Carrosserie- und Fahrzeugbau

Im Rückspiegel: Schweizer Carrossiers Folge 2: Graber

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Feudale Sessel, ausgezeichnete Verdecke sowie vornehme Zurückhaltung und Eleganz: Das waren die Werte, die Hermann Grabers Eigenkreationen zu ganz besonderen Exklusivitäten machten.

 

 

 

Von Heinz Schneider

 

Würde man ein Ranking der Schweizer Carrosseriebauer mit den schönsten Eigenkreationen erstellen wollen, die Firma Hermann Graber müsste wohl weit oben auf der Liste erscheinen. Denn das Unternehmen aus dem bernischen Wichtrach kreierte in den Jahren von 1926 bis 1969 rund 800 Fahrzeuge, von denen einige Concours d`Elegance-Auszeichnungen gewannen.

 

So zum Beispiel 1929 am Schönheitswettbewerb anlässlich der St. Moritzer Automobil Wochen, an denen das Ehepaar Graber in der Klasse 3 mit einem Panhard & Levassor 20 CV Cabriolet antraten.

 

Kein Pomp, keine überflüssigen Ornamente, sondern stimmige Proportionen, vornehme Zurückhaltung und Eleganz – das sind die Werte, die Graber-Fahrzeuge auch heute noch auszeichnen und sie zu zeitlos schönen Exklusivitäten machen. Darüber hinaus boten die Autos aus Wichtrach neben feudalen Sesseln mit extrem komfortabler Polsterung auch ausgezeichnete Cabrioletverdecke, für die das Schweizer Unternehmen weit herum Lob erntete.

 

Hermann Graber wurde 1904 als einziger Sohn des Wagnermeisters Ernst Graber geboren und trat nach der Schule in die beruflichen Fussstapfen seines Vaters. Nach erfolgreichem Abschluss der Berufslehre als Wagner im Jahre 1923 und anschliessender Weiterbildung im Ausland eröffnete der erst 22-jährige Berufsmann nach dem Tod des Vaters im Jahre 1926 seinen eigenen Betrieb.

 

«Auto-Carrosserie Hermann Graber, Nieder-Wichtrach» stand auf seinen Rechnungsformularen, mit denen er auch für moderne Carrosserien in einfacher oder feinster Ausführung warb und sich obendrein für Reparaturen, Verdecke und Lackierungen empfahl.

 

Schon früh hat Hermann Graber erkannt, dass die Zukunft nicht mehr der Pferdekutsche, sondern dem Automobil gehören wird. In der Folge eignete sich der junge Mann ein grosses Wissen im Fahrzeug-Carrosseriebau an. Nach seiner Geschäftseröffnung 1926 widmete sich Hermann Graber neben Reparaturen auch dem Bau von Ladebrücken auf Camions und Cabriolets auf angelieferte Chassis nach dem französischen Weymann-Patent.

 

In den Jahren 1930 bis 1932 erschienen die ersten automobilen Graber-Schönheiten mit klingenden Namen – so zum Beispiel ein Delage auf Kurz-Chassis, ein Voisin mit Sechszylindermotor (den der Erbauer eine Zeitlang als Privatwagen nutzte), zwei lang gestreckte und mit leicht geschwungenen Trittbrettern versehene offene Alfa Romeos mit 2,3-Liter-Kompressormotor sowie ein tief liegender Mercedes SS mit ellenlanger Motorhaube und starkem Siebenliter-Kompressormotor. 

 

Zur selben Zeit startet die Zusammenarbeit mit amerikanischen Marken. So zum Beispiel mit der Marke Dodge und via Werner Risch (Importeur) mit Packard. Aber auch drei Duesenberg-Carrosserien entstanden in den Werkstätten. Das Schweizer Unternehmen florierte und beschäftigte mittlerweile 50 Angestellte.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg, den Hermann Graber als Leiter einer Lastwagen-Reparaturwerkstatt erlebt hatte, startete seine Firma noch einmal durch und präsentierte rechtzeitig zum Genfer Automobilsalon 1947 die neusten Kreationen. Von diesem Datum an war Graber dank guter Beziehungen zur Fachzeitung «Automobil Revue» regelmässig mit seinen aktuellen Schöpfungen auf den Titelseiten der bekannten AR-Kataloge präsent.

 

Bald begann die Zusammenarbeit mit englischen Marken wie Rover, Jaguar, Lagonda, Bentley und Aston Martin – das waren einige der klingenden Namen, die sportlich-elegante Cabriolets und Coupés mit Graber-Aufbauten im Angebot hatten. Daraus resultierten gute Beziehungen zu Alvis, was später für Graber im Import und in der Schweizer Generalvertretung für Alvis-Produkte gipfelte.

 

Zu den vielen Highlights im Graber-Alvis-Programm zählen das 1964 im Hinblick auf die Landesausstellung in Lausanne kreierte Alvis Cabriolet Graber Super Expo oder der Lizenzvertrag mit der englischen Firma Park Ward, die Aufbauten auf angelieferte Alvis-Chassis nach dem Design von Hermann Graber baute.

 

1965 bekam das Schweizer Unternehmen die ersten Probleme: Alvis wurde von Rover übernommen, was zwei Jahre später zur Folge hatte, dass die Chassis-Produktion bei den Engländern zugunsten des Armeefahrzeugbaus eingestellt wurde. Also begann Graber mit dem Bau von Rover-Fahrzeugen: Einem Cabriolet folgten 1967 und 1968 zwei Coupés auf Rover 2000-Basis, ein Jahr später kam das Coupé 3500 V8 dazu.

 

Am 24. August 1970 starb Herrmann Graber. Im Berner Oberland wurde daraufhin die Vereinigung der «Graber Freunde» gegründet, die sich heute noch zum Ziel setzt, Autos mit Graber-Carrosserien zu pflegen und Treffs durchzuführen. Mitte der Neunzigerjahre starb Hermann Grabers Gattin Liane Graber-von Burg, worauf der Verein «Swiss Car Register» (www.swisscarregister.ch) das Graber-Archiv erwerben konnte.

 

carwing.ch bedankt sich bei «Swiss Car Register» und Urs Paul Ramseier, die uns die nötigen Informationen und Fotos für die Realisierung dieses redaktionellen Beitrages zur Verfügung gestellt haben.

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