Carrosserie- und Fahrzeugbau

Interview mit Daniel Röschli, Direktor «Carrosserie Suisse»

 

Daniel Röschli ist seit 1. Februar 2022 Direktor vom Schweizer Carrosserieverband «Carrosserie Suisse». Er ist verheiratet, hat einen Sohn (19), der aktuell seinen Abschluss im Hotelgewerbe macht, und eine Tochter (14), welche die Oberstufe besucht. Wir haben dem 54jährigen Zürcher aus dem Tösstal viele Fragen gestellt, und verblüffend ehrliche Antworten erhalten.

 

Interview: Heinz Schneider

Herr Röschli, Sie sind der neue Direktor von «Carrosserie Suisse». Bitte nennen Sie die drei wichtigsten Voraussetzungen, die der Chef mitbringen muss für diese Position?
Daniel Röschli: Er muss immer Position beziehen und trotzdem ein offenes Ohr haben für alle Bedürfnisse, die vorhanden sind. Zweitens braucht er eine Dienstleister-Mentalität – wer die nicht mitbringt, ist am falschen Ort. Dritter Punkt ist die Diplomatie, man braucht ein Gespür für Situationen und Menschen. Ich würde allerdings noch etwas Viertes anbringen: Er braucht einen sehr breiten Rücken. Jeder um ihn herum exponiert sich verständlicherweise, hat seine Anliegen und möchte diese und sich selbst einbringen. Dann wird halt auch mal scharf geschossen. Aber das darf man nicht persönlich nehmen.

 

Wie ist Ihr Führungsstil? Militärisch?
Daniel Röschli: Überhaupt nicht, ich setze voll auf das Partizipative. Bei uns sind alle Türen offen, auch meine. Da werden Themen nicht nur platziert, sondern auch ausdiskutiert. Wichtig sind mir Strukturen und deren Einhaltung, deshalb pflege ich mit den Bereichsleitern gewisse «Jours fix» sowie Kader- und Team-Meetings. Die werden nicht verschoben, und das Besprochene muss in der Folge auch stattfinden.

 

Vom Handwerk des Carrossiers verstehen Sie vorderhand noch wenig. Ein Vor- oder Nachteil im Tagesgeschäft?
Daniel Röschli: Im Moment sehe ich das noch als Vorteil, ich kann jetzt zum Anfang noch alles aus der Distanz verfolgen. Aber die Thematik interessiert mich selbstverständlich, ich lerne täglich dazu, will bald ganz verstanden haben, was die Fachleute in unserer Branche genau tun.

 

Die ersten hundert Tage als Direktor sind vorbei. Ihr Fazit?
Daniel Röschli: Sie waren sehr intensiv, und werden es wohl auch bleiben. Aber das war zu erwarten – wer in eine Organisation geht, die eine gewisse Komplexität hat, darf nicht jenen Tagesablauf erwarten, der einem klassischen Unternehmen entspricht. Ich muss mir noch die Zeit nehmen, die Abhängigkeiten, Strukturen und Spezialitäten eines Verbandes wie «Carrosserie Suisse» genau kennenzulernen. Das braucht etwas Geduld, man darf sich da nicht selber unter Druck setzen und das Gefühl haben, in drei oder vier Monaten alles kennengelernt zu haben. Ich denke, mindestens einen Turnus braucht es – und ein Turnus dauert ein Jahr.

 

Gehen wir auf Ihre berufliche Karriere zurück. Wo haben Sie gelernt und welche Stationen gibt es in Ihrem Lebenslauf?
Daniel Röschli: Ursprünglich habe ich eine kaufmännische Ausbildung hinter mir, im Schallplattenhandel bei der Phonag. Eine unglaublich lässige und tolle Zeit. Später habe ich mich betriebswirtschaftlich weitergebildet, Erfahrungen in der Informatik und im Verkauf gesammelt. Dann wechselte ich in die Planungsindustrie, ins Architektur- und Bauingenieurwesen, wo ich die Finanzthemen verantwortet habe.

 

Bevor die Anfrage von «Carrosserie Suisse» kam, wo waren Sie da tätig und in welcher Funktion?
Daniel Röschli: Ich war bei der Schweizer Niederlassung eines deutschen Herstellers im Bereich Heizungs- und Energiesysteme angestellt, die hier auch produziert. Da habe ich den ganzen kaufmännischen Teil verantwortet.

 

Auf welche Weise kam der Kontakt mit dem Carrosserieverband für die neue Kaderstelle zustande?
Daniel Röschli: Das war eine klassische Anbahnung: Sie war ausgeschrieben und lief über einen Vermittler. Nach dem ersten Treffen haben wir den Prozess beidseitig zum Laufen gebracht. Ich habe gewisse Erfahrungen im Verbandswesen und ein Verständnis dafür, wie eine Organisation dieser Grössenordnung funktioniert. Ich glaube, dem Vorstand des Verbandes hat dieses Knowhow gefallen.

 

Wie sind die Meetings abgelaufen? Welche Eindrücke und Gedanken hatten Sie damals?
Daniel Röschli: Mir haben schon die ersten Gespräche imponiert, und ich hatte das Gefühl, hier wirkt alles jung, frisch, spritzig und das Ganze hat Dynamik. Wenn Personen von einem Verband sprechen, vermitteln sie ja meist das Gefühl von verstaubt oder altbacken. Diesen Eindruck hatte ich überhaupt nicht. Ich spürte, dass hier etwas läuft, das viel in Bewegung ist und keiner lediglich von einer akademischen Übung spricht. Ich meine, die Branche bietet fünf verschiedene Berufsausbildungen, das ist eine nicht unwesentliche Grundlast, die auf einem gewissen Niveau bewältigt werden will. Das allein ist schon ein Challenge.

 

Welche Befürchtungen oder Überraschungen, die Sie anfangs gehabt oder auf die sich gefreut haben, sind eingetroffen?
Daniel Röschli: Ich bereitete mich im Vorfeld sehr gut auf die Aufgabe vor, hatte klare Vorstellungen davon, was mich erwartet. Vor diesem Hintergrund bin ich weder überrascht noch enttäuscht worden. Was mich positiv berührt, ist das Team, das habe ich im Vorfeld kaum gekannt.

 

Wie erleben Sie die Kolleginnen und Kollegen?
Daniel Röschli: Ich meine, es funktioniert mit allen hier im Haus gut, es sind motivierte Leute da. Wir haben ein angenehmes Betriebsklima, eine positive Betriebskultur, was für mich sehr wichtig ist. Wir wollen alle dasselbe, arbeiten als Team, keiner arbeitet gegen den anderen. Anstand und gegenseitiger Respekt sind vorhanden, wir pflegen einen regen Austausch und das «Miteinander.» Am Morgen begrüsst man sich einzeln untereinander, am Abend verabschiedet man sich auf dieselbe Art. Ich finde das super.

 

Gab es im Vorfeld Hoffnungen oder Erwartungen, die nicht eingetroffen sind?
Daniel Röschli: Wie gesagt, es sind weder Enttäuschungen noch verletzte Eitelkeiten zu beklagen. Aber: Ich bin ein sehr strukturierter und prozessorientierter Mensch mit klaren Vorstellungen. In diesem Bereich – ich rede jetzt aber nicht von der Geschäftsstelle, sondern auf Verbandsebene – haben wir noch Verbesserungspotential. Das beginnt im Kleinen – zum Beispiel, indem jeder weiss, was der andere macht. Das ist man einer professionellen Organisation geschuldet.

 

Was ist das Dringendste, was Sie und Ihre Mitarbeiter kurzfristig anpacken, ändern oder verbessern müssen?
Daniel Röschli: Das Dringendste ist getan worden, und das ist meiner Meinung nach der Brückenschlag in die Westschweiz. Dieser Zusammenschluss ist eine einmalige Chance für alle, birgt aber auch Herausforderungen. Es gibt kulturelle Unterschiede und sprachliche Barrieren, Hürden also, die wir ganz dringend überwinden müssen. Das geht nicht in ein paar Wochen, aber der Prozess ist angelaufen, und ich will mich da aktiv einbringen und den Kontakt nicht nur herstellen, sondern auch intensiv pflegen. Ansonsten halte ich das Augenmerk auf der Tatsache, dass wir ein Dienstleister sind. Es ist sehr wichtig, dass sich jeder und jede umgehend um die Sache kümmert, die aufgetragen worden ist – und sofort jedem Detail nachgeht. Damit werden nicht zuletzt zeitraubende und unnötige Rückrufe verhindert.

 

Okay, Sie haben den Zusammenschluss mit der Westschweiz erwähnt. Aber der war schon länger aufgegleist. Was brennt Ihnen unter den Nägeln?
Daniel Röschli: Es gibt zwei grössere Themen, die wir als Verband angehen müssen. Ich habe nicht so gerne, wenn es zu viele angebissene Äpfel im Körbchen hat. Einen müssen wir sofort aufessen: Das ist der mit der Strategie, wie die Organisation neu strukturiert werden könnte. Da ist man seit zwei Jahren dran. Diesen Sack sollte man nun zumachen, damit die Resultate präsentiert und die weiterführenden Diskussionen sorgfältig geführt werden können.

 

Ich helfe jetzt ein bisschen: Bei allen Gastauftritten an den Sektionsversammlungen haben Sie den Mitgliedern die neue Beitragsverordnung vorgestellt. Ich denke, das brennt schon unter dem Nagel, oder nicht?
Daniel Röschli: Ich stimme Ihnen zu. Da haben wir den gewissen Druck, dass das zu einem Ende kommt. Sonst erscheint ein gewichtiges Thema permanent auf der Agenda – nämlich die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des neuen Gesamtarbeitsvertrages mit Gültigkeit ab 1. Juli 2022. Er stellt einen wesentlichen Teil der Leistungen dar, die der Verband erbringt. Wichtig bei all diesen Themen ist überdies: Wir brauchen eine exzellente Kommunikation, die alle, die es betrifft, schnellstens auf denselben Stand bringt. Hier will ich den Informationsfluss verbessern – und damit verhindern, dass Aussagen wie «die in Zofingen drüben haben jetzt wieder» aufkommen. Es muss heissen, «wir als Verband haben jetzt wieder».

 

Wie kann man das verbessern?
Daniel Röschli: Einerseits, indem man sich einbringt, sich zeigt, greifbar ist und bei den Sektionen vorbeigeht. Und man kann seine Dienste anbieten, man kann schreiben, telefonieren – da gibts sehr viele Massnahmen. Am Schluss wird der persönliche Kontakt den Ausschlag geben. Das ist immer so.

 

Es gibt unzufriedene Stimmen aus dem Tessin, die fordern, dass die Verbandszeitschrift nicht nur in deutscher und französischer Sprache, sondern auch in italienisch daherkommen soll. Was sagen Sie denen?
Daniel Röschli: Das ist eine sehr grosse Herausforderung, verbunden mit viel zeitlichem und finanziellem Aufwand. Aber das Anliegen ist berechtigt, ich bin offen. Wer diesbezüglich gute Ideen hat, möchte sie bitte bringen.

 

Schlussfrage: Welche Visionen begleiten Sie langfristig durch den Berufsalltag?
Daniel Röschli: Eine ganz besonders. In meiner Vorstellung begleicht ein Verbandsmitglied die Rechnung für den Mitgliederbeitrag mit Freude. Das würde bedeuten, dass das Mitglied zu hundert Prozent einverstanden und zufrieden ist mit der Dienstleistung, wie er sie vom Verband bekommt.

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