

Während der Lehre starteten Sie in die vierjährige Berufsmatur. Was war der Beweggrund?
Manuel Lipp: Das war ein Sicherheitsbaustein. Ich war der Meinung, in so jungen Jahren ohne Lebens- und Berufserfahrung sei es schwierig, die weitere Laufbahn zu bestimmen. Aber ich habe relativ früh erkannt, dass das Handwerk mir sehr gut liegt. Da lag es nahe, anstelle von Freizeitherausforderungen den Berufsweg zu fördern und sich so weiter zu entwickeln.

 

Alle Ihre besuchten Kurse und Weiterbildungen aufzuzählen würde den Interview-Rahmen sprengen. Mich interessiert deshalb Ihre aktuelle Schulung zum Werkstattkoordinator, die Sie diesen Sommer abgeschlossen haben. Was versprechen Sie sich davon?
Manuel Lipp: Sie ist einerseits Teil meines nächsten Zieles, den Eidgenössischen Werkstattleiter. Andererseits auch eine grosse Horizonterweiterung im Umgang mit Mitarbeitern in einer Führungsrolle. Ich habe viele neue Methoden in der Lehrlingsausbildung und im Umgang mit Kunden kennengelernt, was ich eins zu eins im Alltag anwenden kann. Ich bin überzeugt, dass ich in nur einem Jahr beruflich in der Führungsrolle wie auch persönlich im Privatleben eine grosse Entwicklung machen durfte.

 

Meine Gewährsleute haben mir zugetragen, dass Sie sich auch noch über den Lehrgang «Diplomierter Betriebsleiter» und die «Eidgenössische Werkstattleiterprüfung» erkundigt haben. Wohin führten Ihre Recherchen?
Manuel Lipp: Pssst! Ich hörte, dass der Lehrgang zum Diplomierten Betriebsleiter nicht jährlich stattfindet. Da ich mir eine Teilnahme am Lehrgang nur in den nächsten zwei Jahren vorstellen kann, wollte ich mir den diesjährigen Start nicht entgehen lassen und begleitend zur Berufsprüfung beide Lehrgänge, also Werkstatt- und Betriebsleiter, absolvieren. Allerdings wurde die Mindestanzahl an Teilnehmern knapp verfehlt und der Start deshalb auf 2021 verschoben. Das ist nun leider so – jetzt konzentriere ich mich halt voll und ganz auf die Eidgenössische Berufsprüfung zum Werkstattleiter.

 

Was bringt Ihnen der Werkstattleiter, direkt auf Ihre Berufskarriere bezogen?
Manuel Lipp: Der Gesamtabschluss ist für mich die beste Gelegenheit, eine neutrale Beurteilung von aussenstehenden Berufsprofis zu erhalten. Zudem denke ich, der Lehrgang zum Diplomierten Betriebsleiter ist langfristig das «Pünktli» auf dem «i», wenn ich den Betrieb meines Vaters weiterführen möchte.

 

Ihr Vater hat eine eigene Carrosseriefirma im luzernischen Ruswil. Sind Sie dort noch als Carrosseriespengler tätig? Oder leiten Sie das Unternehmen bereits?
Manuel Lipp: Der Betrieb ist ein kleines Familienunternehmen. Mein Vater führt mich laufend in die Aufgaben der Unternehmensführung ein, weshalb wir nun beide sowohl als Carrosseriespengler als auch Betriebsleiter tätig sind. Ich habe das gute Gefühl, dass wir uns mit diesem harmonischen Mix beide spielerisch mit noch mehr Elan durch den Alltag arbeiten.

 

Können Sie dort auch als Lackierer tätig sein?
Manuel Lipp: Wir haben im Betrieb keine eigene Lackiererei angegliedert. Deshalb bin ich aktuell als Vollblutspengler unterwegs.

 

Ein ganz anderes Thema: Sie interessieren sich für Leichtbau und Rennsport, tüfteln deshalb an einen sogenannten Driftauto, für welches Sie die benötigten Carrosserieteile selber von Hand herstellen. Wie sind sie darauf gekommen?
Manuel Lipp: Im Rennsport zählt jedes Kilogramm am Fahrzeug. Vielen sind die Kohlefaser-Produkte bestens bekannt, die aber leider sehr sensibel auf Schläge reagieren. Der Drift-Motorsport fördert den erhöhten Verschleiss auf Carrosserieteile, deshalb sind wir auf eine Hybridfaser umgestiegen. Dieses neue Produkt ist deutlich schlagzäher und bricht kaum. Zudem experimentierten wir mit eigenen Harzmischungen, um besonders exponierte Stellen am Fahrzeug komplett flexibel zu gestalten. Beispielsweise haben wir eine neue Technik zum Laminieren entwickelt, die es erlaubt, auf die Herstellung von teuren Negativformen zu verzichten. Das Endprodukt ist somit dünner, leichter, schlagzäher und kostengünstiger als die bekannten Carbonteile. Je nach Kundenwunsch oder Einsatzgebiet können wir flexible bis steinharte Teile herstellen, die trotzdem immer formstabil bleiben. Unser Produkt eignet sich bestens für Einzelanfertigungen im aufblühenden Schweizer Drift-Motorsport. Da bin ich gespannt, was die Zukunft uns noch bringt.

 

Stichwort Zukunft: Bitte geben Sie kurze Antworten auf folgende Fragen: Sie können nur noch als Spengler oder Lackierer arbeiten – wofür entscheiden Sie sich?
Manuel Lipp: Für keines der beiden. Die Alternative wäre wohl Leiter eines Mischbetriebes.

 

In meiner Freizeit . . .
Manuel Lipp: . . . sind Oldtimer Trumpf.

 

In fünf Jahren habe ich . . .
Manuel Lipp: . . . vermutlich zehn Kinder. Nein, Spass beiseite. Da habe ich eventuell die Familienplanung abgeschlossen und führe einen eigenen Betrieb.

 

Obligatorische Schlussfrage: Wenn Sie einem Schulabgänger oder einer Schulabgängerin erklären müssten, warum er oder sie einen Beruf in der Carrosseriebranche wählen soll, was würden Sie sagen?
Manuel Lipp: Zukunftsperspektiven sind das A und O. Die Arbeit am Fahrzeug wird nie ausgehen, und mit den vielen Weiterbildungsmöglichkeiten kann sich heute jeder in seiner Lieblingstätigkeit selber fördern oder spezialisieren. Zusätzlich bekommt man in der Carrosseriebranche tagtäglich viel Positives zurück: Sei es durch das sichtbare Ergebnis, welches mit eigenen Händen erschaffen wurde oder vom lächelnden Kunden, der sein repariertes Fahrzeug abholt.

Neuste Artikel: Carrosserie- und Fahrzeugbau