Carrosserie- und Fahrzeugbau

Serie: Mein erstes Auto – Erwin Leu

 

Egal, wie lange es her ist, von welcher Marke es stammte und in welchem Zustand es damals war: Sein erstes Automobil vergisst keiner, jeder und jede erinnert sich besonders gerne daran. Oftmals auch mit etwas Wehmut. Wir haben bekannte Profis aus der Carrosserie- und Fahrzeugbranche zu einer Zeitreise in die automobile Vergangenheit eingeladen und sie zu ihrem emotionalen Erlebnis des ersten Fahrzeugbesitzes befragt.

 

Heute: Erwin Leu (58), Miteigentümer Leu Carrosserie & Spritzwerk AG, Biel-Benken BL, Präsident «Carrosserie Suisse Nordwestschweiz»

 

Herr Leu, wenn Sie an Ihren ersten Wagen zurückdenken: Was kommt Ihnen spontan als erstes in den Sinn?
Erwin Leu: Seine Farben. Beim Kauf war er gelb, wir haben ihn dann umlackiert – in Perlblau mit Rot und Weiss.

 

Zwei sehr bemerkenswerte Lackierungen. Wie kamen Sie auf Perlblau, Rot und Weiss?
Erwin Leu: Das war der Korrosionsschutz-Marke Dinitrol geschuldet, die damals bekanntlich viele Rostschäden verhindert hat. Dieser – zugegebenermassen – sehr spezielle Look stand dem Auto einfach unglaublich gut.


Beinahe hätte ich es vergessen: Welches Auto war überhaupt Ihr erstes?
Erwin Leu: Ein etwa achtjähriger Opel Kadett B.

 

Warum gerade dieses Auto? Ein Herzenswunsch?
Erwin Leu: Wo denken sie hin, es hätte durchaus auch ein anderes sein können. Das Ganze war Zufall – weil die Offerte sehr fair war. Gekauft habe ich ihn 1980, noch bevor ich die Autoprüfung im Sack hatte.

 

Wenn ich richtig zurückrechne, steckten Sie damals noch mitten in der Lehre als Carrosseriespengler bei Frech & Hoch in Sissach?
Erwin Leu: Richtig. Der Kadett war als Unfallwagen zu uns in die Werkstatt geschleppt worden, mit einem zünftigen Frontschaden. Die Besitzerin wollte sich deshalb von ihm trennen. Als ich wusste, dass er zu haben war, griff ich zu. Im Unternehmen meines Vaters habe ich ihn dann «zwäg» gemacht und mit Hilfe meines Bruders in den besonderen Dinitrol-Farben neu lackiert. Nachdem ich den Fahrausweis hatte, war alles gut – ich durfte mit dem Kadett endlich zur Arbeit nach Sissach und in den Ausgang fahren.

 

Wie viele Ihrer gleichaltrigen Kollegen und Freunde hatten damals schon ein Auto? Waren Sie der einzige?
Erwin Leu: Ich erinnere mich, dass praktisch jeder einen Wagen besass. Wir haben auch gemeinsam den Ausgang gefeiert. Jeder im eigenen Auto, schön in Reih und Glied – so sind wir hintereinander hergefahren.

 

18 Jahre jung und ein eigenes Auto – war das für Sie als Lernender kein finanzieller Hosenlupf?
Erwin Leu: Nein, ich war schon damals sehr gut durchorganisiert. Der Kadett hatte lediglich ein paar hundert Franken gekostet – das war zu verkraften. Zumal die benötigten Ersatzteile zu jener Zeit noch nicht so teuer waren. Und wenn es finanziell wirklich einmal eng wurde, half ich an den Abenden und Wochenenden im Betrieb meines Vaters (1*) aus.

 

Wie hat sich der Kadett gemacht? Brauchte er viel Pflege?
Erwin Leu: Pflege schon, aber keine Reparaturen. Der lief wie ein Örgeli. Um den Ölstand zu kontrollieren, musste ich nicht Mal den Messstab bemühen. Da half das rassige Anfahren in Bottmingen an der Kreuzung: Hat es vorne unter der Motorhaube geklingelt, war das jeweils das Zeichen, einen Liter Öl nachzufüllen. Danach war alles wieder so, wie es sein musste.

 

Wie lange ist der Kadett bei Ihnen geblieben?
Erwin Leu: Etwa vier Jahre, dann hat sich der Motor verabschiedet. Aber ich konnte es ihm nachsehen, schliesslich ist er auch Tausende Kilometer gelaufen. Wenn ich mich recht erinnere, führte der letzte Weg auf den Abbruch.

 

Wer war sein Nachfolger?
Erwin Leu: Wiederum ein Opel, ein einjähriger Ascona B 2.0 in Silber und mit direkt eingespritztem Zweilitermotor. Ich hatte ihn schon Ende 1982 gekauft – mit groben Schäden, die enorm viel Reparaturarbeit verlangten. Als sie behoben waren, haben wir das Auto noch verbreitert und tiefer gelegt. Und er bekam nicht nur eine andere Auspuffanlage, sondern auch Recaro-Sitze und eine weisse Perlmuttfarbe. Mein Bruder kreierte zu dieser Zeit Airbrush-Bilder. Also haben wir dem Ascona ein tolles Sujet vorne auf die Haube gegeben – das Bild zeigt eine sehr aparte Dame.

 

Das klingt nicht nach Alltagsauto, sondern nach Wochenend-Cruiser für besondere Anlässe. War der Ascona so etwas wie das Sonntagsauto für Sie?
Erwin Leu: Da liegen Sie völlig richtig. Ich wollte ihn immer schonen, deshalb wurde er nur wenig benutzt. Die meiste Zeit war er auf Wechselnummer eingelöst, zusammen mit einem älteren Fahrzeug für die Langstrecken.

 

Was ist mit ihm passiert?
Erwin Leu: Er steht noch immer in meiner Garage. Aber es gäbe das eine oder andere zu tun daran. Als ich ihn das letzte Mal an der frischen Luft hatte, waren die Bremsen nicht im Topzustand.

 

Was haben Sie für Pläne damit? Verkaufen?
Erwin Leu: Nein, wohl kaum. Er ist in all den Jahren immer mehr zur Liebhabersache geworden, da kann man nichts dagegen tun.

 

Gilt Ihre Sympathie grundsätzlich der Marke Opel?
Erwin Leu: Nein, nicht unbedingt. Ich bin immer noch überzeugt davon, aus purem Zufall auf die ersten beiden Opels gestossen zu sein. Lustig am Ganzen ist aber, dass meine Gotte schon damals eine Opel-Vertretung hatte. Insofern hat sich schon einiges um die Marke gedreht.


Der Ascona war für den Sonntag gedacht. Was begleitete Sie damals im Alltag?
Erwin Leu: Ein weiterer Opel – ein Kadett Cabriolet. Dann folgte ein Oldsmobile, das ich sehr lange behielt.

 

Auch ein Unfallwagen?
Erwin Leu: Sogar einer mit einem sehr speziellen Schaden. Der Besitzer hatte mit dem Fahrzeugdach an einem Lastwagen angehängt – es stand fast senkrecht auf. Aber: Der Defekt an sich war nicht besonders gross, sondern die Reparatur ganz einfach extrem zeitaufwändig. Das hat sich auf den Preis ausgewirkt, der Amerikaner war wirklich günstig zu haben. Ich denke, er war vielleicht drei Jahre alt, als ich ihn 1990 kaufte. Ein toller achtplätziger Kombi, vorne mit durchgehender Sitzbank für drei Personen. Der kam damals gerade zur rechten Zeit, denn meine damalige Lebenspartnerin hatte Hunde

 

Was fahren Sie heute?
Erwin Leu: Einen VW Passat W8 mit Achtzylindermotor, 2002 als Neuwagen gekauft. Aktuell hat er 160 000 Kilometer auf dem Tacho.

 

Passat-Besitzer klagen häufig über die Macken ihres Autos? Sie auch?
Erwin Leu: Eigentlich nicht. Zugegeben, zwei oder drei Sachen mussten schon ersetzt oder repariert werden, zum Beispiel der Wandler vom Automatikgetriebe. Zudem hatte VW beim W8 Probleme mit den Stabzündspulen. Da habe ich sicher drei oder vier auswechseln müssen. Seit mir das in Frankreich passiert ist, habe ich immer eine als Ersatz dabei.


Hat er Sie Mal im Stich gelassen?
Erwin Leu: Einmal in Deutschland, da liess er sich wegen eines defekten Anlassers nicht mehr starten. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Pannendienst angerückt ist. Für die Heimfahrt erhielten wir einen Ersatzwagen, der Passat wurde huckepack genommen und nach Hause geliefert. Das war ein aufregendes und zeitraubendes Erlebnis. Aber ich habe ihm längst verziehen – er ist sehr bequem, und ich fahre ihn einfach zu gerne. Deshalb ist er schon seit 19 Jahren bei mir.

 

Das kleine ABC der Firma Leu

Die Geschichte beginnt mit Adolf Leu-Schluep, der sich 1929 als Maler selbständig macht. Mit dem Ausbau des Wohnhauses mit drei Garagenboxen an der Hauptstrasse 16 in Biel-Benken gründet er 1932 die «Adolf Leu Bau- und Wagenmalerei». 1952 kommt eine Tankstelle hinzu, gleichzeitig die Spenglerei. 1961 übergibt Adolf Leu-Schluep den Betrieb an seinen Sohn Adolf Leu-Gschwind, der die Baumalerei 1963 zugunsten einer Autospenglerei und Autolackiererei aufgibt. 1974 entsteht die «Leu Carrosserie und Spritzwerk AG». 1999 überschreibt Adolf Leu-Gschwind den Betrieb seinen Söhnen. Erwin Leu als eidgenössisch diplomierter Carrossier leitet den Hauptsitz an der Hauptstrasse, Bruder Thomas (diplomierter Autolackiermeister) den Bereich «Industrielackierung» an der Gewerbestrasse 25.

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