Von Dennis Schneider (Text)
Lancia kehrt dorthin zurück, wo alles begann – auf die schmutzigen, glitzernden Strassen der Rallye Monte-Carlo. Nach Jahrzehnten des Schweigens steht die italienische Marke wieder an der Startlinie der Weltmeisterschaft. Im Januar 2026 debütiert der neue Lancia Ypsilon Rally2 HF Integrale, ein Auto, das bewusst an die glorreichen Zeiten des Delta Integrale erinnert, ohne im Nostalgie-Rausch stecken zu bleiben. Die Bühne ist gesetzt, die Erwartungen hoch – und das Comeback kalkuliert.
«Nach der erfolgreichen Einführung der Modelle Lancia Ypsilon Rally4 HF und Lancia Ypsilon HF Racing sind wir bereit, den nächsten Schritt zu gehen», sagt Luca Napolitano, CEO von Lancia. «Mit dem neuen Lancia Ypsilon Rally2 HF Integrale kehrt die im Rallyesport erfolgreichste Marke aller Zeiten in die Serie zurück, durch die sie zur weltweiten Ikone wurde.» Es klingt nach Pathos, aber im Kern beschreibt er nur, was längst als strategische Notwendigkeit gilt: Lancia braucht wieder einen Platz im Motorsport, um die eigene Marke zu legitimieren.
Das Auto selbst ist ein Stück Ingenieurskunst im Formlanartet Lancia künftig in der WRC2, der Talentschmiede der Weltmeisterschaft. Entwickelt wurde der Wagen unter anderem mit Miki Biasion, dem zweifachen Rallye-Weltmeister, der Lancia in den 1980er Jahren zu Siegen fuhr. «Es ist schön, dass sich der Kreis schliesst», sagt er in einem kurzen Video, in dem er neben Napolitano den neuen Boliden präsentiert – ohne grossen Pomp, aber mit sichtbarer Zufriedenheit.
Der Ypsilon Rally2 HF Integrale ist das dritte Modell im Kundensportprogramm von Lancia Corse, neben dem Ypsilon Rally4 HF und dem Ypsilon HF Racing. Die technische Hierarchie ist klar: Der Rally4 HF mit 212 PS Frontantrieb markiert die Mittelstufe, der seriennahe HF Racing mit 145 PS bildet den Einstieg. Der neue Rally2 ist das Flaggschiff – ein Auto für Teams, die gewinnen wollen, ohne Werksstatus, aber mit Ambition.
Die Rückkehr in die Rallye-Weltmeisterschaft fällt nicht zufällig in eine Phase, in der Lancia versucht, seine Marke neu zu definieren. Nach Jahren als stilistische Randnotiz im Konzern will man wieder Charakter zeigen – und Motorsport bleibt das schnellste Mittel, um Glaubwürdigkeit zu tanken. Schon 2025 führte Lancia in Italien einen Markenpokal mit dem Ypsilon Rally4 HF durch, bei dem alle Teams mit identischen Autos antraten. Ein Dutzend Teilnehmer, faire Bedingungen, eine simple Botschaft: Wir können es noch.
Historisch betrachtet, war Lancia nie nur ein Hersteller, sondern eine Legende mit Benzin im Blut. Zehn Herstellertitel in der Rallye-WM, von 1974 bis 1992, sind bis heute unübertroffen. Der Stratos HF schrieb Geschichte, der 037 Rally brachte den letzten Heckantriebstitel, und der Delta Integrale dominierte sechs Jahre in Folge – ein Rekord, der bis heute steht. Selbst die Vorläuferzeit, als die Fulvia 1972 die Internationale Marken-Meisterschaft gewann, zählt zur DNA dieser Marke. Elf internationale Titel, unzählige Geschichten – und nun der Versuch, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Ob der Ypsilon Rally2 HF Integrale daran anschliessen kann, bleibt offen. Aber Lancia tut, was eine Traditionsmarke tun muss, wenn sie nicht in Museen verstauben will: Sie fährt wieder Rallye.