Carrosserie- und Fahrzeugbau

Serie: «Vorwärtskommen – Berufsleute mit Biss + Ziel»

 

Wer in der Carrosseriebranche vorwärtskommen will, hat allerbeste Chancen. Denn hier wird Aus- und Weiterbildung GROSS geschrieben, die Möglichkeiten sind umfassend – egal, ob man sich werkstattseitig nach oben orientieren möchte oder der Plan steht, später einmal einen Betrieb zu führen oder zu übernehmen. Wohin ihr eigener Weg bereits geführt hat oder wohin er noch weisen wird, das erzählen einige Interviewpartner in unserer Serie «Vorwärtskommen».

 

Heute: Peter Bucheli (61), Rothenburg (LU), Fahrzeugbautechniker/Berufsschullehrer der Fahrzeugschlosser

Herr Bucheli, Sie haben Ihre Lehre als Carrosseriespengler von 1975 bis 1979 absolviert. Wie war das damals? Vom schulischen hergesehen?
Peter Bucheli: Heute ist die Ausbildung auf handlungsorientierten Unterricht ausgelegt, deshalb ist sie mit der von vor 40 Jahren nicht vergleichbar. Ich und meine Kameraden hatten damals das Glück, dass wir in der Berufsschule zu zwei hervorragenden Lehrpersönlichkeiten in die Klasse kamen. Zum einen war das Louis Boss, der gerade das Fahrzeugbau-Technikum in Kaiserslautern und das damalige SIBP (Anm. d. Red: heute EHB) absolviert hatte. Und zum anderen Urs Reichmuth in der Allgemeinbildung.

 

Dann sind also nicht schlechte Erfahrungen in Ihrer Lehrzeit der Grund für Ihren heutigen Beruf als Lehrer am Berufsbildungszentrum Bau und Gewerbe Luzern?
Peter Bucheli: Nein, ich hatte wirklich eine sehr gute Lehrzeit. Ich wuchs mit Pferdefuhrwerken, Industrietraktoren und Fahrzeugen für den Holztransport auf. Mich hat die Fahrzeugentwicklung immer fasziniert, nur gab es damals praktisch keine Lehrstellen als Fahrzeugschlosser. Also suchte ich mir für die Lehre einen Betrieb im Carrosseriebau mit Schwerpunkt Nutzfahrzeuge. Aber dass ich eine technische Ausbildung machen und mit jungen Menschen in der Ausbildung arbeiten möchte, stand für mich schon sehr früh fest.

 

Waren die Schüler zu Ihrer Zeit leistungsfähiger? Oder belastbarer?
Peter Bucheli: Nein, wenn ich auf die Lernenden in meiner damaligen Klasse zurückblicke, denke ich das nicht. Die jungen Berufsleute von heute und jedenfalls die Fahrzeugschlosser sind viel motivierter – und leistungsfähiger. Und sie sind begeisterungsfähig, stolz auf ihren Beruf und ihre Tätigkeit. Wir haben es in der Regel mit sehr anständigen, intelligenten und vor allem lernwilligen jungen Leuten zu tun. In unserem Berufsbildungszentrum gehören sie sicher zur Elite.

 

Inwiefern hat sich die Ausbildung an den Berufsschulen und in den Lehrbetrieben Ihrer Meinung nach verbessert?
Peter Bucheli: Zu meiner Zeit war der Fahrzeugschlosser ein absolutes Nischenprodukt in der Berufsbildung. Mit dem Ausbildungsreglement von 1989 ist der schulische Unterricht der Fahrzeugschlosser in Luzern zentralisiert worden, was viele Betriebe dazu veranlasst hat, fortan Fahrzeugschlosser statt Konstruktionsschlosser auszubilden.

 

Gleichzeitig dürfte die heute noch aktuelle Bildungsverordnung von 2010 den Beruf positiv weiterentwickelt haben . . .
Peter Bucheli: Ganz sicher. Mit den Erfahrungsnoten in der Berufsfachschule, im überbetrieblichen Kurs und im Ausbildungsbetrieb sind heute alle drei Lernorte viel besser in den Ausbildungsprozess des jungen Fahrzeugschlossers eingebunden als früher. Darüber hinaus haben die Fahrzeuge selber und auch die Herstellung der Aufbauten einen enormen Wandel durchgemacht. Hochfeste Feinkornbaustähle sind heute etwas Alltägliches. Oder auch Laserteile, die zu Schweisskonstruktionen und fertigen Baueinheiten zusammengebaut werden oder hydraulische und pneumatische Systeme, die sich durch elektronische CAN-Bus-Systeme steuern lassen – sie alle haben im Unterricht ihren Platz. Und vergessen Sie nicht: Die Schnittstelle von Lastwagen und Aufbau hat heute eine ganz andere Bedeutung als noch vor ein paar Jahren.

 

Ich möchte kurz Ihre berufliche Karriere Revue passieren lassen. Von 1979 bis 1993 haben Sie als Fahrzeugschlosser und Fahrzeugbautechniker bei der Lanz + Marti AG in Sursee gearbeitet. Vermissen Sie die handwerkliche Arbeit heute ab und zu noch?
Peter Bucheli: Ja, das tue ich. Mich faszinieren Fahrzeugbau, Handwerk und Technik nach wie vor. Es kommt nicht von ungefähr, dass ich, wenn ich die Lernenden im überbetrieblichen Kurs besuche, auch eine Schweissanlage und das nötige Stahl- oder Aluminiummaterial zur Verfügung habe und selber Hand anlegen kann.

 

Auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht) bis 10 (schon fast krankhaft) – wie gross ist Ihr Ehrgeiz?
Peter Bucheli: Ich bin schon ehrgeizig, aber es ist nicht krankhaft. Wir können dies mit der Ziffer 8 bewerten.

 

Ich frage das, weil ihr Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramm unendlich lang ist. 1985 haben Sie zum Beispiel das Studium an der Fachschule für Technik in Kaiserslautern (D) als «Staatlich geprüfter Techniker Fachrichtung Carrosserie- und Fahrzeugbau» abgeschlossen. Demzufolge war eher Technikbegeisterung denn übersteigerter Ehrgeiz ihr Ansporn?
Peter Bucheli: Ich glaube, es war wirklich die Technik, die mich faszinierte. Wie erwähnt, bin ich mit Fuhrwerken aufgewachsen. Fahrzeuge zu bauen war mein grosser Wunsch. Heute bin ich zwar nicht mehr täglich in der Entwicklung tätig, aber trotzdem werde ich immer wieder für Beratungsmandate und für Studien in der Entwicklung herangezogen. So spüre ich auch heute noch den Puls. Es freut mich jedes Mal, wenn ich ein Fahrzeug auf der Strasse sehe, bei dem ich als «Ideenlieferant» mitgewirkt habe.

 

Mitte der Neunziger Jahre haben Sie dann die Richtung geändert – mit einem Studium für Unternehmensführung am Bildungszentrum Feusi in Olten. Wollten Sie einen neuen Weg einschlagen?
Peter Bucheli: Es war die betriebswirtschaftliche Ausbildung, die mich gereizt hat. Das hat bei der technischen Ausbildung nicht im Vordergrund gestanden. Rektor Thomas Meier bot mir das Mitmachen im Bildungsgang «Unternehmensführung für Carrosserieberufe» an – da sagte ich zu. Es waren spannende Themen und Inhalte, die mir das unternehmerische Denken und den Blick für betriebswirtschaftliches Handeln schärften.

 

In Ihrem Lebenslauf fällt ein Detail auf – Coaching-Seminar «Swiss Skills» in Bern steht da geschrieben. War das die Initialzündung für Ihre heutige Tätigkeit, das Lehren und Lernen von und mit jungen Menschen?
Peter Bucheli: Nein. Seit 1995 hatte ich stets die Zentralschweizer Carrosseriespengler-Kandidaten für die World Skills trainiert. Dort wurde 1995 Jörg Glanzmann Weltmeister, 1999 und 2001 erreichten Sandro Fanger und Andreas Theiler den 4. Rang, 2003 folgte Michael Amrhyn mit dem 5. Platz. Da kam bei mir den Wunsch auf, mich weiterzubilden und als Betreuer der jungen Berufsleute im Bereich Coaching tätig zu sein. Damals gab es am BBZB einen Sportlehrer, der bei Swiss Olympic gearbeitet und mir den Weg geebnet hat. Der Betreuer der Ski-Nati, Hanspeter Gubelmann, nahm mich dann in dieses Coaching-Seminar auf.

 

Der letzte Carrosseriespengler, den Sie zu und an den Berufsweltmeisterschaften gecoacht haben, war 2013 André Schmid. Er holte in Leipzig die Bronzemedaille. Warum haben Sie diesen riesigen Aufwand über eine so lange Zeit auf sich genommen?
Peter Bucheli: Das geht ins Jahr 1978 zurück. Ich war damals Lehrling im 3. Lehrjahr und durfte am neu geschaffenen Lehrlingswettbewerb der Carrosserieberufe teilnehmen. Mit dem Sieg konnte ich mich für die Qualifikation zur Berufsolympiade anmelden. Die Vorbereitung dazu war jedoch nicht einfach: Mein Lehrbetrieb war kurz zuvor aus dem Zentralschweizer Carrosserieverband ausgetreten. Deshalb wurden mir Trainingsunterlagen für die Vorbereitungen zur Meisterschaft nur sehr spärlich ausgehändigt. Es war ein Verbandspolitikum – man wollte Lernende von Nichtmitgliedern nicht unterstützen. Da wurde mir klar: Ich will mich verstärkt für junge motivierte Berufsleute einsetzen – unabhängig von jeglichem «Mitglieds- und Verbandsgeplänkel».

 

Bleiben wir noch kurz bei den Meisterschaften. Heute hat man hat den Eindruck, wir kämpfen an den World Skills je länger je mehr gegen Windmühlen, weil Länder wie China oder Japan extrem professionalisieren.
Peter Bucheli: Die asiatischen Länder haben ein ganz anderes Verständnis für die WM als wir Europäer. Der Grundgedanke der Berufsmeisterschaften war, den Jugendlichen die Vielfältigkeit des Handwerks aufzuzeigen. Von diesem hehren Ziel sind wir heute natürlich weit entfernt. «Carrosserie Suisse» muss sich tatsächlich in naher Zukunft überlegen, ob Aufwand und Einsatz der Mittel zur Vorbereitung der Kandidaten noch gerechtfertigt sind.

 

Seit 1989 unterrichten Sie nun die Carrosseriespengler und Fahrzeugschlosser am Berufsbildungszentrum Bau und Gewerbe in Luzern. Ihr Traumberuf?
Peter Bucheli: Das Arbeiten mit den Jugendlichen ist immer mit sehr viel Spannendem und grosser Freude verbunden. Der Luzerner Regierungsrat Guido Graf hat einmal bemerkt: «Peter Bucheli ist der glücklichste Berufsschullehrer, den wir im Kanton Luzern haben». Diese Aussage kann ich so unterschreiben. Was sich im Laufe der Zeit verändert hat, ist das stetige Einwirken der Verwaltung in den Schulalltag. Bei uns im Kanton Luzern ist dies die Dienststelle für Berufs- und Weiterbildung – sie macht das Arbeiten an der Berufsschule nicht einfacher.

 

Von 2006 bis 2009 haben Sie sich am Eidgenössischen Hochschulinstitut in Zollikofen zum Berufsschullehrer EHB ausbilden lassen. Warum?
Peter Bucheli: Gemäss der Verordnung über die Berufsbildung müssen Lehrkräfte für die schulische Grundbildung und die Berufsmaturität über eine berufspädagogische Bildung verfügen – im Umfang von 1800 Lernstunden bei hauptamtlicher Tätigkeit und 300 Lernstunden bei nebenamtlicher Tätigkeit. Ab drei Lektionen bis zur Hälfte eines Vollpensums. Für mich war das dreijährige Studium am EHB eine wertvolle Zeit. So konnte ich Bewährtes mit Neuem verknüpfen und bekam sehr viele gute Impulse für die Lehrtätigkeit am BBZB und bei der Weiterbildung am BW-Zofingen

 

Mich interessiert noch folgendes: Sie spielen seit 1978 Posaune in verschiedenen Orchestern, die letzten 18 Jahre in der Bigband «Now or Never». Gab es Pläne, beruflich auf diese Karte zu setzen?
Peter Bucheli: Nein, es ist wirklich nur Hobby. Ich ging in Rain zur Schule. Rain hatte als typische Luzerner Gemeinde zwei Musikvereine und zwei Wirtschaften, und das kulturelle Leben spielte sich weitgehend zwischen den «Roten» (CVP) und den «Schwarzen» (FDP) ab. Die einen hatten die CVP-Musik, die andern die FDP-Musik.
Bei uns Jugendlichen war klar: Wir wollten möglichst bald bei den Roten mitspielen.
Die Posaune ist ein dankbares Instrument, und man kann in ganz unterschiedlichen Formationen mitspielen. So bekam ich schon sehr früh die Gelegenheit, in Big Bands mitzutun. Und das ist heute noch ein genialer Ausgleich zum Berufsalltag.

 

Sie sind seit vielen Jahren redaktionell tätig, seit fünf Jahren als Redaktionsleiter bei «ASTAG-Info Zentralschweiz. Wie kamen Sie zum Schreiben?
Peter Bucheli: Eines Tages rief mich Dr. Beat Schumacher an, Sekretär der ASTAG-Zentralschweiz. Er bat mich, bei ihm in der Kanzlei vorbeizukommen. Die Idee der ASTAG war es, dass durch meine Person die Redaktionskommission verjüngt werden sollte. Schumacher meinte, dass ich als Fahrzeugschlosser-Lehrer sicher ein paar Sätze hinbekomme und durch meine Herkunft den nötigen Bezug zur Transportbranche mitbringe. Für mich schafft diese Tätigkeit ein sehr gutes Netzwerk zwischen der Transportbranche, dem Fahrzeugbau und der Ausbildung.

 

Als CVP-Parteimitglied waren Sie zehn Jahre lang Präsident der CVP-Ortspartei Rothenburg. Und Sie sind Eidgenössischer Delegierter der CVP Kanton Luzern. Berufspolitiker – wäre das eine Möglichkeit gewesen?
Peter Bucheli: Ja, das war ein Dauerthema. Einige Politiker versuchten mich immer wieder zu überreden, mich für das Kantonsparlament zur Verfügung zu stellen. Aber ein Mandat im Luzerner Kantonsrat lässt sich schlecht vereinbaren mit der Tätigkeit als Berufsschullehrer. Es gäbe zu viele Absenzen, die durch Stellvertretungen abgedeckt werden müssten. Ich sehe aber die Wichtigkeit der politischen Netzwerke, gerade in unserem Tätigkeitsfeld. Ich bin sehr froh, dass ich auf kantonaler und nationaler Ebene gute Kontakte zu den Parlamentariern habe.

 

Was fällt Ihnen zu den folgenden Stichworten spontan ein: Eine eigene Zeitung gründen?
Peter Bucheli: Beiträge verfassen macht grossen Spass. Aber mir reicht dazu das ASTAG-Info.

 

Ich kann am besten . . .
Peter Bucheli: . . . Jugendliche für den Fahrzeugbau motivieren.

 

Ich kann am schlechtesten . . .
Peter Bucheli: . . . Nein sagen. Und ich habe wenig Geduld bei langatmigen Sitzungen.

 

Obligatorische Schlussfrage: Wenn Sie einem Schulabgänger erklären müssten, warum er Fahrzeugschlosser wählen soll, was würden Sie ihm sagen?
Peter Bucheli: Heute besuchst du zwar noch die Schule, aber nicht mehr lange. Und morgen? Morgen realisierst du vielleicht Grosses. Wenn du die Lehre als Fahrzeugschlosser wählst, verwirklichst du die Ideen von Ingenieuren, die heute schon über die Zukunft des Transportes auf Rädern nachdenken. Übermorgen gestaltest du selber als Fahrzeugbau-Techniker die Transportmittel, die dereinst auf unseren Strassen verkehren werden. So viel ist sicher: Spannend und vielseitig ist der Fahrzeugbau – und er hat Zukunft.

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