Von Heinz Schneider (Text) und Irene Schneider (Fotos)
Es ist ein warmer Sommerabend in Uster. Auf dem Zeughaus-Areal klirren Gläser, irgendwo ploppt ein Prosecco-Korken. Die Sektion Zürich feiert. Rund 130 junge Fachleute haben es geschafft – Lehrabschluss bestanden, Zertifikate in der Hand. Und mittendrin steht ein 19-Jähriger, eher schüchtern, fast so, als habe er noch gar nicht begriffen, was hier abgeht.
Obwohl: Er ist einer der Sieger, ergo müsste er strahlen – mit einem Grinsen, das so breit sein sollte wie ein frisch verzinntes Heckblech. Doch Karokh Aula wirkt etwas verloren. Dabei hat er auf der ganzen Linie gewonnen. Lehrabschluss mit Durchschnittsnote 5,0 – das ist das beste Resultat aller 24 Carrosserie-Reparateure. Respekt. In der Schweiz ist das nicht weniger als die Lackierung in Candy-Apple-Red: edel, glänzend, auffällig. Dafür wird er vom Verband mit einer Anerkennungsurkunde geehrt. Und das in einem Beruf, der selbst noch den Geruch des Neuen an sich trägt.
Denn die Lehre zum Carrosserie-Reparateur gibts erst seit drei Jahren. Karokh, seine 23 Mitstreiter und sein Lehrbetrieb «Carrosserie- und Spritzwerk Rüegg» in Bilten (GL) sind die ersten, die den Trip gewagt haben. Ein Pionierjahrgang also – Lehrzeit ohne Erfahrungswerte, ohne ältere Jahrgänge zum Nachfragen, ohne diesen «Wir-wissen-schon-wie-es-läuft»-Komfort.
Neuland für alle – auch für Luciano Poppi, der die Truppe an der STFW Winterthur schulisch durch Dick und Dünn manövriert hat. Ein kompetenter Berufsmann, der seit 23 Jahren im Auftrag des Blechs unterwegs ist, zuerst im üK-Zentrum Effretikon, dann in Winterthur. Und in dieser langen Zeit mehr Carrosserien gesehen hat als so mancher Oldtimer-Treff. Der 61-Jährige kennt das Handwerk, das Knarzen des Metalls, die ganz feinen Unterschiede zwischen einer guten und schlechten Reparatur – und vor allem die Lernenden. «Wissen Sie», sagt er mit einem Schmunzeln, «am Anfang haben wir alle ein bisschen in Dunkeln getappt. Es gab keine Vorbilder, keine alten Prüfungen, keine Erfahrungswerte. Aber wir haben es hingekriegt.»
So wie Karokh Aula. Der junge Mann spricht im Interview mit «carwing» mit ruhiger Stimme, die nach mehr klingt als nach drei Lehrjahren. «Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, in der Schule und im Betrieb», sagt er. Und dann kommt das, was in der Ausbildung Gold wert ist: «Mein Lehrmeister und der Chef haben mich unterstützt, wo sie nur konnten – und mir auch schöne Arbeiten gegeben.» Schöne Arbeiten – das heisst in diesem Fall nicht nur «mach mal den Rost weg». Es bedeutet, dass ein Lernender Verantwortung übernehmen darf. Ein Schweller hier, ein Kotflügel da. Karokh durfte ran. Und er hat abgeliefert.
Schweissen darf er wie alle Carrosserie-Reparateure allerdings nicht. Sie arbeiten ohne Hitze. Dafür sind sie Meister der Kälte-Fügetechnik. Klingt nach Eiskammer, ist aber Hightech – so kühl wie Karokh selbst, wenn er von seiner Zukunft spricht: «Ich will mich weiterbilden. Und sehr gerne noch die Lehre zum Carrosseriespengler anhängen.»
Ob das klappt? Bestimmt. Denn wenn einer im kühlen Modus schon so glänzt, was soll da erst passieren, wenn er Feuer und Flamme fürs Schweissen wird?