Von Heinz Schneider (Text) und Christian Witt (Fotos)
Dacia hatte gerufen – und die Schweizer Journaille kam. Schauplatz: das «TCS Training & Events Zentrum» in Hinwil, besser bekannt unter dem griffigeren Namen Betzholz. Dort, wo sonst Autofahrer das richtige Bremsen üben oder Firmen ihre Team-Events abhalten, spannte das Schweizer Team der rumänischen Renault-Tochter das ganz grosse Zelt auf. Motto: «Robust und Outdoor». Und was passt da besser dazu, als Duster und Bigster durchs Gelände zu hetzten – über Stock und Stein, durch knietiefes Wasser, ja sogar eine Treppe runter, als wäre das alles bloss ein holpriger Parkplatz nach dem Firmenfest.
Bevor die Räder drehten, gabs aber erstmal Zahlen. Zahlen, die man bei Dacia inzwischen gerne präsentiert, weil sie sich sehen lassen können: Marktanteil 4,5 Prozent in Europa, 3,7 Prozent in der Schweiz. Damit Platz 9 – direkt hinter Konzernmutter Renault, aber noch vor Traditionalist Volvo. Für eine Marke, die vor nicht allzu langer Zeit noch das Image des Discounters pflegte, ist das ein kleines Meisterstück. Neue Modelle wie Sandero, Spring Electric, der frisch überarbeitete Duster und seit 2025 der Bigster haben genauso dazu beigetragen wie die neue Markenidentität mit moderner Designsprache samt frischem Logo. Und natürlich das Mantra, das man inzwischen mit breiter Brust verkündet: bestes Preis-Leistungs-Verhältnis weltweit.
Dann endlich Action. Die Offroad-Piste wartet mit allem, was der Förster sonst wegräumt: Steine gross wie Fussbälle und obendrein Schlammlöcher, Wasserpfützen und eine kurze Schrägstrecke. Doch Duster und Bigster kriechen, wühlen sich durch steile Aufstiege und meistern Abhänge, als ob diese eine lockere Autobahnausfahrt wären. Zusammengefasst: Bergabfahrhilfe, Offroad-Modus und -Monitor, Umgebungskamera, mehr Bodenfreiheit – lauter Funktionen, die nicht nur Marketing sind, sondern handfest an diesem Vormittag im Dreck demonstriert werden. Die kleine Sensation dabei: Man sitzt in einem Dacia, aber fühlt sich wie in einem hochpreisigeren Wagen.
Doch damit nicht genug. Dacia hatte auch einen Stargast parat, eingeflogen im Helikopter, standesgemäss über den Köpfen kreisend: Sébastien Loeb, neunfacher Rallye-Weltmeister, 80 WM-Siege, über 1600 Punkte in der WM. Der gebürtige Elsässer, einst Kunstturner und vierfacher Landesmeister, heute mit 51 Jahren eine lebende Legende des Motorsports, rollte seine aktuelle Rallye-WM-Waffe ins Rampenlicht: den Dacia Sandrider. Ein 4,14 Meter langer, wüstentauglicher Biestwagen, unter dessen Carbon-Carrosserie ein Rohrrahmen mit verstärktem Hilfsrahmen ruht. Und gleichzeitig ein Prestigeprojekt, das die Marke Dacia noch schneller über die Erfolgsstrasse beschleunigen soll.
Antriebsseitig ziehen und schieben 360 PS aus einem V6-Biturbo mit 540 Newtonmeter. Hinzu kommen ein Sechsganggetriebe und 500 Liter Benzin im Bauch – das alles reicht, um mit maximal 170 km/h lange Zeit durch die Dünen zu donnern. Loeb, der schon dreimal Zweiter in Dakar wurde, macht kein Geheimnis aus seiner Absicht: «2026 oder spätestens 2027 wollen wir Dakar gewinnen.» Das klang nicht nach Hoffnung, sondern nach Ansage.
So ging ein Tag zu Ende, an dem Dacia gezeigt hat, dass man nicht nur Zahlen und Logos neu kann, sondern auch Emotionen: Schotter im Bauch, Staub im Gesicht und das vertraute Grinsen, wenn ein Auto Dinge tut, die man ihm nie zugetraut hätte. Und während sich draussen die Offroader von ihrer Tortur erholen, stellte sich die eigentliche Frage: Wenn Loeb im Sandrider wirklich Dakar und die WM gewinnt – darf man dann noch von einem Auto mit bestem Preis-Leistungsverhältnis reden? Oder ist Dacia endgültig in einer höheren Liga angekommen?