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Vor 80 Jahren: Mercedes stellt Temporekord auf – 372 km/h

 

Ein neues Rekordfahrzeug mit Stromlinien-Carrosserie und vollverkleideten Rädern sowie ein neuer V12-Kompressormotor mit 616 PS: Damit geht Rudolf Caracciola im Herbst 1936 für Mercedes auf Rekordjagd. Die Mission gelingt. 372,102 km/h erzielt der Rennfahrer am 26. Oktober 1936 als Spitzenwert, und am 11. November 1936 legt er die neue Weltrekordmarke für zehn Meilen mit fliegendem Start auf 333,489 km/h. Insgesamt verbessert Caracciola fünf bestehende internationale Klassenrekorde der Klasse B für Fahrzeuge mit 5 bis 8 Liter Hubraum.

 

Rekordfahrten über verschiedene Distanzen mit stehendem und fliegendem Start sind seit 1934 und der damals eingeführten 750-Kilo-Rennformel ein fester Bestandteil des jährlichen Rennkalenders. Sie dienen als Ausweis von Technologiekompetenz und werden in der Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt. Seit jeher dem Wettbewerbsgedanken verpflichtet, tritt Mercedes mit Rekordwagen an. Der stärkste Konkurrent, die Auto Union, ist da gerade einmal fünf Jahre alt.

 

Die Fahrten am 26. Oktober 1936 – die damalige Presseeinladung bezeichnet sie als Reifenversuche – finden auf der Autobahn Frankfurt-Heidelberg statt. Waren die Rekordfahrzeuge der Vorjahre noch verkleidete Rennwagen mit modifizierter Carrosserie, so steht Rudolf Caracciola 1936 vor einem völlig neuen Auto, das einzig für Rekordfahrten konzipiert wurde. Es basiert auf dem Fahrgestell des ersten Silberpfeil-Rennwagens W 25.

 

Schon der 26. Oktober 1936 führt zu Erfolgen. Für den Kilometer mit fliegendem Start wird als Mittelwert aus beiden Richtungen ein Klassenrekord mit 364,38 km/h gemessen. Und das, obwohl der Fahrtwind auf der Hinfahrt die dünnwandige Carrosserie am Kühllufteinlass eindrückt und damit die Aerodynamik verschlechtert. Bei der Fahrt für die Meile mit fliegendem Start beträgt der Mittelwert 366,9 km/h, wobei auf der Rückfahrt der absolute Spitzenwert von 372,102 km/h gemessen wird. Bei diesem Versuch sind auch die Hinterräder abgedeckt, was danach beibehalten wird. Beim Lauf über fünf Kilometer mit fliegendem Start verbessert Caracciola den Rekord auf 340,554 km/h (zuvor: 312,419 km/h). Aufkommender Wind zwingt dann zum Abbruch der Rekordfahrten.

 

Sie werden am 11. November 1936 fortgesetzt. Dem Fahrzeug sind nun verschiedene Verbesserungen an Getriebe und Carrosserie mitgegeben. Nach einer ersten Fahrt lehnt Caracciola das vorgesehene geschlossene Cockpit ab, fährt wieder offen. Bei der dritten Fahrt wird die Strecke wegen der Rekordversuche über 10 Kilometer und 10 Meilen von 22 auf 38 Kilometer verlängert. Caracciola verbessert die bestehenden Rekorde erheblich, die Bilanz an diesem zweiten Rekordtag: Klassenrekord 5 Meilen mit fliegendem Start 336,838 km/h (zuvor: 291,035 km/h), Klassenrekord 10 Kilometer mit fliegendem Start 331,899 km/h (zuvor: 288,612 km/h), Klassenrekord und zugleich Weltrekord 10 Meilen mit fliegendem Start 333,489 km/h (zuvor: 285,451 km/h). Der Superlative nicht genug: Aus einem über der Autobahn fliegenden Flugzeug werden Filmaufnahmen der Rekordfahrten angefertigt – damals noch eine Sensation.

 

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