Carrosserie- und Fahrzeugbau

AkzoNobel: So spannend war die Management-Konferenz in Berlin

 

Text und Fotos: Irene Schneider

Neun Vorträge, neun Referenten und mit dem provokativen Motto «Bist Du Bereit» ein heisser Aufhänger – der theoretische Teil während der dreitägigen «Management-Konferenz 2018» von AkzoNobel in Berlin war in der Tat eine geballte Ladung Gesprächsstoff. Eröffnet wurde der Rede-Marathon von Benjamin Burkhard, Vertriebsleiter AkzoNobel VR DACH: Und zwar mit einem «Dankeschön» für die geleisteten drei «Dienstjahre» an die Adresse der Beiräte der DACH-Organisation, die neben dem Berufsalltag viel Zeit gefunden haben für intensive Diskussionen und Debatten. «Aber wir haben immer einen Konsens und somit gute Endlösungen gefunden», ist Burkhard überzeugt.

 

In seiner Marktanalyse – die er in der Schweiz, in Deutschland und Österreich als ungefähr identisch wertet – geht der Manager davon aus, dass auf unseren Strassen alle zwölf Sekunden ein Unfall passiert. Profiteure sind die OEMs (Original Equipment Manufacturer) – also die Erstausrüster, die auch gleich noch bei der Preisgestaltung der Ersatzteile am Drücker sind. Was die Frage provoziert: «Braucht es die Autohäuser in Zukunft noch»? Ein Beispiel für ein eventuelles «Nein» steht aktuell im deutschen Hanau: Dort hat ein Hersteller eine virtuelle «Garage» eröffnet, wo sich jeder sein Auto mit aufgesetzter Brille individuell zusammenstellen kann. Sogar auf Sitzen kann Platz genommen werden. Und der Berater drückt dem Interessenten Leder in die Finger, sodass er Weichheit und Haptik des Innenraum-Materials erfühlen kann. Dazu sagt Burkhard: «Somit lässt sich jedes Auto direkt bestellen. Die Veränderung ist da, sie kommt in schnellen Schritten auf uns zu. Internetkäufe werden immer wichtiger, die Autohändler verlieren an Einfluss.»

 

Zudem sorgt sich Burkhard um jene Autohäuser, die Reparaturen direkt erledigen oder auch mit freien Werkstätten zusammenarbeiten. «Wird sich das Autohaus künftig überhaupt noch mit Instandsetzungen beschäftigen? Was bedeutet das für ihre Firma? Entsprechen die aktuellen Geschäftsmodelle noch der Realität?» Eine grosse Veränderung sieht er in «Care by Volvo»: Mit diesem Modell – ein ähnliches gibt es in der Schweiz von der Axa – lässt sich das Fahrzeug im Abo bestellen. Das heisst, Fahrzeugbesitzer bleibt der Hersteller. Er entscheidet, wo das Fahrzeug versichert und repariert wird.

Einige der Themen, die in Berlin von den Referenten zur Sprache gebracht wurden, haben wir nachfolgend in Kurzform für Sie zusammengestellt.

 

Second Car Age – Warum die Revolution auf der Strasse schneller kommt als gedacht
Thomas Sauter-Servaes, Mobilitätsforscher ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften)

Er vertritt ziemlich revolutionäre Thesen. Etwa 80 Prozent aller Unfälle auf den Strassen führt Sauter-Servaes auf menschliches Versagen zurück. Das kostet alljährlich 1,25 Millionen Menschen das Leben. «Wann also kommt das selbstfahrende Fahrzeug?» fragt der Schweizer. «Viel eher als wir alle denken», ist er überzeugt. Dafür sorgen vier «apokalyptische Reiter» wie Google, Apple, Amazon und ein weiterer Anbieter aus Russland. Sein Fazit: «Die Mobilität lässt sich künftig vom Handy aus steuern. Der Automobilist hinterlegt seine Bankdaten, den Rest erledigt das zentrale Computersystem.

 


Entwicklung des freien Marktes: Neue Kunden – neue Technologien – neue Strukturen
Andreas Brodhage, Geschäftsführer Global Automotive Service GmbH

Er ist der Meinung, dass nichts so schnell gegessen wie gekocht wird. Viele Entwicklungen sind längst nicht zu Ende gedacht. Selber fährt er einen Volvo, nutzt auch die dazugehörige App. Seine Überzeugung: «Mir ist es egal, ob Google, Volvo oder auch wer immer weiss, wo ich hinfahre. Das sehen ja auch die von iPhone.» Hinsichtlich neuer Technologien favorisiert er die Elektromobilität, «obwohl das Stromnetz noch lange nicht darauf ausgelegt sein wird, dass alle mit E-Autos fahren können.» Trotzdem steht mit SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation) der grösste chinesische Töff- und Automobilhersteller bereit, um über eine Leasinggesellschaft Elektroautos nach Europa zu exportieren. Will man nun aber Teil der E-Mobilität werden? «Dafür braucht es Emotionen, Leidenschaft und Beharrlichkeit. Der Entscheid liegt bei Ihnen. Sie sind Unternehmer», sagt Brodhage. Kleine Notiz am Rande: Er ist stolzer Besitzer der «Taxi App». Heute am Flughafen hat er sie benutzt. «Aus Bequemlichkeit», wie er sagt. Denn über die «Taxi App» werden die Kosten direkt abgebucht. Was ihn zur These verleitet, dass Faulheit und Bequemlichkeit die Beschleuniger sein könnten für künftige Entwicklungen.

 

Auswirkungen neuer Technologien auf die Unfallreparatur
Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer Allianz Zentrum für Technik München, AZT Automotive GmbH

«Die Frage ist nicht ob, sondern wann das computergesteuerte Auto kommt», ist Christoph Lauterwasser überzeugt. Seine Kernaussagen: Fahrzeug-Anbauteile werden immer teurer, die Batterie macht 30 bis 50 Prozent vom Preis eines E-Autos aus. Zudem werden Unfallschäden immer teurer – auch weil die modernen Fahrzeuge dem iPad immer ähnlicher und voll vernetzt sind. Das heisst, man kann laufend neue Funktionen einspeisen. Zudem wird «das Smartphone zum neuen Fahrzeugschlüssel», prophezeit Lauterwasser. Beim AZT geht man davon aus, dass Unfälle und somit Schadenvolumen abnehmen – in erster Linie wegen selbstfahrender Autos, die versicherungstechnisch zu einer grossen Herausforderung werden könnten.

 

«Quo Vadis», Carrosserie- und Fahrzeugbau
Thomas Aukamm, Hauptgeschäftsführer, Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik e. V.

Der deutsche ZKF vertritt 3500 Mitgliederbetriebe. Die Kernaussagen von Thomas Aukamm lauten: Die Komfortzone «Es ist gut was wir machen» muss schnell verlassen werden. Der Carrosseriespengler von früher ist passé. Hammer und Feile reichen nicht mehr, heute brauchts Maschinen, Computer, unterschiedliche Schweiss- und Diagnosegeräte. «Und es wird noch mehr auf uns zukommen, wenn das Fahrzeug elektrifiziert und noch mehr digitalisiert ist», sagte Aukamm. Ein weiteres Problem ist der Fachkräftemangel. Es gibt weniger junge Leute, die einen Handwerkerberuf ergreifen wollen. «Der Markt hat gedreht», junge Menschen kommen nicht mehr auf die Betriebe zu. Diese müssen neue Wege gehen, um Beruf und Ausbildung attraktiver zu gestalten. Gleichzeitig müssen die Betriebe in Deutschland die Löhne der Lernenden nach oben anpassen.


Der Selbst-Entwickler
Jens Corssen, Diplompsychologe und kognitiver Verhaltenstherapeut

Die wichtigste Erkenntnis vorweg: Der Selbst-Entwickler akzeptiert, dass alles immer im Fluss ist. Mit einer Wellenbewegung dokumentiert der Referent die Höhen und Tiefen des Lebens – Umsatz kommt, Umsatz geht, Liebe kommt, Liebe geht, Chef kommt, Chef geht . . .
Schwierige Veränderungen im Leben sind eine Tatsache. «Wie wir damit umgehen, entscheiden wir selbst», sagt Corssen. Sein Tipp: «Betrachten wir Veränderungen deshalb als Chance, nicht als Last», denn mit einer negativen Haltung lässt sich unsere «Selbst Bewusstheit» nicht stärken. Die wird aber gebraucht, damit man sich positiv auf Neues einlassen kann. «Wer an sich arbeitet, weiss was er tut. Und weshalb», sagt Corssen.

 

Neuste Artikel: Carrosserie- und Fahrzeugbau