Carrosserie- und Fahrzeugbau

Manuel Lipp: «Wer an die WM will, muss Grenzen überwinden!»

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      Von Heinz Schneider (Text und Fotos)

      Im ersten Teil des Interviews äussert sich Vize-Weltmeister Manuel Lipp über seinen Skiunfall, der ihn zum vorläufigen Unterbruch der Rekrutenschule gezwungen hat. Zudem überraschte er mit der Ankündigung, im Frühsommer eine Zweitlehre als Carrosserie-Lackierer beginnen zu wollen. Im zweiten Teil des Gespräches verrät uns der Luzerner nun einiges über seine Situation im elterlichen Unternehmen und darüber, was es braucht, um an einer Berufs-Weltmeisterschaft erfolgreich sein zu können.

       

      Herr Lipp, Ihre Eltern führen einen Carrosseriebetrieb im luzernischen Ruswil. War es für Sie immer klar, Carrosserie-Spengler zu werden und den Betrieb dereinst zu übernehmen?
      Manuel Lipp: Die Arbeit an den Autos hat mich schon früh fasziniert. In die Lehre gedrängt wurde ich aber niemals, es war meine freie Entscheidung. Später habe ich ab und zu an Samstagen Arbeiten ausgeführt in unserem Betrieb und dabei erlebt, wie toll es ist, selbständig zu sein und etwas entstehen zu lassen. Zugegeben, das Sackgeld, welches ich dabei verdiente, war auch willkommen. Das Thema Betriebsübernahme ist aktuell aber noch zu früh. Zuerst schliesse ich die Zweitlehre ab, bevor über einen weiteren grossen Meilenstein entschieden wird.

       

      Welche Bedeutung hat für Sie das Automobil?
      Manuel Lipp: Die, die mich kennen, würden mich wohl als Autofan bezeichnen. Wenn ein Wagen toll aussieht und darüber hinaus auch noch ein unvergessliches Fahrerlebnis bietet, kann ich schon ins Schwärmen geraten.

       

      An den «World Skills» verpassten Sie den Weltmeistertitel nur ganz knapp. Mit zeitlichem Abstand betrachtet – wie gross ist die Enttäuschung?
      Manuel Lipp: Ich brauche mir nichts vorzuwerfen. Ich denke, schon in den letzten fünf Monaten vor der WM habe ich alles richtig gemacht. Nebst der normalen Arbeit trainierte ich täglich und war deshalb oft zwischen 10 und 15 Stunden am Tag in der Werkstatt. Dann trieb ich viel Sport für eine gesunde Fitness und Mentaltraining für die Konzentrationsförderung. Mehr liegt nicht drin. Am Tag X war ich bereit, konnte alles abrufen, was ich zu bieten habe. Am Schluss fehlten vier Punkte – das ist ein Hauch, ein winziges Teilchen fehlendes Wettbewerbsglück. Und das kann man nicht trainieren.

       

      Mit Ihnen waren weitere 19 Carrosserie-Spengler aus 19 Nationen an der WM dabei. Wie hoch ist das Niveau allgemein? Es ist bekannt, dass der Afrikaner am Schluss so weit war mit seinen Arbeiten wie Sie nach dem zweiten Tag.
      Manuel Lipp: Es gibt schon Unterschiede, trotzdem ist das ein Extrem-Beispiel. Ich meine, die sechs Erstplatzierten arbeiten auf hohem Niveau und auf Augenhöhe. Da geht es sehr eng zu und her. 600 Punkte waren zu erreichen, am Schluss hatte der Weltmeister aus Japan vier Zähler mehr als ich auf dem Konto. Das ist nicht mal ein Prozent Unterschied – vielleicht zu vergleichen damit, ob eine Schraube ein Mü zu wenig oder zu fest angezogen ist. Und gerade solche Details vollenden die Perfektion in diesem Wettbewerb.

       

      Im Oktober findet in Langenthal der Branchen-Event statt. Werden Sie dort sein?
      Manuel Lipp: Der steht in roter Farbe in meinem Terminkalender. Ich bin sicher das ganze Wochenende über dabei, hauptsächlich als Zuschauer, eventuell aber auch in der einen oder anderen offiziellen Funktion.

       

      An diesem Anlass wird Ihr Nachfolger als Schweizermeister erkoren. Für ihn oder sie geht es dann 2017 an die WM nach Abu Dhabi. Welche Tipps geben Sie mit auf den Weg?
      Manuel Lipp: Er oder sie sollte in erster Linie viel Freude haben am Beruf. Dann braucht es einen gesunden Ehrgeiz, um schon an der LAP, später an den regionalen Meisterschaften und dann an den «Swiss Skills» ein Top-Resultat machen zu wollen. Hier stellt jeder die Weichen für die «World Skills».

       

      Das reicht aus, um Weltmeister werden zu können?
      Manuel Lipp: Bei weitem nicht. An der WM braucht jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin einen gewissen Grad an Dankbarkeit und Respekt, dass man so ein tolles Abenteuer mitmachen darf. Nicht zuletzt auch gegenüber allen Personen, die im Hintergrund sehr hart für eine WM arbeiten sowie viel Zeit und Geld investieren, damit solche Anlässe überhaupt durchgeführt werden können. Ich wage die Theorie, dass mit einem gesunden Ehrgeiz und dank unseres Bildungssystems die Ränge vier bis acht möglich sind. Wer aufs Podest will, muss mehr drauflegen, sehr viel mehr sogar. Da braucht es eine perfekte Vorbereitung mit sehr viel Durchhaltevermögen, ein enormer Wille und eine Menge Selbstdisziplin. Und man muss darauf vorbereitet sein, dass man während des Wettbewerbes an seine körperlichen und mentalen Grenzen gelangt – oder sogar darüber hinaus. Aber das macht ja den Reiz der Sache aus.

       

      Zum Schluss noch drei Stichwörter. Was kommt Ihnen in den Sinn zum Thema Freizeit?
      Manuel Lipp: Skifahren. Ich bin Mitglied einer Gruppe von 20 Kollegen. Wir treffen uns zum Plausch auf den Pisten und machen das Skifahren jeweils zu einem richtigen Event mit allem Drum und Dran.

       

      Partys?
      Manuel Lipp: Ich liebe sie, aber im gemässigten Rahmen. Wenn es am Abend zu spät wird oder der Alkohol in Strömen fliesst, ist das eher nicht mein Ding. Das würde bedeuten, dass man nur schwer aufstehen kann am anderen Tag oder ihn sogar verpennt. Das ist nichts für mich.

      Traumauto?
      Manuel Lipp: Ich liebe Oldtimer. Wenn plötzlich ein Chevrolet Camaro SS aus den späten Sechziger Jahren vor unserer Werkstatt stehen würde, wäre ich wohl geflasht.

       

      Warum Oldtimer?
      Manuel Lipp: Mich fasziniert die Einfachheit, mit denen die Autos von damals gebaut sind. Hauptsächlich die mechanischen Arbeiten – auch am Blech, da steckt noch richtiges Handwerk dahinter.


      Das waren die Aufgaben an der WM
      In Brasilien bekamen die WM-Teilnehmer eine Roh-Carrosserie, an der sie unter anderem Strukturschäden reparieren mussten – und zwar durch Rückverformen oder Austrennen und Einschweissen von Neuteilen. Hinzu kamen Arbeiten und Reparaturen an der Aussenhaut des Fahrzeuges. Ferner gehörte das Ausbeulen mit oder ohne Lackschaden dazu, dann die Montage und das Ausrichten von Neuteilen, die elektronische Fahrzeugvermessung oder das Eingreifen in die Fahrzeugelektronik mithilfe eines Fahrzeugdiagnosegerätes.

       

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