Carrosserie- und Fahrzeugbau

Fachlehrer: Auf Museums- und Werksbesuch bei BMW

 

Die Mitglieder von «CFS» (Carrosserie-Fachlehrer-Schweiz) und drei Gäste besuchten kürzlich im Rahmen einer Weiterbildung das BMW-Werk in Dingolfing. Dabei erhielten sie detaillierte Informationen über die aktuellen Werkstoff- und Umformtechniken im Automobilbau. Das Werk Dingolfing ist das grösste der BMW Group in Europa. Im vergangenen Jahr rollten dort rund 282 000 Fahrzeuge von den Montagebändern.

 

Vor dem Werksbesuch hatten die Fachlehrer die Gelegenheit, im Museum Dingolfing die 140 Jahre alte geschichtliche Entwicklung von BMW zu erkunden – angefangen von der Sämaschine über landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge bis hin zum legendären Goggomobil und schliesslich zum elektrifizierten Fahrzeug von heute.

 

Christoph Hartung vom Bereich Werkstoffsimulation und Matthias Müller, Bereich Umformtechnik und Entwicklung, präsentierten die Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen eingesetzten Stahlsorten. Der aktuelle Materialmix in den Fahrzeugen stellt nicht nur die Reparateure, sondern auch die Hersteller vor Herausforderungen. Dank der Finite-Elemente-Methode erkennt Christoph Hartung kritische Verformungszonen und mögliche Toleranz-Unterschreitungen, bevor ein Teil im Werk hergestellt wird. Dank seiner Spezialisierung und Erfahrung weiss er, wo die Schwachstellen liegen – und welche Stahllegierungen benötigt werden, um die Carrosserieteile optimal zu gestalten. Der für Carrosseriebleche verwendete Stahl wird aufgrund seiner Qualität, Zugfestigkeit und seiner Fähigkeit, äusserer Kraft und Druck standzuhalten, ausgewählt. Matthias Müller (er findet mithilfe der vorhandenen Pressen den optimalen Weg zur Herstellung der Carrosserieteile) erklärte anschliessend, wie die Vorstellungen des Werkstoffspezialisten in die Praxis im Werk umgesetzt werden. Diese ist bei BMW vielfältig, präzise und perfekt organisiert.

 

Die anschliessende Werksführung mit dem Schwerpunkt «Presswerk» wurde von Lambert Dobmeier geleitet, der seit 45 Jahren bei BMW Dingolfing tätig ist und kompetent die Fragen der Teilnehmer beantworten konnte. Im Werksgelände gilt ein Foto- und Videoverbot, aber die Eindrücke sind unvergesslich. Besonders beeindruckend war eine 11 300 Tonnen schwere (entspricht dem Gesamtgewicht des Eiffelturms) Sechsfach-Presse, die mit 17 Hüben pro Minute zahlreiche Carrosserieteile verarbeitet.

 

Vollautomatisch ziehen, biegen und stanzen die Pressen die Platinen in mehreren Arbeitsschritten, um die gewünschte Form zu erhalten – sei es für Dächer, Motorhauben, Seitenrahmen oder eines der zahllosen Kleinteile der Carrosserie. Um Premium- Qualität sicherzustellen, sind umfangreiche Qualitätsprüfungen in allen Fertigungsabläufen integriert. Eine Pressform für ein Bauteil kostet über 2,5 Millionen Euro, und es stehen über 70 verschiedene Formen im Lager zur Verfügung, die abwechselnd in die Monsterpresse eingesetzt werden. Trotz eines Betonfundaments von 12 Metern war bei jedem Hub ein leichtes Beben spürbar.

 

Zusätzlich beeindruckend waren zwei weitere Herstellungsverfahren. Beim Innenhochdruckumformen (IHU, engl. Hydroforming) wurden Verstärkungsrohre für den Heckdeckel der X-Serie im geschlossenen Formwerkzeug mittels Innendruck (4000 bar Flüssigkeitsdruck) gefertigt. Dann folgte die spektakuläre Verarbeitung von verzinkten warmumformbaren Stählen (PHS) für crash-relevante Carrosserieteile. Die Platinen wurden dabei auf etwa 900 °C erhitzt, gefolgt von einer kontaktlosen Vorkühlung mit Luft auf unter 550 °C zur Vermeidung von Mikrorissen. Bei der nachfolgenden Umformung wurden die Platinen in die Endgeometrie gebracht und gehärtet. Presshärtende Stähle bieten vier wesentliche Vorteile: Sie können zu sehr komplexen Formen umgeformt werden, ihre Zugfestigkeit erreicht Werte von bis zu 2000 MPa, es gibt nur eine geringe oder gar keine Rückfederung, und durch gezieltes Anlassen können «harte Bereiche» und «weiche Bereiche» in einem einzelnen Teil kombiniert werden, um ein vielseitiges Crash-Verhalten zu erreichen. Nach 4,5 Stunden und acht Kilometer Fussmarsch auf dem BMW-Gelände endete die CFS-Weiterbildung.

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