Carrosserie- und Fahrzeugbau

Seriöse Arbeit, moderne Führung: Zu Besuch bei «Gehrig»

 

Von Heinz Schneider (Text)

Die «Gehrig Carrosserie AG» zählt zu den leistungsfähigen, innovativen, smarten, programmatischen und unkonventionellen Betrieben in der Schweiz. Sagt man. Die Gründe: Progressive Unternehmensstrukturen, modern eingerichtete Arbeitsplätze und fortschrittliche Anstellungsbedingungen. Ob und inwiefern das alles zutrifft, davon wollten wir uns selbst überzeugen. Wir haben uns deshalb persönlich vor Ort umgesehen – und natürlich auch umgehört.

 

In Kleinandelfingen, im Zürcher Weinland an der Thur zwischen Winterthur und Schaffhausen, ist die «Gehrig Carrosserie AG» beheimatet. Und die hat schon des Öfteren auf sich aufmerksam gemacht. Unter anderem am 11. Dezember 2022, als die Einweihungsfeier der neuen Gebäude und Werkstätten mit Hunderten von Gästen über die Bühne ging. Oder zuvor mit der Übernahme der benachbarten Tartaruga AG, seit über zwei Jahrzehnten die Spezialistin schlechthin in den Bereichen 4x4-Camper, Reise- und Geschäftsmobile.

 

Klar, dass ein Betrieb wie dieser – in dem keiner das Wort Standgas zu kennen scheint und alle nur im Vorwärtsgang unterwegs sind – auf breites Interesse stösst. Oder vielleicht sogar polarisiert. Zumindest aber viele Fragen aufwirft. Zum Beispiel die, ob der Chef weitere Patentrezepte für den Erfolg kennt – neben Ausdauer, Fleiss und Weitsicht? «Die Summe macht es aus, nicht eine einzelne Eingebung. Und vor allem ein erstklassiges Team», sagt dazu Roger Gehrig, gelernter Carrosseriespengler mit Werkstattleiter- und Meisterprüfung und zusammen mit Ehefrau Andrea Firmeninhaber.

 

Als wichtigen Baustein auf der Erfolgsstrasse ortet er die Weiterbildung – ein Thema, mit dem die Mitarbeitenden bei ihrem Chef offene Türen einrennen. Als Beispiel dafür steht Carrosserielackierer Lukas Baumgartner, seit zwölf Jahren dabei – inklusiv Lehrzeit. Den Carrosseriefachmann hat er bereits abgeschlossen, aktuell steht er mitten in der Ausbildung zum Werkstatt-Koordinator. Um das alles unter einen Hut zu bringen, arbeitet der Vater einer kleinen Tochter im 80-Prozent-Pensum. «Bei vollem Gehalt», will er diesen bemerkenswerten Umstand festgehalten haben.

 

Aktuell besteht die Belegschaft aus 34 Mitarbeitenden im Carrosserie- und Lackierbetrieb, 17 sind es in der Caravan-Abteilung. «Ein Team muss kompetent, von den Eigenschaften und vom Know-how her gut ausbalanciert sein», sagt Gehrig. Was das im Detail heisst, erklärt er so: «Charakterstarke Menschen, die schnell arbeiten können, braucht es genauso dringend wie solche, die kreativ und handwerklich überdurchschnittlich begabt sind.» Daneben ist Improvisationstalent und schnelles Denken gefragt.

 

Schliesst diese Evaluierung neben Profis mit Fachausweis auch Carrosseriereparateure, Lackierer-Assistenten oder Quereinsteiger mit ein? «Aber selbstverständlich, nach ihnen halte ich stets Ausschau», sagt der 56-Jährige, der nie auf Schulnoten, dafür auf ein gepflegtes Äusseres achtet. Und darauf, ob der Bewerber über genügend Sozialkompetenz, individuelle Fähigkeiten und ein grosses Verantwortungsbewusstsein verfügt. Schliesslich arbeiten einige seiner Profis an Wohnmobilen, die 500 000 bis 700 000 Franken gekostet haben.

 

Im Gegenzug wird einiges geboten. Ein beliebtes Supplement ist der Entspannungsraum, wo man sich in der Pause oder über Mittag ausruhen und Energie tanken kann –Wellness-Feeling inklusive. Für den nötigen Kick am Morgen sorgt die «Tagesinfo»: Dabei begrüsst sich die Belegschaft mit einem kurzen Austausch. Für die Führungscrew eine gute Gelegenheit, zu spüren, wie es den Mitarbeitenden geht. Drückt irgendwo der Schuh, wird darüber geredet.

 

Eine weitere Besonderheit im Gehrig-Team sind die verschiedenen Freizeitaktivitäten, die engagierte Mitarbeitende organisieren. Dazu zählen zum Beispiel die Teilnahmen am Schiess- und Schützenfest über 300 Meter Distanz, am Drachenbootrennen oder am Wyland-Lauf. Vier Mal pro Jahr ist der «Kult-Abend» angesagt – mit Raclette, Grilladen und fröhlichem Zusammensein. Klar, dass der Chef für diese Anlässe seine volle Unterstützung bietet – und immer mit von der Partie ist.

 

Seit über zehn Jahren eine wichtige Vertrauensperson an Gehrigs Seite ist Betriebsleiter Daniel Peterhans. Der gelernte Carrosseriespengler schätzt neben dem kollegialen Verhältnis die Tatsache, dass sich im Betrieb alle auf Augenhöhe begegnen. «Ich geniesse hier viel Vertrauen, und ich habe schon einiges bewegen können – auch in Bezug auf die Lernenden», sagt der 51-Jährige. Ein Jobwechsel kommt für ihn nie und nimmer in Frage («So ein grosses Gewitter kann es gar nicht geben»), viel eher ist er überzeugt davon, einst in seiner Position pensioniert zu werden.

 

Einen wichtigen Part im Kollektiv übernimmt auch Sven Kollbrunner vom Kundendienst, seit zwei Jahren dabei und gelernter Mechaniker mit kaufmännischer Weiterbildung. Dafür, dass er in einem 80-Prozent-Pensum arbeiten kann, ist er dankbar. Die restliche Zeit engagiert sich der Familienvater in der Lokalpolitik – er ist Gemeinderat von Trüllikon. «Ich fand hier im Betrieb meine Berufung», sagt der 35-Jährige. «Wir helfen einander, vom Lehrling bis zum Chef ist jeder für den anderen da», sagt er. Optisch demonstriert wird dieser Zusammenhalt von der Farbe «Türkis»: Sie begleitet das Unternehmen seit der Gründung im Jahre 1999 auf Firmenfahrzeugen, T-Shirts, Werbeplakaten, den Marketing-Aktivitäten und natürlich auf den «Übergwändli».

 

Die Verantwortlichen der «Gehrig Carrosserie» legen viel Wert auf eine umfassende und gezielte Lehrlingsbetreuung. «Unsere Lernenden sind punkto Know-how meistens ganz vorne dabei. Auch deshalb, weil wir eine Top-Infrastruktur haben und mit modernsten Werkzeugen, Geräten und Maschinen arbeiten», sagt Carrosseriespengler Ali Genc, seit acht Jahren Mitglied im Team. «Alles, was ich gelernt habe, gebe ich hier an die jungen Berufsleute weiter. Das ist eine tolle und dankbare Aufgabe», bringt der 44-Jährige sein Wirken auf den Punkt. Zudem teilt er die Überzeugung seines Chefs, dass Ausbilder Vorbilder sein sollten – im besten Fall sogar ein Idol für die Lernenden.

 

Stellvertretend für die Pläne und Ziele mit dem Berufsnachwuchs steht Yvonne Keller, Carrosserielackiererin im dritten Lehrjahr. «Wir geniessen das volle Vertrauen aller» stellt die 19-Jährige fest. Das hilft ihr enorm, schliesslich hat sie «bereits eine gewisse Verantwortung gegenüber den Unterstiften», wie sie lachend kommentiert. Im Frühsommer 2025 steht die Lehrabschlussprüfung bevor. Was danach kommt? «Vielleicht die Zusatzlehre zur Carrosseriespenglerin», sagt sie. Oder vielleicht doch die Rekrutenschule? Bei der Hundestaffel? «Mal sehen. Es kommt, wie es kommen muss», gibt sie sich locker.

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