Carrosserie- und Fahrzeugbau

Thomas Rentsch: «Darum fahren wir nicht an die WM 2024!»

 

Die Enttäuschungen und Bad News rund um die Berufsweltmeisterschaften reissen nicht ab. Die jüngste Meldung dreht sich um die World Skills 2024 in Lyon (F): Seit Mitte Juli nämlich ist klar, dass die beiden diesjährigen Schweizermeister der Berufsgattungen Carrosseriespengler/innen und Carrosserielackierer/innen nicht an dieser WM teilnehmen dürfen. Das hat der Zentralvorstand des Branchenverbandes «Carrosserie Suisse» an seiner Sitzung vom 12. Mai so beschlossen. Wir haben uns mit Thomas Rentsch, Verantwortlicher Bildungspolitik, über das Warum dieses Entscheides unterhalten.

 

Herr Rentsch, der Zentralvorstand hat entschieden, dass die Schweiz an den Berufsweltmeisterschaften 2024 in Lyon nicht teilnimmt. Ist das endgültig?
Thomas Rentsch: Der Zentralvorstand ist das höchste Gremium, er hat die Kompetenz, einen Entscheid wie diesen zu fällen. Will ihn jemand umstossen, geht das nur über einen Rückkommensantrag, der allerdings aus dem ZV kommen müsste.

 

Was sind die Gründe für die Nichtteilnahme?
Thomas Rentsch: Ich bin kein Mitglied vom ZV, habe deshalb keine Informationen aus erster Hand. Soweit ich vernommen habe, handelt es sich vor allem um folgendes: Es geht bei einem Grossanlass wie diesem sicherlich auch um das Verhältnis von Kosten und Nutzen. Was haben die Sponsoren, das Publikum, die Material- und Werkzeuglieferanten von einem Wettbewerb, der in der Vergangenheit fernab in Abu Dhabi oder Kazan stattgefunden hat? Die Frage, ob man sich finanziell nicht lieber stärker für die Schweizermeisterschaften engagieren sollte, ist daher berechtigt. Deren Vermarktung ist einfacher, alle Beteiligten profitieren viel mehr von den Swiss Skills.

 

Verschiedene Gewährsleute bestätigen mir, dass eine WM-Teilnahme – ohne Marketing – pro Beruf etwa 40 000 bis 50 000 Franken kostet. Wir sprechen also von maximal 100 000 Franken für eine WM-Teilnahme eines Carrosseriespenglers und eines Carrosserielackierers.
Thomas Rentsch: Diese Dimension könnte stimmen, da liegen sie sicherlich nicht völlig daneben. Nicht berücksichtigt sind dabei die internen Personalleistungen.

 

Sind 100 000 Franken zuviel für das Prestige, oder philosophisch gesagt, für die Strahlkraft eines Weltmeisters oder einer Weltmeisterin? Die ist doch ungleich höher als die eines Schweizermeisters.
Thomas Rentsch: Da mögen sie Recht haben. Weltmeister und Weltmeisterinnen sind super Botschafter und daher Gold wert. Aber das ist wie der Sechser im Lotto: Werden wir wirklich einen oder eine haben? Und wenn, wird er oder sie auch wirklich über lange Zeit dranbleiben und unsere Berufe vorbildlich repräsentieren? Es gab diesbezüglich in der Vergangenheit gute Beispiele. Aber auch junge Menschen, denen ist nach kurzer Zeit der Schnauf ausgegangen, und sie haben sich nicht nachhaltig durchsetzen können. Wir hatten in der Tat tolle Leute, da bin ich einverstanden. Aber das wären sie vielleicht auch geworden, wenn sie «nur» – bitte das Wort «nur» in Gänsefüsschen – den Schweizermeistertitel geholt hätten.

 

Hat die Absage auch damit zu tun, dass die amtierende Schweizermeisterin bei den Lackierern, Michèle Korn, kurz vor der WM 2022 das Handtuch geworfen hat. Da sind viel Geld, Aufwand und Arbeitsstunden von Coaches sowie vielen anderen wirkungslos verpufft.
Thomas Rentsch: Nein, die Geschäftsleitung hat das Traktandum World Skills für den Zentralvorstand zu einem Zeitpunkt vorbereitet, als noch niemand wusste, dass sie nicht an die WM fährt.

 

Für die Teilnehmenden der Swiss Skills ab 7. September in Bern ist die Aussicht, in zwei Jahren als Schweizermeister nicht an die WM gehen zu dürfen, ein Dämpfer.
Thomas Rentsch: Leider ist das so. Das ist mir bewusst.

 

Was würde passieren, wenn jetzt sechs Grossbetriebe 100 000 Franken zusammenbringen und so grünes Licht für die WM geben möchten?
Thomas Rentsch: Das ist sinnlos. Es ist nicht möglich, dass der Veranstalter eine Gruppe von Privatleuten als offizielle Delegation akzeptiert.

 

Und wenn diese Gönner die Summe dem Branchenverband zur Verfügung stellen würden?
Thomas Rentsch: Dann könnte das passieren, was ich eingangs erwähnt habe. Die Carrossiers müssten sich an ihren Sektionspräsidenten wenden – der ja Mitglied im Zentralvorstand ist – und auf diesem Weg einen Rückkommensantrag stellen. Diesen Weg könnte ich mir vorstellen.

 

Ist die Nichtteilnahme in Frankreich eine Strategie für die Zukunft?
Thomas Rentsch: Nein, eine Momentaufnahme. Sie gilt für Lyon. Wie sie wissen, gibt es schon seit Längerem Gespräche für eine WM in der Schweiz. Da bleiben wir dran, obwohl wir hier nicht grad viele Messegelände haben, die sich von der Grösse her eignen würden. Aber es ist machbar – vielleicht schon 2028.

Interview: Heinz Schneider

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