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    Reparieren statt

    präsidieren: 

    Und warum

    Ignazio Cassis

    nicht da war

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Von Heinz Schneider (Text) und Dennis Schneider (Fotos)

Die «Piazza Grande» glänzt im Regen, das Kopfsteinpflaster schimmert frisch gewaschen und wie poliert. Im nahegelegenen «Pala Cinema» von Locarno riecht es nach geschliffener Rhetorik, nach Pflicht und ein bisschen Kür. «Carrosserie Suisse» bittet zur Delegiertenversammlung, nicht in irgendeiner Halle, sondern in unmittelbarer Nähe des Festival- und Open-Air-Geschehens – ein Hauch von rotem Teppich also, auch wenn es hier weniger um Glamour geht als um klare Abstimmungen und noch klarere Worte.

Der Auftakt gehört der Musik. Marina Kaufmann und Adrian Gehri eröffnen die Versammlung mit drei Volksliedern – ein stiller, beinahe poetischer Moment. Dann tritt Zentralpräsident Felix Wyss ans Mikrofon. Statt Floskeln greift er zum Kalender: Das Attentat auf Robert Kennedy 1968, das Frauenwahlrecht in Dänemark 1915, der Felssturz von Gurtnellen 2012 – alles wie die heutige Versammlung ebenfalls am 5. Juni passiert. Geschichte, gerafft in Schlaglichtern, gefolgt vom Blick in die politische Gegenwart. Wyss erinnert an die verlorene Abstimmung zum Ausbau der Nationalstrassen und die rapide steigenden Staustunden: von 32 480 auf aktuell 50 000. Ein Weckruf – auch an die Branche – für mehr Nachhaltigkeit: lieber reparieren als ersetzen.

Ein ernstes Innehalten folgt. Die Versammlung gedenkt in einer Schweigeminute der verstorbenen Mitglieder des Verbands. Namen, die nicht nur auf Listen stehen, sondern Erlebnisse, Gesichter, Erfahrung, Handwerk bedeuten: Raymond Schmid und Irena Babbi-Monn von der Sektion Nordwestschweiz, Theophil Jan Maurer (Aargau) und Heinz Steck (Bern-Mittelland).

Der Präsident der Sektion Tessin, Damiano Crivelli, ergreift das Wort. Höflich, aber mit klarer Botschaft: Regionale Besonderheiten oder Unterschiede und somit auch der Tessin seien keine Randnotiz, sondern kulturelle Bereicherung. Die Liebe der Tessiner zu ihrem Auto – fast schon leidenschaftlich – unterscheide sich deutlich vom Rest der Schweiz. Crivelli sagt das mit dem Stolz eines Mannes, der weiss, wie sich ein Alfa im Frühling über die Tremola anfühlt.

Dann kommt der Moment für eine kleine politische Spitze. Felix Wyss kündigt Gastredner Nicola Pini an – nicht ohne vorher zu bemerken: «Ignazio Cassis haben wir – nach seiner angerichteten Misere im Europa-Dossier – für den heutigen Tag ausgeladen.» Dafür ist Pini hier, Bürgermeister von Locarno. Er nimmt den Ball auf, lässt aber lieber Zahlen sprechen: Millionen Touristen, aber eine Infrastruktur, die diesem Strom kaum gewachsen ist. Autobahnanschlüsse? Fehlanzeige. Der Appell an Bern ist deutlich – ob er gehört wird, bleibt offen.

Sachlich geht es weiter: Alle traktandierten Geschäfte werden einstimmig angenommen – inklusive der Jahresrechnung mit einem Plus von rund 10 500 Franken. Dass das Budget 2025 mit einem Minus von über 130 000 Franken abschliesst, wird in Kauf genommen – zu teuer (650 000 Franken) wird die Präsenz an den «Swiss Skills» im kommenden September. Dafür wird die Wahl von Fabian Eugster in die Geschäftsleitung mit Wohlwollen quittiert. Der Ostschweizer Carrossier und Sektionspräsident übernimmt ab Januar 2026 das Präsidium der Reparaturkommission von Sven Kammer. Und Genf stösst als 13. Sektion zum Verband – man wächst zusammen.

Doch nicht alles läuft glatt. Traktandum 7 – die Anpassung der Beitragsordnung – fällt durch. Der Plan, den Rezertifizierungs-Zyklus von fünf auf drei Jahre zu verkürzen und den Jahresbeitrag von 100 auf 150 Franken zu erhöhen, überzeugt nicht. Qualität hin oder her – der Aufpreis könnte, nebst anderen Gründen, zu viel des Guten gewesen sein.

Auch beim Gesamtarbeitsvertrag (GAV) bleiben Fragen offen. Die neue Version, geplant ab Juli 2026, wird derzeit mit zwei Gewerkschaftsvertretern verhandelt – aber über den Stand der Dinge schweigt Rechtsanwalt Martin Leiser sich aus. Einziger Lichtblick: Der Bildungsfonds, dessen Einführung auf Anfang 2026 geplant ist. Damit soll die Finanzierung der Ausbildung von der GAV-Struktur entkoppelt werden – solidarisch, langfristig und vor allem verlässlich.

Und während sich gegen Abend wieder die Lichter über der Piazza Grande spiegeln, bleibt ein letzter Eindruck hängen: Diese Delegiertenversammlung war kein Spektakel, kein lautes Branchentreffen mit Buzzwords und Blendgranaten – sondern ein ruhiger, konzentrierter Moment im Jahr, mit klaren Worten, ehrlichen Entscheidungen und einem dezenten Seitenhieb in Richtung Bern. Manchmal braucht es eben keinen grossen Auftritt – sondern einen klaren Standpunkt.

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