Carrosserie- und Fahrzeugbau

Serie: Mein erstes Auto

 

Egal, wie lange es her ist, von welcher Marke es stammte und in welchem Zustand es damals war: Sein erstes Automobil vergisst keiner, jeder und jede erinnert sich besonders gerne daran. Oftmals auch mit etwas Wehmut. Wir haben bekannte Profis aus der Carrosserie- und Fahrzeugbranche zu einer Zeitreise in die automobile Vergangenheit eingeladen und sie zu ihrem emotionalen Erlebnis des ersten Fahrzeugbesitzes befragt.

 

Heute: Gaudenz «Gaudi» Coray (65), Gründer Carrosserie Coray, Laax GR

 

Herr Coray, von allen, mit denen ich dieses Interview bislang führte, war Ihr erstes Auto das kostengünstigste überhaupt. Der Preis betrug nämlich null Franken.
Gaudenz Coray: Das stimmt. Es war 1973, oder vielleicht 1974 – und ich in der Lehre zum Carrosseriespengler. Ich besass noch nicht mal die Fahrprüfung. Eines Tages kam mein Vater nach Hause und erzählte, dass ein Kollege von ihm ein altes und ziemlich kaputtes Auto habe und es mir schenken möchte. Ich war begeistert.

 

Vom Auto?
Gaudenz Coray: Nein, von der Tatsache, dass ich ein solches Präsent bekommen würde. Vom Auto selber wusste ich nicht einmal, welche Marke und welcher Typ es war. Eines Tages stand es dann einfach in unserer Tiefgarage. Ich musste ziemlich nahe herangehen, um zu erkennen, was es ist – ein weisser Triumph Herald 1200 mit Jahrgang 1966 und relativ wenig Kilometern auf dem Tacho. Noch nie in meinem Leben hatte ich so ein Auto bei uns im Kanton Graubünden gesehen. Der Triumph Spitfire, dieser zweisitzige Roadster, er war mir ein Begriff. Aber ein Herald . . .

 

War sein Zustand so schlecht wie er Ihnen geschildert worden ist?
Gaudenz Coray: Also ich war der Meinung, dass er wirklich toll aussah. Ja gut, der Lack war nicht mehr so super. Und es gab ein paar Rostschäden. Aber schliesslich ruft man sich in solch einer Situation sofort folgendes Sprichwort in Erinnerung: «Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul».

 

Sie waren 18 Jahre jung, hatten bereits einen Wagen, aber noch kein Billett. Keine alltägliche Situation anfangs der Siebziger Jahre.
Gaudenz Coray: So ist es. Ich konzentrierte mich von diesem Zeitpunkt an voll auf die Fahrprüfung, gab alles, um ein paar Franken zusammen zu bekommen für die Fahrausbildung. Gleichzeitig kniete ich mich in die Arbeit und machte den Herald «zwäg». Nicht im Lehrbetrieb, sondern in der Tiefgarage bei uns zu Hause in Laax. Ich habe gespachtelt, geschliffen – und die Ganzlackierung erledigte ein Maler.

 

Ich höre aus Ihren Worten, dass der Triumph Ihnen eine Menge bedeutet hat.
Gaudenz Coray: Ja, das tat er. Auch weil er mir und meinen Kollegen ein Stück Freiheit ermöglichte, die wir bis dahin nicht kannten. Sie dürfen nicht vergessen: Wir leben da im Tal, hatten damals keine direkte Postautoverbindung zum Beispiel nach Flims oder nach Chur. Wer in die Hauptstadt wollte, musste zuerst mit dem Postauto nach Ilanz fahren und dort den Zug Richtung Chur besteigen. Der Herald machte vieles einfacher. An den Wochenenden sind wir immer zusammen in den Ausgang gefahren. Und natürlich in die Gewerbeschule nach Chur. Da stellte ich jeweils den Taxidienst sicher. Mein Wagen war immer voll besetzt.

 

Sie amteten immer als Chauffeur . . .?
Gaudenz Coray: Ja, hie und da auch als Autoverleiher. Als meine Freunde und Kollegen so nach und nach ebenfalls die Prüfung hatten, wollten sie natürlich mit ihren Freundinnen in den Ausgang fahren. Also wurde ich angefragt, ob ich denn nicht ausnahmsweise Mal meinen Herald zur Verfügung stellen könnte.

 

Er war stets ausgebucht?
Gaudenz Coray: Nein, nicht immer. Unser Problem war der Most. Es gab Wochenenden, da mussten wir den Ausgang streichen – weil wir als Lehrlinge kein Geld hatten und der Tank leer war. Aber wenn wir dann wieder gemeinsam unterwegs sein durften, das war dann jeweils schon ein Gaudi. Vor allem im Sommer.

 

Warum im Sommer?
Gaudenz Coray: Das Dach vom Triumph war nur angeschraubt. Wenn es draussen heiss war, haben wir es entfernt und aus dem Herald ein Cabriolet gemacht. Hey, das waren noch Zeiten – wenn es anfing zu regnen, mussten wir im Eiltempo nach Hause fahren und das Dach wieder montieren. Um möglichst schnell zu sein, haben wir uns angewöhnt, nur noch vier Schrauben zu verwenden – zwei vorne, zwei hinten.

 

Britische Autos aus den Siebzigern hatten nicht den Ruf, besonders zuverlässig zu sein. Wie machte sich Ihr Triumph diesbezüglich?
Gaudenz Coray: Er hatte schon seine Macken. Wir mussten ihn auch öfters anschieben.
In Laax gab es damals den Garagisten Welter – den musste ich immer wieder aufsuchen, um professionellen Rat einzuholen. Repariert habe ich dann selber. Aus gutem Grund – das Geld war ja knapp. Ich verdiente im ersten Lehrjahr 60 Franken, im zweiten 80, im dritten 120 und im vierten 180. Das hatte dafür den Vorteil, dass ich schon in kurzer Zeit ein doch ziemlich erfahrener Automechaniker geworden bin.

 

Wie lange blieb der Triumph bei Ihnen?
Gaudenz Coray: Knapp zwei Jahre, bis kurz vor der Rekrutenschule. Dann habe ich ihn abgestossen. Während der RS bin ich ohne Auto geblieben. Erst später fing ich dann an, Unfallautos zu kaufen und sie herzurichten.

 

Was kam nach dem Herald? Erinnern Sie sich noch an Ihr zweites Auto?
Gaudenz Coray: Sehr gut sogar. Das war ein Opel Kadett Rallye. Er gehörte einem Kunden von uns, der öfters mit Schäden zu uns in die Firma Paganini nach Chur gekommen ist. Eines Tages stand er wieder da mit seinem geschredderten Kadett und meinte, jetzt sei endgültig genug. Ich habe ihm das Auto günstig abgekauft und es danach in einen 1a-Zustand versetzt. Es strahlte wie neu – versehen mit einer Neulackierung, seitlichen Filets und einem Adler auf dem Kofferraumdeckel.

 

Sie haben den Kadett nie mehr hergegeben?
Gaudenz Coray: Doch, gezwungenermassen. Nach sage und schreibe nur 14 Tagen war Ende Feuer, dann schaffte ich das, was dem Vorbesitzer nie ganz gelungen ist: Ich fuhr den Opel zu Schrott.

 

Was ist passiert?
Gaudenz Coray: Heute denke ich, dass der arme Kadett unter einem sehr unglücklichen Stern geboren worden ist. Zuerst musste er die vielen Unfälle des Vorbesitzers erdulden, und dann, kaum eingelöst, lief mir schon in der ersten Woche ein Reh ins Auto. Und ein paar Tage später habe ich, auf dem Arbeitsweg von Flims herkommend, zum Überholen angesetzt, als plötzlich einer wie ein Gestörter auf mich zufuhr. Wir haben uns leicht gestreift, anschliessend kam ich ins Schleudern und landete in einer Mauer. Totalschaden.

 

Das klingt ja schrecklich. Gab es Schäden an Personen?
Gaudenz Coray: Nein, aber einen äusserst beunruhigten Chef. Ich habe, wie schon erwähnt, viele Jahre bei der Firma Paganini in Chur gearbeitet. Und nie auch nur eine Minute gefehlt. Als ich den Unfall hatte, fragte er am Morgen die Belegschaft folgendes: «Wo ist Gaudi, hat ihn jemand gesehen?» Als alle verneinten, war er sicher, dass etwas passiert sein musste. «Macht den Jeep parat, und den Abschlepprolli», sagte er. «Und fahrt ihm sofort entgegen!» Die Polizei war noch an der Arbeit, da waren meine Kollegen schon an der Unfallstelle. Und wir hatten damals ja noch kein Natel.

 

Was fahren Sie heute?
Gaudenz Coray: Ich habe keinen eigenen Wagen mehr, bin mit denen unterwegs, die bei uns im Geschäft stehen. Wir bieten ja tolle Miet- und Ersatzautos von BMW und Toyota an. Da suche ich mir jeweils einen aus.

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