Von Heinz Schneider (Text)
Es gibt Geschichten, die sind so schön, dass sie eigentlich auf einer Cocktailserviette notiert und später in einen Roman geschmuggelt gehören. Diese hier beginnt mit einem Mann, der Porsches so sehr liebt, dass er sie entkernt, neu erfindet und mit Carbon umhüllt, bis selbst Ferdinand Porsche im Grab Applaus klatschen würde. Rob Dickinson heisst er, Brite, Ex-Musiker, Porsche-Flüsterer.
Der Mann hat mehr Leben in einem Lebenslauf als andere in drei: Einst Frontmann der Shoegaze-Band Catherine Wheel, und Cousin eines gewissen Bruce Dickinson (ja, der, der seine Vermögensbildung als Iron Maiden-Frontmann schon längst abgeschlossen hat – mit einer Stimme, die Flugzeuge sprengt). Heute ist Rob Dickinson Inhaber von «Singer Vehicle Design», eine Manufaktur mit Sitz in Los Angeles, deren Mission so schlicht wie grössenwahnsinnig klingt: den Porsche 911 (Typ 964) zur Perfektion zu treiben. Motto: «Everything is important». Und sie meinen das ernst. Kein Schräubchen bleibt, wo es war. Stattdessen Carbon-Carrosserien, Cosworth-veredelte Boxerherzen und Fahrwerke, die sich eher wie Haute Couture als Ingenieurskunst anfühlen. Preislich? Sagen wir so: Wer nachfragt, kann es sich ohnehin nicht leisten. Übrigens: Der Name «Singer Vehicle Design» ist eine Hommage an Porsche-Ingenieur Norbert Singer und würdigt Dickinsons frühere Karriere als Sänger.
Nun wechseln wir die Szenerie. Sandra Stillhart, Malerin, Autoliebhaberin, Partnerin von Francesco Greco – seines Zeichens Kopf des Carrosserie-Betriebs «Greco» in Sirnach (TG) – reist mit Francesco nach Kalifornien. Man flaniert durch die Stadt der Engel, riecht Meer, Smog und Möglichkeiten. Und weil man schon mal da ist, fährt man spontan bei Singer vorbei. Ohne Termin. Ohne Einladung. Nur mit Neugier und einer Kappe auf dem Kopf.
Seamus Taaffe, Werkstattleiter und ein irischer Charmebolzen, mustert die beiden Besucher. Grecos Kappe scheint ihm zu gefallen – schliesslich trägt auch er eine, und Dickinson sowieso. Zufall? Francesco ist sicher: «Die Mütze hats rausgerissen.» Und plötzlich stehen Sandra und Francesco mittendrin zwischen schimmernden 911ern, die aussehen, als hätten sie James Bond höchstpersönlich den Smoking geschneidert.
Zurück in der Schweiz verarbeitet Sandra die Eindrücke nicht mit Schraubenzieher und Drehmomentschlüssel, sondern mit Pinsel und Palette. Es entstehen zwei monumentale Leinwände: Porsche-Porträts voller Energie, mit Farbverläufen, die an Sonnenuntergänge in Venice Beach erinnern, und Linien, die so scharf sind wie ein GT3 RS auf der Nordschleife.
Viel später trifft man sich wieder – diesmal im Hotel Kempinski in Genf. Sandra hat ihre beiden Kunstwerke unter dem Arm. Und Dickinson ist neugierig. Er tritt an die beiden Gemälde heran, bleibt einen Moment still. Betrachtet Details, streicht mit dem Finger beinahe ehrfürchtig über die Farbflächen. Dann hebt er den Stift und signiert beide Bilder – als wären sie Singer-911er, die soeben die letzte Fertigungsstufe erreicht haben.
Francesco sagt später trocken: «Gut, dass ich die Mütze wieder aufhatte.» Und Sandra lacht – wie nur jemand lacht, der gelernt hat, dass im Leben manchmal eine Portion Chuzpe und ein gutes Accessoire alles sind, was es braucht, um Türen zu öffnen.