Carrosserie- und Fahrzeugbau

Mit 16: Im Thurgau arbeitet der jüngste Tesla-Spezialist

 

Text und Fotos: Henrik Petro

Diego Cassol, 16 Jahre jung und Carrosseriespengler im ersten Lehrjahr bei der «Greco Carrosserie + Autospritzwerk AG» in Sirnach (TG), ist der weltweit jüngste und offiziell von Tesla zertifizierte Hochvolt-Techniker. Und das kam so: Als vor einigen Jahren die klassischen Carrosserieaufträge etwas seltener wurden, bereitete dies Francesco Greco einige Sorgen. Zusammen mit Bruder Adriano führt er das 1980 gegründete Unternehmen in zweiter Generation. Dazu wurde eine beträchtliche Summe in den 2016 eingeweihten Neubau gesteckt. Also machten sich die beiden auf die Suche nach einer Spezialisierung mit Wachstumspotenzial. Schon damals gehörten Carrosseriearbeiten an Fahrzeugen aus Aluminium zum Dienstleistungsangebot – und die Ersatzwagenflotte umfasste Elektromobile, die an der hauseigenen Schnellladestation aufgeladen werden konnten.

 

Adriano und «Franz» (wie Francesco von allen genannt wird) beschlossen, noch stärker auf die Reparatur von E-Mobilen zu setzen, die leichtbaubedingt auch einen hohen Aluanteil aufweisen. Mitte 2017 war es dann so weit: Das «Greco Carrosserie + Auto- spritzwerk» durfte sich fortan offiziell «Tesla Approved Bodyshop» nennen – eine Auszeichnung, die in der Schweiz erst wenigen Betrieben vorbehalten ist, da sie neuste Aluminiumschweiss- und Klebetechnologien beherrschen müssen.

 

«Viele Kritiker waren damals der Meinung, dass Elektromobilität nur ein Hype ist. Und sich die intensive Spezialausbildung mehrerer Mitarbeiter im Ausland sowie die sehr hohen Investitionen in die Infrastruktur nicht auszahlen würden», erinnert sich Francesco Greco. Doch das Gegenteil traf ein: Tesla führt 2019 mit dem Model 3 nicht nur die Schweizer Verkaufshitparade der E-Mobile an, sondern belegt gleichzeitig Rang 4 bei den meistverkauften Fahrzeugen – mit 5028 Immatrikulationen direkt hinter Skoda Octavia und den beiden VW-Modellen Tiguan und Golf. Inzwischen ist die Firma Greco auch von BMW, Ford, Nissan und Renault zertifiziert, um deren Elektroautos zu reparieren.

 

Im Hinblick auf die kommende Elektrifizierung von Transporter-Flotten, wie sie etwa die Schweizer Post anstrebt, dürfte das Auftragsvolumen wachsen. Denn die Kombination aus Hochvoltspezialisierung plus Nutzfahrzeugkompetenz wird eine erhöhte Nachfrage erleben, die bislang nur wenige Betriebe abdecken können. Dies alles geht nur mit dem richtigen Personal, denn Tesla zertifiziert nicht nur Betriebe, sondern auch deren Mitarbeiter. Mindestens zwei Spengler müssen dafür die spezifischen Prüfungen bestehen. «Ich nenne sie Carrosserietechniker, denn sie können mehr als ein Spengler», sagt Greco.

 

Einer dieser zertifizierten Mitarbeiter heisst Diego Cassol. Im Gegensatz zu al-
len anderen Hochvolttechnikern weist er aber noch keine Berufserfahrung auf, denn er ist Lernender im ersten Lehrjahr. «Diego war von Beginn an sehr engagiert, ja geradezu hungrig zu lernen. Wir waren der Ansicht, er könnte das schaffen», hält Greco fest. Da es aber noch nie so einen Fall gegeben hat, musste er vorab von Tesla bewilligt werden. Und von Diegos Eltern.

 

Coach Marko Grimm begleitete Diego nach Holland. Im dreitägigen Kurs ging es um Hochvolt am Model 3. «Englisch ist eigentlich kein Problem, und wenn ich einen Begriff nicht wusste, hatte ich ja Marko dabei», so Cassol. Tatsächlich war jeder Teilnehmer mit seinem eigenen Dolmetscher angereist. «Alle waren mindestens 30 Jahre alt. Als ich beim Kursort ankam, fragte man mich am Empfang, ob ich mich verlaufen habe», lacht Diego. Die Kurse basieren immer auf Online-Schulungen – und wenn man die nicht besteht, kann man gar nicht erst ins Center. «Wir versuchen, Diego so zu trainieren, dass er alles bekommt, was er für Kurse und Prüfungen braucht», sagt Francesco Greco. Er und Marko Grimm haben die Prüfungen ebenfalls absolviert und können bei Bedarf klären.

 

Dass Diego es sehr genau nimmt, wird klar, als er seinen Weg in den Beruf beschreibt. Vor einigen Jahren besucht er am Zukunftstag den Vater eines Kollegen – ein Carrosseriespengler. Und ist begeistert. Trotzdem schnuppert er an verschiedenen Orten. Einblick in den Spenglerberuf erhält er bei Greco: «Ich habe viel Verantwortung bekommen und kompetente Leute kennengelernt. Es war toll», fasst der junge Mann zusammen. Trotzdem sieht er sich auch bei anderen Carrosseriebetrieben um, doch die Latte war hoch angesetzt: «Ich war dort gelangweilt, durfte nichts machen. So habe ich gemerkt, dass hier der beste Platz ist für mich.» Um wirklich ganz sicher zu sein, schnuppert er drei Mal im Thurgauer Betrieb.

 

Und was empfiehlt Diego anderen Lernenden, die sich ebenfalls in diese Richtung entwickeln möchten? «Man soll nicht aufdringlich sein, aber leidenschaftlich und engagiert. Rede zuerst mit deinem Betreuer und erkläre ihm, dass du das gerne machen möchtest. Es ist dann seine Aufgabe, dich zu unterstützen.»

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