Von Heinz Schneider (Text) und Dennis Schneider (Fotos)
«Repanet Suisse» lud zum Kickoff-Meeting – und wer ein Netzwerk für Glasreparaturen lanciert, tut dies selbstverständlich dort, wo Glas nicht nur Material, sondern beinahe Lebenseinstellung ist: im Prime Tower in Zürich West. 126 Meter hoch, 36 Etagen, ein paar Nebengebäude und das «Clouds»-Restaurant obendrauf – ein Monument, das aussieht, als hätte ein Architekt einmal zu oft gefragt: «Wie viel Glas geht eigentlich noch?» Die perfekte Bühne also für den Kickoff von «Glass Rep», dem neuen Schweizer Netzwerk für Glasreparaturen, das im Frühsommer 2026 starten soll und dennoch schon jetzt als Vision greifbar wirkt.
Entstanden ist diese Vision nicht im stillen Kämmerlein. Die Initianten – Jörg Brauen, Roger Gehrig, Michael Hallauer, Andi Stalder und Fabian Eugster – sind nun auch Teil des Carrosserie-Beirates. Später kamen vier Partner-Lieferanten dazu: Sika, Glas Trösch Autoglas, Derendinger und Teroson. Alle zusammen, inklusiv Initiant Enzo Santarsiero, tüftelten an einem Konzept, das in seiner Grundidee simpel klingt, aber im Alltag echte Wirkung entfalten soll: Reparieren statt ersetzen. Ein Satz wie aus dem Lehrbuch der Vernunft, aber mit einer Dringlichkeit versehen, die der Branche derzeit im Nacken sitzt. Denn die Kosten für Ersatzteile, allen voran Frontscheiben, schiessen in Höhen, die selbst den Prime Tower kurz erröten lassen würden.
Die Reparatur ist nicht nur günstiger, sondern auch ein ökologisches Statement. Und eines, das dem Carrossier zu ungewohnt guter Laune verhilft: 35 Minuten dauert im Schnitt eine Reparatur, mehr als drei Stunden ein kompletter Scheibenersatz – und trotzdem soll der Erlös für den Betrieb bei ersterer Lösung nahezu doppelt so hoch sein. Wer da nicht die Ohren spitzt, hat vermutlich den Motor noch nicht gestartet.
«Wir wollen auch die Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellen», sagte Enzo Santarsiero bei seiner Begrüssung – ein Satz, den man in der Branche oft hört, der hier aber eine unüberhörbare Konsequenz in sich trägt. «Der Gedanke sei wichtig, jetzt aber ist die Zeit für die Umsetzung gekommen», ergänzte er. Und Zahlen gibts gleich hinterher: 240 000 Glasschäden pro Jahr in der Schweiz, Schadenvolumen 325 Millionen Franken. Arbeit also mehr als genug. Und natürlich sollen die Materialien künftig über die Partnerlieferanten bezogen werden – ein Netzwerk lebt schliesslich vom gegenseitigen Atem.
98 Carrosseriewerkstätten gehören bereits dazu, konstatierte Daniel Fuchs, Moderator und Chef von «Glass Rep», an diesem Morgen. Mit weiteren 38 ist man in intensiven Gesprächen. Doch die Zugehörigkeit allein reicht nicht. Die Reparaturkompetenz soll wachsen, und zwar durch klare Prozesse und ein modulares Schulungskonzept, das im Frühling 2026 startet. Da geht es um Klebstoff-Technologien, Oberflächenbehandlungen, um Grundlagen, die früher als graue Theorie galten und nun zum Handwerkszeug moderner Carrossiers werden sollen. Die Partner von «Glass Rep» müssen über eine «Green Car Rep»-Zertifizierung verfügen, die alle drei Jahre zu erneuern ist. Klingt nach Bürokratie, ist aber in Wahrheit ein Qualitätsversprechen.
Was sich schon nach wenigen Minuten im Prime Tower zeigte: Ohne ein externes, unabhängiges Schadenmanagement geht gar nichts. Es soll künftig die administrativen Belange übernehmen und vor allem dem Endkunden Orientierung bieten. Der weiss dann, wohin er sich wendet – ein Punkt, der heute viel zu oft im Glasnebel verschwindet. Der Aufbau dieses Systems läuft bereits.
Für inhaltliche Schärfe an diesem Morgen sorgten vier Referenten. Michael Hallauer sprach über Effizienz und Umweltbewusstsein, garniert mit dem Satz: «CO₂-Werte können auch eine Währung sein.» Ein Gedanke, der plötzlich einleuchtet, wenn man sieht, wie rasant die Kosten steigen. Linda Kren vom Swiss Safety Center wiederum zeigte auf, wie Schweizer Werkstätten den Weg Richtung «Netto-Null» bis 2050 einschlagen können – ein Branchenfahrplan, der nicht nur ambitioniert, sondern auch praktikabel wirkt.
Dann trat Marcel Stettler von der AXA-Versicherung vor die Zuhörer, und liess die Frontscheibenpreise für sich sprechen: 876 Franken kostet eine Pw-Scheibe heute im Schnitt, vor fünf Jahren waren es noch 677 Franken. AXA bezahlt jährlich 8000 neue Scheiben – kein Wunder, setzt man dort längst auf die Reparaturpriorität. Obendrein hat dieser Ansatz rund 148 Tonnen CO₂ allein in diesem Jahr eingespart. Zahlen, die schwer wiegen, aber leicht zu verstehen sind.
Zum Schluss wurde es persönlich. Betriebsinhaber Roger Gehrig sprach über Mitarbeitermotivation und verlor ein paar prägnante Worte über die «Generation FI» – «die mit den fehlenden Idolen», wie er sie nennt. Junge Menschen bräuchten Orientierung, starke Werte, Führung, Respekt, Coaching, Vertrauen und offene Kommunikation. «Aber auch eine gesunde Beharrlichkeit», fügte er an. Ein Satz, der hängenbleibt, weil er nicht nur für junge Mitarbeitende gilt, sondern auch für eine Branche, die gerade dabei ist, sich neu zu erfinden.
So endete das Kickoff im Prime Tower mit einem Blick über die Stadt – und mit dem Gefühl, dass «Glass Rep» nicht einfach ein weiteres Netzwerk wird, sondern ein Projekt, das durchaus die Kraft besitzt, eine Branche neu zu kalibrieren. Ganz ohne Glasbruch, aber mit einer Menge Durchblick.