Carrosserie- und Fahrzeugbau

Forum «Mobilität der Zukunft»: Es war ein würdiger Anlass

 

Text und Fotos: Irene Schneider

Der Schweizerische Carrosserieverband, neu «carrosserie suisse», feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Das heisst aber nicht, dass die 99. Delegiertenversammlung am 6. Juni im Verkehrshaus Luzern ausschliesslich im Zeichen des Rückblicks stattgefunden hat. Nein, der Blick richtet sich an diesem Tag auch nach vorne – und zwar mit dem Forum «Mobilität der Zukunft». Wie verändert sich die Mobilität in den nächsten Jahren? Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? Werden wir schon bald von autonomen Fahrzeugen ohne CO2-Ausstoss durch die Gegend chauffiert? Oder gar durch die Lüfte ans Ziel befördert? Das sind die Themen und Ideen, die innovative Menschen und Experten diskutierten und dem Publikum nahe brachten.

 

Als Moderator führt Stephan Klapproth durch den Nachmittag – Rhetorikexperte, Journalist und 22 Jahre lang TV-Frontmann bei «10 vor 10». Zum Einstieg in die Thematik lässt er die Zuhörer an den Reiseerfahrungen teilhaben, die er im jugendlichen Alter mit seiner Familie gemacht hat. Pointiert, geistreich und mit Humor vorgetragen, nimmt er dabei sein Publikum mit auf die mit Pleiten, Pech und Pannen gespickte Fahrt im Renault 16 von Italien in die Schweiz.

 

Kein Thema in der künftigen Mobilität wird an diesem Nachmittag tabuisiert. So vertritt zum Beispiel Jörg Beckmann (Geschäftsführer Swiss eMobility) die These, dass es den Verbrennungsmotor bald nicht mehr braucht. Die Lösung sieht er in Elektroautos – natürlich ohne Fahrer und im Carsharing-Prinzip. Oliver Outboter von der Schweizer Firma Micro (Produzent von Tretrollern für Erwachsene) stellt den Microlino vor – ein Mix zwischen Töff und Mini-Stadtauto, das optisch und konzeptionell an die BMW Isetta oder den Messerschmitt erinnert und in der City quer parken kann. Seine publikumswirksame Feuertaufe erlebte der batteriebetriebene Kabinenroller 2018 als Prototyp anlässlich des Genfer Automobilsalons, wo mehr als 500 Bestellungen für ihn eingegangen sein sollen. Die geplante Serienfertigung muss aber hinausgeschoben werden: Die Firma Micro hat noch einiges mit einem ehemaligen Geschäftspartner zu klären.

 

Wenn der Strassenverkehr stottert, sollte man künftig in die Luft ausweichen können. Zum Beispiel mit einer Taxi-Drohne – eine Vision, die mittlerweile verschiedene Testmodelle hervorgebracht hat. Knackpunkt: Die für die Fluggeräte nötigen grossen Propeller brauchen (zu) viel Platz. Zudem müsste – davon ist Peter Marcus Lenhart, Dozent und Leiter der Forschungsgruppe «Mensch-Maschine-Systeme» am Zürcher Zentrum für Aviatik, überzeugt – der Luftraum komplett neu organisiert werden. Ist das getan, könnten die neuen Fluggeräte Helikopter ersetzen.

 

Daniel Kilcher (ASTRA) ist sicher, dass der Staat bei autonomen Fahrzeugen Hand bieten würde. Allerdings: Nach einer anfänglichen Euphorie 2016 ist in der Planung mittlerweile die Realität eingezogen. Selbstfahrende Autos ziehen zusätzliche bauliche Veränderungen nach sich, und eine Mehrbelastung im Strassenverkehr ist durch das autonome Fahren möglich. Zudem müssen Gesetze, Verkehrsverordnungen und das Versicherungsrecht geändert und die neuen Verkehrsinfrastrukturen weltweit angepasst werden.

 

In der anschliessenden Gesprächsrunde, an der sich alle Referenten mit «carrosserie suisse»-Zentralpräsident Felix Wyss beteiligen, stellt sich die Frage, wann der herkömmliche Verbrennungsmotor ausgedient haben wird. Die Antwort: in etwa 30 Jahren.

 

Den Schlusspunkt des Nachmittages setzt Ludwig Hasler – Denker, Autor, Publizist und Philosoph aus Zollikon (ZH). Seine Aufgabe ist es, das Gehörte vom Nachmittag auf den Punkt zu bringen. Seine Meinung: Computer sind absolut fehlerfrei, der Mensch nicht. Deshalb gilt: «Kein Festkrallen an der Gegenwart. Mit der Zukunft zusammenarbeiten, sie nicht vorbeiziehen lassen.»

 

Zum Ausklang des Tages treffen sich alle zum «Apéro riche» im Strassenschilderhaus im Verkehrshaus – mit der Überzeugung, dass der Anlass ein würdiger Teil der Geburtstags-Feierlichkeiten war. Viel Lob gabs zudem von Ueli Scherrer von der AMAG: «Der Carrosserie Verband hat in der Vergangenheit alles richtig gemacht. Er ist nicht in der Gegenwart stehengeblieben, sondern hat die Zukunft zugelassen und sie in Angriff genommen», sagte er.

 

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