Von Dennis Schneider (Text & Fotos)
Volle Hütte. Oder besser gesagt: volle Werkstatt. In Biel-Benken BL versammeln sich bei strahlendem Sommerwetter über 100 Gäste zur diesjährigen Lehrabschlussfeier der Sektion Nordwestschweiz. Wo sonst Türen demontiert und Carrosserien gespachtelt werden, regieren heute Stolz, Erleichterung und ein Hauch Feierlaune. Gastgeber ist die Falcone GmbH – Carrosserie + Spritzwerk, die an diesem Tag zur Bühne für den Nachwuchs der Branche wird. Und ja – der rote Teppich liegt tatsächlich aus. Nicht als glamouröse Geste, sondern als stilles Zeichen: Heute stehen die jungen Fachkräfte im Rampenlicht.
Sektionspräsident Erwin Leu eröffnet die Feier mit klaren Worten. Er spricht von grosser Freude darüber, dass so viele Menschen den Weg hierher gefunden haben – und bringt damit die Stimmung auf den Punkt. Doch es bleibt nicht bei Höflichkeiten. Leu richtet sich direkt an die Absolventinnen und Absolventen: Wer sich durch die Lehrjahre gekämpft und Prüfungen mit Einsatz und Durchhaltewillen gemeistert hat, habe sich das nächste Kapitel mehr als verdient. Der Berufseinstieg beginnt nicht mit einem Zufall, sondern auf dem soliden Fundament harter Arbeit.
Auch Philipp Lendenmann, zuständig für die Weiterbildung bei «Carrosserie Suisse», lässt keinen Zweifel daran: Jetzt fangen die Möglichkeiten erst an. Ob Spezialisierung, Weiterentwicklung oder Meisterprüfung – der Weg sei offen, wenn man bereit ist, ihn zu gehen. Die Branche sucht nicht bloss Leute mit einem Fähigkeitszeugnis, sondern mit Haltung, Ehrgeiz und Ideen.
Wie herausfordernd und praxisnah die Prüfungen waren, zeigen die Berichte der Fachexperten. Aus der Lackiererei berichtet Pascal Volk – mit einer Mischung aus technischer Präzision und berechtigtem Stolz. Die Kandidatinnen und Kandidaten mussten unter anderem eine neue Fahrzeugtür im Zweischichtsystem mit wasserbasierendem Lack bearbeiten, dazu eine Reparaturzone fachgerecht instand setzen. Zwanzig Stunden konzentrierte Praxis, ohne Netz und doppelten Boden. Volk erinnert dabei an ein altbewährtes Motto: Wer sich mit dem Status quo zufriedengibt, hat schon verloren. Der Fortschritt ist Pflicht, nicht Kür.
In der Spenglerei ist das Bild nicht weniger eindrucksvoll. üK-Leiter Andreas Arnold schildert Aufgaben wie die Bearbeitung eines Längsträgers, das Anpassen und Verschleifen von Bauteilen oder das Reparieren von Kunststoffkomponenten. Arbeit, die Muskelkraft, Fingerspitzengefühl und Fachwissen gleichzeitig verlangt. Arnold würdigt die Leistungen mit einem klaren Gruss an den Nachwuchs – und erinnert mit einem Augenzwinkern daran, dass mit dem Ende der Lehre nicht nur mehr Lohn kommt, sondern auch mehr Verantwortung. Wer kein Lernender mehr ist, wird auch nicht mehr mit Samthandschuhen angefasst.
Zwei Namen stechen aus der Menge heraus: Fabio Stendardo (Carrosseriespengler) und Cameron Oser (Carrosserielackiererin) gehören zu den Jahrgangsbesten. Oser brilliert mit einer Gesamtbewertung von 5.3 – ein klares Signal, dass Talent gepaart mit Disziplin sich immer auszahlt. Während andere noch üben, lackieren solche Fachkräfte schon in Perfektion.
Ein kleines Stück Branchengeschichte schreibt Behar Azemi. Als erster Carrosseriereparateur EFZ in der Region Nordwestschweiz tritt er symbolisch auf die Bühne – und füllt damit ein neues Berufsbild mit Leben. Seit 2022 existiert diese Ausbildung, als gezielte Antwort auf die wachsende Lücke zwischen Spenglerei und Lackiererei. Azemis Freude ist echt, seine Rolle als Vorreiter unübersehbar. Was für ihn gilt, gilt für viele: Die Zukunft wartet nicht, sie fährt längst im ersten Gang los.
17 Lackiererinnen und Lackierer, ein Lackierassistent EBA sowie vier neue Carrosseriespenglerinnen und -spengler komplettieren das diesjährige Abschlussbild. Hinter jedem Namen steht eine Geschichte, hinter jeder Prüfung ein Kraftakt. Aber heute zählt nur eines: Sie haben es geschafft.
So feiert sich eine Branche – nicht mit Glitzer, sondern mit Ehrlichkeit. Nicht mit Pomp, sondern mit Respekt. Wer in Biel-Benken auf dem roten Teppich einmarschiert, tritt nicht ins Rampenlicht des Showbusiness, sondern in den Alltag eines Berufsfelds, das Präzision, Leidenschaft und Können verlangt. Die nächste Generation ist bereit. Und sie macht verdammt deutlich: Mit uns ist zu rechnen.