Carrosserie- und Fahrzeugbau

Serie: Mein erstes Auto

 

Egal, wie lange es her ist, von welcher Marke es stammte und in welchem Zustand es damals war: Sein erstes Automobil vergisst keiner, jeder und jede erinnert sich besonders gerne daran. Oftmals auch mit etwas Wehmut. Wir haben bekannte Profis aus der Carrosserie- und Fahrzeugbranche zu einer Zeitreise in die automobile Vergangenheit eingeladen und sie zu ihrem emotionalen Erlebnis des ersten Fahrzeugbesitzes befragt.

 

Heute: Paolo Flückiger (84), Carrozzeria Moderna SA, Locarno TI

 

Herr Flückiger, so über den Daumen gepeilt: Sie haben in Ihrer Autokarriere mindestens 20 sehr tolle und exklusive Fahrzeuge besessen. Ist Ihnen das erste da überhaupt noch in Erinnerung geblieben?
Paolo Flückiger: Aber sicher, sehr gut sogar. Das war 1955. Ich arbeitete damals noch nicht in der Carrozzeria meines Vaters, war 18 Jahre jung und stand mitten in der Lehre zum Carrosseriespengler. Durch Zufall stiess ich auf einen Jaguar in Grau métallic – für 2500 Franken.

 

Ein Hammerpreis. War die Raubkatze verletzt?
Paolo Flückiger: Sehr sogar. Ein Unfallwagen. Die Schäden an Rahmen und Carrosserie waren so gross, dass man ihn nicht mehr reparieren konnte. Auch mein Vater nicht. Er sagte klipp und klar, das Auto sei Schrott.

 

Sie haben dem Jaguar nachgetrauert?
Paolo Flückiger: Extrem stark. Ich war auch lange Zeit der festen Überzeugung, dass eine Reparatur möglich gewesen wäre. Wenn man unbedingt gewollt hätte. Aber mein Vater hat mich etwas gelehrt: Alles ist eine Sache des Reparaturaufwandes und des Preises. Ich kaufte in den folgenden 20 Jahren nie mehr einen Unfallwagen.

 

Aber einen Austin Healey, wie Sie einmal verraten haben!
Paolo Flückiger: Das stimmt, allerdings brauchte es zwei Anläufe dafür. Während des Abverdienens zum Unteroffizier, nachdem ich den Vorschlag zum Weitermachen erhalten hatte, verlangte ich von meinem Vater die finanzielle Unterstützung für einen Sportwagen – eben den Austin Healey. Mit der Begründung, meine Militärkarriere würde auch unserem Carrosseriebetrieb zugutekommen.

 

Er hat abgelehnt?
Paolo Flückiger: Das hat er. Er war nicht im Geringsten einverstanden. Aber ich antwortete: «Kein Sportwagen, keine Militär-Laufbahn» – und beendete den Dienst als Wachtmeister.

 

Wann hat es doch noch geklappt mit dem Healey?
Paolo Flückiger: Ich war 22. Da will man auffallen, um jeden Preis. Also kaufte ich ein wunderbares Exemplar, rot lackiert. Mein Freundeskreis war begeistert. Eine Freundin schenkte mir sogar prompt eine hellblaue Kunstlederjacke zum roten Auto.

 

Nach einem Jahr als Carrosseriespengler bei der Mowag in Kreuzlingen war dann Schluss. Sie tauschten den Healey gegen einen MG A ein.
Paolo Flückiger: Richtig, ein sehr schönes Exemplar, weiss lackiert. Darauf folgte ein Alfa Romeo 1900 Coupé, dem ich die Front abgeändert habe. Der Ferrari-Look war eben gefragt.

 

Sowieso bei Ihnen. Sie haben dann einen gekauft, oder nicht?
Paolo Flückiger: Stimmt, das war ein silbergrauer Ferrari 330 GT mit Speichenrädern. Den hatte ich mir richtiggehend gewünscht. Leider erlitt er schon nach kurzer Zeit einen kapitalen Motorschaden. Ich musste ihn schweren Herzens verschleudern. Übrigens: Nach der Heirat – vor 60 Jahren – hatten wir uns noch einen hellblau-weissen Chevrolet Bel Air zugelegt. Ein tolles Auto.

 

Später war, wie ich weiss, die Marke Renault Trumpf. Wie kams dazu?
Paolo Flückiger: Das war in den Siebzigern. Damals lernte ich in Ascona den Renault-Garagisten Bixio Bertoni kennen. Von da an fuhr ich verschiedene Modelle von ihm – vom R16 in hellgrün metallic bis zum Vel Satis 3.5 V6 in grau metallic. Als Zweitwagen leistete ich mir eine Alpine A610 – die erste in Weiss, die zweite in Rot.

 

Seit 2010 fahren Sie auf Audi ab. Welches Modell?
Paolo Flückiger: Vorwiegend S8. Unterbrochen nochmals von einem Ferrari – ein roter F 430. Der wurde dann gegen einen silbergrauen R8 4.2 Spyder eingetauscht. En vogue sind momentan ein S8 5.2 V10 in grau metallic – mit 60 000 Kilometern auf dem Tacho – und als Sportwagen ein weisser R8 Plus mit 620 PS und 20 000 Kilometern. Der hats vor allem unseren Enkeln angetan.

 

Bei so vielen Autos sind sicherlich einige hunderttausend Kilometer zusammengekommen in den letzten Jahren?
Paolo Flückiger: Sie sagen es. Ich denke aber, dass ich die meisten während den 18 Jahren als Präsident von Gruppo Carrozzieri Ticinesi und in den acht Jahren als Vizepräsident vom VSCI (Anm. Red.: heute Carrosserie Suisse) abgespult habe. Im Übrigen, das muss ich Ihnen jetzt noch schnell erzählen, gibt es eine Kuriosität im Carrosserieverband. Anlässlich der 100-Jahre-Feier vom VSCI im Verkehrshaus Luzern wurden ich und mein Sohn Marco geehrt: Weil wir in unseren Verbandskarrieren beide Interimspräsidenten geworden sind. Marco ist heute noch Vizepräsident. Ich find das toll.

 

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