Oldtimer

Das waren Zeiten: Skoda an den 24 Stunden von Le Mans

 

Im Jahr 1950 erlebte Skoda einen ganz besonderen Moment: Den bis heute einzigen Start beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Nach dem Zweiten Weltkrieg präsentierte der Autobauer eine neue Modellreihe: Der 1101/1102 Tudor setzte auf einen 1089 Kubikzentimeter grossen Vierzylinder. Die robust konstruierten Fahrzeuge bewiesen ihre Zuverlässigkeit auf zahlreichen Rallye-Pisten und bei Langstreckenrennen auf Rundkursen. So gewannen sie im Jahre 1948 beim 2649 Kilometer langen Raid Polski alle vier Kategorien. Bei der südamerikanischen Rallye Montevideo belegten sie Platz eins und zwei.

 

Doch auch auf Rundstrecken stellten die Tudor-Modelle – die Bezeichnung leitet sich aus dem Englischen von Two Doors (Zweitürer) ab – ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis. Beim 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa-Francorchamps legten die drei eingesetzten Viersitzer mit geschlossener Carrosserie jeweils 1972 Kilometer zurück und beendeten das Rennen auf den ersten drei Plätzen ihrer Hubraumklasse. Um diesen Erfolg auch auf der Strecke deutlich sichtbar herauszustellen, absolvierte das tschechische Trio Boxenstopps häufig zu dritt und überquerte die Ziellinie im Formationsflug.

 

Für die Saison 1949 entwickelte der Autohersteller auf Basis des Tudor eine spezielle Rennvariante: den Skoda Sport. Der offene Zweisitzer besass einen um 400 Millimeter verkürzten Radstand und eine besonders flache Ponton-Carrosserie aus leichtem Aluminium. Er gab in Brünn beim Grand Prix der Tschechoslowakei sein Debüt. Das eigentliche Ziel war jedoch Le Mans, das damals bereits weltbekannte 24-Stunden-Rennen im französischen Department Sarthe. Am Samstag, den 24. Juni 1950 hatte es das Werksteam von Skoda geschafft: Die weiterentwickelte Version des 1101 Sport stand – bereit für den damals noch üblichen Le Mans-Start um 16 Uhr – schräg vor der Boxenmauer des 13,65 Kilometer langen Circuit. Die Fahrer reihten sich am gegenüberliegenden Streckenrand auf, um nach dem entsprechenden Signal zu ihren Fahrzeugen zu sprinten. Dort sprangen sie hinter das Steuer, starteten den Motor und gingen auf die erste Rennrunde. Aus Sicherheitsgründen wurde diese Art des Rennstarts im Jahr 1970 abgeschafft.

 

Der 600 Kilogramm leichte Skoda Sport wurde von Václav Bobek und Jaroslav Netušil gefahren und verfügte für den Einsatz in Le Mans über einen auf 2150 Millimeter verlängerten Radstand, der die Richtungsstabilität verbesserte. Sichelförmige Luftöffnungen neben den Hauptscheinwerfern leiteten den Trommelbremsen an den Vorderrädern Luft zu und zwei zusätzliche Scheinwerfer sorgten in den Nachtstunden für bessere Sicht. Ansonsten basierte das Fahrzeug weitgehend auf dem serienmässigen Tudor, einschliesslich der 12-Volt-Bordelektrik von PAL und der Diagonalreifen von Barum. Der wassergekühlte Vierzylinder unter der niedrigen Fronthaube mit einem unveränderten Hubraum von 1089 Kubikzentimeter verdichtete etwas höher im Verhältnis 8,6:1 und verfügte über einen Solex 40 UAIP-Vergaser.

 

Damit stieg die Leistung des Motors gegenüber des 32 PS starken Serienmotors auf 50 PS bei 5200 Umdrehungen. Mit dem damals üblichen Renntreibstoff – ein Mix aus Benzin, Ethanol und Azeton – erreichte der Skoda Sport eine Spitzengeschwindigkeit von 140 km/h und verbrauchte dabei zwölf Liter pro 100 Kilometer. Vollbetankt und mit jenen Werkzeugen und Ersatzteilen an Bord, die bei einem Reparaturstopp ausschliesslich benutzt werden durften, brachte er 700 Kilo auf die Waage.

 

Netušil und Bobek, beide ebenfalls Le Mans-Debütanten, gaben alles und fuhren mit einem Durchschnittstempo von 126 km/h im Feld der insgesamt 60 Teilnehmer schon bald auf den zweiten Platz in der mit elf Fahrzeugen besetzten Klasse bis 1100 Kubikzentimeter. In der damals noch üblichen Leistungskoeffizient-Sonderwertung rangierte das Duo zwischenzeitlich sogar auf Rang fünf. Nach 13 Stunden rollte das Auto mit der Nummer 44 in der Morgendämmerung aus, ein Technikdefekt riss den Skoda Sport in seiner 115. Runde aus dem Rennen: Das Sicherungselement eines Pleuelzapfens war gerissen und eine Reparatur vor Ort nicht mehr möglich.

 

In den Jahren danach konnten die Sonderanfertigungen der Marke aufgrund der schwierigen politischen Ausgangslage nicht mehr am 24-Stunden-Rennen in Le Mans teilnehmen. Der originale Skoda Sport wurde restauriert und gehört heute zu einer privaten tschechischen Sammlung. Anfang Juli hätte er anlässlich des 70. Jahrestags seines Le Mans-Debüts und des 125. Gründungsjubiläums von Skoda erneut vor Zuschauern auf die Strecke gehen sollen. Die Le Mans Classic – ein seit 2002 im Zweijahresrhythmus ausgetragenes Event für historische Rennfahrzeuge, die vor 1979 bei dem Langstreckenklassiker gestartet sind – musste jedoch aufgrund der Covid-19-Pandemie auf 2021 verschoben werden.

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