Carrosserie- und Fahrzeugbau

Serie: Mein erstes Auto – Heinz Schneider

 

Egal, wie lange es her ist, von welcher Marke es stammte und in welchem Zustand es damals war: Sein erstes Automobil vergisst keiner, jeder und jede erinnert sich besonders gerne daran. Oftmals auch mit etwas Wehmut. Wir haben bekannte Vertreter aus der Carrosserie- und Fahrzeugbranche zu einer Zeitreise in die automobile Vergangenheit eingeladen und sie zu ihrem emotionalen Erlebnis des ersten Fahrzeugbesitzes befragt.

 

Heute: Heinz Schneider, Herausgeber «4x4 – Das Schweizer Automagazin» und «carwing.ch – Das Carrosserie- und Automagazin»

 

Interview: Freddy Gschwind

Herr Schneider, den Chefredaktor und Herausgeber von zwei Automagazinen zu fragen, ob er sich noch an sein erstes Auto erinnert, grenzt wohl fast schon an eine Beleidigung. Oder nicht?
Heinz Schneider: Tatsächlich weiss ich praktisch noch alles über meine früheren Autos und an die, welche meine Frau und ich dann gemeinsam auch als Familienkutschen gefahren sind. Aber das hat nichts mit dem Beruf zu tun, sondern ist der Einstellung geschuldet, die mich mit dem Auto verbindet.

 

Die da wäre . . . ?
Heinz Schneider: Ich bin im Sternzeichen Fisch geboren. Fische im Allgemeinen und ich im Besonderen lieben Unabhängigkeit, Freiheit, Spontanität und die Möglichkeit, jederzeit nach links, rechts, nach oben oder unten entschwinden zu können. Das ist kein Witz: Ich war sechs oder sieben Jahre alt, als mir klar wurde, dass ein Auto mir diesen Drang später erfüllen und gelebte Spontanität garantieren wird.

 

Sie sind von einem motorenbegeisterten Elternhaus geprägt?
Heinz Schneider: Im Gegenteil. Weder meine Mutter noch mein Vater haben je Fahrstunden gehabt oder ein Auto besessen. Aber die beiden Brüder meines Vaters, die waren schon in den frühen Sechzigern im Besitz eigener Fahrzeuge. Als kleiner Bub mit ihnen auf sonntägliche Ausfahrt gehen zu dürfen, egal wohin, das war für mich das Allergrösste. Die Richtung, der Weg war das Ziel, wo immer er auch hinführte. Und der Plan, mit 18 mit dem eigenen Auto durch die Landschaft zu cruisen, der liess mich von da an nie mehr los.

 

Apropos Richtung: Sie waren sich mit 18 schon sicher, dass diese Sie auch beruflich zu den Autos führen wird?
Heinz Schneider: Überhaupt nicht. Das war weder geplant noch das Ziel, sondern reiner Zufall. Redaktionell entstamme ich ursprünglich einer ganz anderen Szene.

 

Lassen Sie mich raten. Ich ordne Sie eher der Gruppe der Feingeister zu, also könnte es etwas mit Kunst zu tun haben!
Heinz Schneider: Nicht schlecht, tatsächlich war ich in einer Kunstgalerie und einem Fotoverlag tätig. Aber nicht sehr lange, diese Episode taugt nicht als Visitenkarte. Nein, meine wahre Leidenschaft ist seit jeher die Musik. Als Siebenjähriger in der Gitarrenstunde, mit elf im Schlagzeugunterricht und ab dreizehn mit der Band unterwegs, das war meine Passion. Und die hat mich dann nach der Schriftsetzerlehre in eine ganz besondere Redaktionsstube gelenkt.

 

Was heisst das genau?
Heinz Schneider: Es gab damals an der Hohlstrasse in Zürich die Musik- und Jugendzeitschrift «Pop», die war ziemlich gut unterwegs. Das Team suchte einen Assistenten für die Produktion, und da habe ich mich gemeldet. Mit Erfolg. Nach zwei Jahren durfte ich mich Produktionsleiter nennen. Das war eine unglaubliche Zeit. Als aktiver Musikfanatiker habe ich fast alle Superstars auf der Bühne gesehen und gehört – von Alice Cooper, Bee Gees, Moody Blues, Deep Purple, Chicago und Led Zeppelin über Michael Bolton, The Who, Eric Clapton, Tina Turner, Sting, Neil Diamond, ZZ Zop bis hin zu Carlos Santana, Eagles, Kinks, Kiss und Golden Earring. Es nimmt kein Ende: Wenn ich jetzt so in Erinnerungen schwelge, kommen mir noch die genialen Liveauftritte von UB40, Toto, Nickelback, Bryan Adams, Rolling Stones, Joe Cocker, Smokie, Neil Diamond, Queen, Status Quo, Rod Stewart, Bon Jovi, Nina Hagen, Cher oder der Schweizer Koryphäen Gotthard und Krokus in den Sinn.

 

Welches Konzert war das Beste?
Heinz Schneider: Die waren alle einmalig, jedes auf seine Art. Alice Cooper bot die genialste Show, Deep Purple – die ich zusammen mit Kiss etwa fünf Mal live erlebte – hatten immer einen Granaten-Sound, und Moody Blues waren hinsichtlich Harmonien, Gesang, Arrangements und Melodien nicht zu übertreffen. Am eindrücklichsten war das Open-Air-Konzert von Bon Jovi. Da stand ich mit auf der Bühne – vor 40 000 frenetisch jubelnden Fans. Ich dachte damals: Für einen Musiker hat dieses Spektakel zwei Konsequenzen – entweder er wird dankbar und demütig oder tragischerweise übermütig, verliert ob dieses Schauspiels die Bodenhaftung. Das war kaum zu toppen. Ausser, dass ich eben als Jungspund plötzlich die Stars teilweise persönlich kennenlernen und in Interviews erleben durfte. Eine Zeitungsredaktion war von da an mein zweites Zuhause.

 

Aber es dauerte noch eine ganze Weile, bis Sie sich Ihrem heutigen Business verschrieben haben?
Heinz Schneider: Als ich den Blinker endgültig Richtung Autoberichterstattung stellte, war ich bereits 35 Jahre alt. Nach der turbulenten, fast chaotischen Zeit bei Pop holte mich einer meiner ehemaligen Lehrlingsausbilder auf die Redaktion Blick. Dort blieb ich fünf Jahre. 1985 wechselte mein journalistisches Vorbild und späterer Freund, der viel zu früh verstorbene Hans-Peter Meister, als Projektleiter zur geplanten «Sonntags Zeitung», die der Verlag «Tages Anzeiger» ideell für die Marktlancierung vorbereitet hatte. Meister wollte mich von Anfang an dabeihaben, legte deshalb dem damaligen Chefredaktor Fridolin Luchsinger mit Nachdruck nahe, mich zu engagieren und später als verantwortlichen Autoredaktor einzusetzen.

 

Wie würden Sie denn Ihre damalige Einstellung zu Autos definieren?
Heinz Schneider: Vom Grundsatz her immer noch dieselbe wie in den Sechzigern: Das Auto macht unabhängig, erfüllt individuelle Reisewünsche, bringt spontane Menschen schnell überall hin – das ist einfach faszinierend. Aber natürlich brachte die neue Aufgabe es mit sich, dass ich mich umfassend mit dem Thema auseinanderzusetzen hatte – plötzlich waren auch wirtschaftliche Zusammenhänge interessant, genauso wie Marketing, Design oder Technik. Und ich durfte den Oldtimern mehr Zeit widmen und ihnen redaktionellen Raum gewähren. Klassiker sind noch heute meine stille Leidenschaft, einfach so vom Spielfeldrand aus betrachtet. Aber warum befragen Sie mich eigentlich so viel zum Beruf? Ich dachte, unser Thema sei das erste Auto?

 

Ist es auch. Aber bei Ihnen liegen Tätigkeit und Auto sehr nahe beisammen, das ist eine besondere und interessante Konstellation. Aber blenden wir zurück: Welches Auto war Ihr erstes?
Heinz Schneider: Ein roter Ford Cortina für 2500 Franken, etwa Jahrgang 1968. Ein super Auto – 4,3 Meter lang, vier Türen, vier Gänge und ein im Wagenboden eingelassener Schaltstock, fast doppelt so lange wie die Fitze vom Samichlaus. Der 1,3-Litermotor entwickelte 54 PS und 92 Newtonmeter Drehmoment. Die Spitze betrug 131 Stundenkilometer, in 19,6 Sekunden gings auf Tempo 100. Damit habe ich jeden VW Käfer nur noch im Rückspiegel gesehen.

 

Wann war das?
Heinz Schneider: 1972, ich war noch nicht mal 18 Jahre alt. Ab 1973 diente der Ford als «Lernfahrauto». Alle mit Fahrausweis, ob sie wollten oder nicht, wurden von mir als Begleitpersonen durch die Gegend kutschiert oder haben den landesweiten Discomarathon mitgemacht – ich immer schön mit dem «L» am Heck. Allerdings gewann mein Faible für britische Cabriolets schnell Oberhand, drum wurde der Cortina schon ein Jahr später durch einen grünen 1961er Triumph TR4 ersetzt und zusätzlich für den Part als «Familienkutsche» mit einem blauen VW Käfer mit Faltdach ergänzt.

 

Wow, nicht schlecht, da müssen Sie sich aber schon früh sehr viel Geld zusammengespart haben?
Heinz Schneider: Wo denken Sie hin, das war nicht möglich. In der vierjährigen Lehre als Schriftsetzer verdiente ich zuerst 240, dann 360 und 480 sowie als Zwanzigjähriger 700 Franken monatlich. Nein, ich hatte wie eingangs erwähnt das Glück, dass meine Eltern nie Autofahren wollten. Sie vertrauten mir voll, und unterstützten mich finanziell. Im Gegenzug war ich ihr Privatchauffeur, immer bereit für jede Ausfahrt.

 

Gibt es für Sie den sogenannten Traumwagen?
Heinz Schneider: Ich träume nie von Autos. Aber wenn ich viel Geld hätte, würde ich einen BMW 2002 von 1971 suchen – in der Farbe Orange. Zustand egal. Und ihn von einem Schweizer Top-Carrossier instandstellen und lackieren lassen.

 

Ein eher unspektakuläres Auto. Warum gerade dieser BMW?
Heinz Schneider: Er war, in dieser Konstellation, mein viertes Auto. Bis 1978. Ich hab mit ihm meine Ex-Freundin – wir sind noch immer verheiratet – zum ersten Rendez-vous abgeholt. Wir waren schwer auf Achse. Sie wissen schon: Ausgang, Popkonzert, Stammtisch, Eishockeymatch, Tanzabend mit Livebands im Trischli Sankt Gallen oder in der Zuger Kollermühle – und anschliessend Zigarettengespräche im «Charre» bis morgens um vier über Gott und die Welt. Übrigens: Die Lernenden von BMW in München haben haargenau diesen Wagentyp mit Teilen von damals neu zusammengebaut und ihn als Schaustück an den Genfer Salon gebracht. Ich durfte mich reinsetzen – und musste tief Luft holen. Alles war genau wie heute vor 45 Jahren, sogar der Geruch war derselbe wie damals in unserem «Autowohnzimmer». Nur meine Freundin auf dem Beifahrersitz fehlte. Es war eine unglaublich emotionale Zeitreise.

 

In Ihrer Garage stehen heute noch zwei BMWs, ein Z3 M Coupé von 1999 und ein Z4 M Coupé. Sind Sie BMW-Fan?
Heinz Schneider: Nein, überhaupt nicht. Der 2002 hat für mich die schon erwähnte besondere Geschichte, und die beiden langsam in die Jahre gekommenen Coupé-Klassiker begleiten mich und meine Frau seit vielen Jahren. Solange es geht, möchten wir sie behalten. Zumindest einen davon.

 

Ein Schneider wechselt seine Kleider normalerweise im Schnelldurchlauf. Wie ist das beim Autoredaktor Schneider und seinen Fahrzeugen?
Heinz Schneider: Tatsächlich ist die Versuchung gross, privat jenes Auto zu fahren, das grad am meisten Spass macht. Da bin ich keine Ausnahme, und meine Frau hat mich in dieser Beziehung auch machen lassen. In unserer Garage standen die verschiedensten Modelle, manchmal auch nur für ein paar Monate – Suzuki SJ 413, VW Polo, Ford Focus, Fiat Sedici, Audi Avant A6, Opel Antara V6, Mazda 121, Audi 80 16V, Mazda MX-5, Ford Kuga und viele, viele mehr.

 

Sie kennen wahrscheinlich jede Automarke aus der Praxis. Gibt es eine, die es Ihnen in all den Jahren besonders angetan hat?
Heinz Schneider: Autos widerspiegeln die Zeit, in der man sie bewegt hat. War die Zeit gut, erinnert man sich auch dankbar an die Fahrzeuge. Das gilt jedenfalls für mich. Als wir den BMW 2002 verkauft haben, waren wir in Aufbruchstimmung, gründeten einen eigenen Hausstand und heirateten noch im selben Jahr. Also war hinsichtlich Alltagsauto Schmalhans angesagt – in Form von nacheinander vier Renault 4 und später drei Renault 18 Kombi. Da hatten die beiden Kinder, Bernhardinerhund Diana und Schlagzeug locker Platz. Es war ein unglaublich intensiver Lebensabschnitt, weshalb Renault in meiner automobilen Gefühlswelt immer einen besonderen Platz haben wird. Das gilt auch für Porsche oder insbesondere Triumph – in der Renault-Zeit besassen wir als Hobby einen TR2 von 1955 und einen TR4 AIRS von 1964. Mit dem sind wir 1987 in die Ferien an den Gardasee gefahren – mit Sohn und Tochter auf den Notsitzen. Meine Mutter und Schwiegereltern waren entsetzt.

 

Haben Sie in Bezug auf Autos Entscheidungen gefällt, die Sie später bereut haben?
Heinz Schneider: Da gibt es drei. Ich würde mir die beiden Triumph TR 4 zurückwünschen, die ich ins Bernbiet verkauft habe. Der zweite in Blau ging an einen Herrn Tuth, da erinnere ich mich. Ich möchte gerne wissen, ob das Auto noch fährt. Und: Eines meiner Lieblingsmodelle war ein blauer Porsche 911 S von 1972. Den habe ich in den später Achtzigern weggegeben, ohne richtig nachzudenken. Das sollte man ungeschehen machen lassen können. Aber eigentlich würde ich sie alle sehr gerne wieder bei mir haben – und sie unter dem Motto «eine Garage voller Erinnerungen» wöchentlich besuchen.

 

Was fahren Sie heute?
Heinz Schneider: Erst kürzlich haben wir gewechselt. Im Alltag teilen sich meine Frau und ich einen Subaru Outback. Wir wohnen auf 1400 Meter, da kann man sich winters nichts Besseres antun. Zuvor hatten wir sechs Jahre lang einen voll ausgestatteten weinroten Opel Mokka mit Schiebedach – meiner Meinung nach ein äusserst charmantes Auto mit hohem Sympathie-Faktor. Aber in seiner jüngsten Ausführung ohne Allradantrieb kam er nicht mehr in Frage.

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