Carrosserie- und Fahrzeugbau

TAB: Fünf haben «Stufe 3» – Interview mit dem Neumitglied

 

Die gesellschaftliche Entwicklung bringt es mit sich: Der gute Handwerker von gestern muss heute nicht nur Techniker, Computerspezialist und Unternehmer, sondern auch kompetenter Lehrlingsausbilder und einfühlsamer Pädagoge sein. Um seine Mitglieder in dieser Beziehung fit zu machen, hat der Schweizerische Carrosserieverband (VSCI) das berufliche Aus- und Weiterbildungsprojekt «Top-Ausbildungsbetrieb» (TAB) ins Leben gerufen. TAB führt jede Unternehmung aus der Carrosserie-Branche in drei «Level-Stufen» zur Reife als hervorragende Lernbegleiterin und zum Label «Top-Ausbildungsbetrieb» – mit dem Ziel, eben diese Betriebe mit hoher Ausbildungsqualität und sozialer Kompetenz interessant zu machen für Jugendliche, die einen zukunftsträchtigen Beruf ergreifen möchten. Dass es sich bei TAB um ein durchdachtes und innovatives Vorzeige-Projekt handelt, davon liessen sich im vergangenen Jahr zwanzig namhafte Juroren überzeugen: Sie ehrten es mit dem «Enterprize 2017». Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre unter dem Patronat von Bundespräsident Johann Schneider Ammann und dem Schweizerischen Arbeitgeberverband verliehen.

 

In der Schweizer Carrosseriebranche gibt es aktuell fünf Mitglieder im Club der «Top-Ausbildungsbetriebe», welche die höchste Stufe 3 erreicht haben. Das Jüngste von ihnen ist die «Hammer Auto Center AG» in Emmenbrücke (LU). Wir haben Roger Niederberger, Leiter der Carrosserie-Abteilung und somit verantwortlich für alle jungen Carrosserie-Spengler, zum Thema befragt.

Herr Niederberger, die Lernenden in Ihrer Abteilung werden gemäss Richtlinien «Level 3» von «Top-Ausbildungsbetrieb» gefördert, unterrichtet und ausgebildet. Was war Ihre Motivation, als einer der Ersten die Stufe 3 zu erklimmen?
Roger Niederberger: Unser Betrieb legt traditionell sehr viel Wert auf Aus- und Weiterbildung – und zwar bei allen Mitarbeitenden, nicht nur den Lernenden. Das war schon so, bevor ich zum Unternehmen gestossen bin. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass der Beruf des Carrosserie-Spenglers viel zu wenig bekannt ist. Die Autofahrerinnen und Autofahrer kennen den Mechatroniker, vielleicht auch noch den Lackierer. Aber es ist ihnen selten bewusst, dass zwischen den beiden ein dritter Profi an ihren Fahrzeugen arbeitet. Mit «Top-Ausbildungsbetrieb» wollen wir den Beruf des Carrosserie-Spenglers noch bekannter machen und ihm zu jenem Ansehen verhelfen, den er verdient.

 

Level 3 ist kein Geschenk. Wie denken Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen im Betrieb über das Erreichte?
Roger Niederberger: Wir haben intern und extern einige Gratulationen entgegen nehmen dürfen von Kollegen, die andere Bereiche leiten. Deshalb ist es auch nicht falsch, wenn ich sage, dass uns das mit Stolz erfüllt. Wir haben uns in der Aus- und Weiterbildung ein Level erarbeitet, das nicht nur ein halbes Jahr Gültigkeit hat, sondern auf lange Sicht einen grossen Mehrwert darstellt. Wir sind überzeugt, dass wir damit dem Fachkräftemangel entgegenwirken können.

 

Sie sind der Ausbildungsverantwortliche im Betrieb. Was bringt TAB Ihnen persönlich?
Roger Niederberger: Da ich auch im Kundendienst tätig bin, arbeite ich öfters räumlich getrennt von der Werkstatt, kann also nicht immer direkter Ansprechpartner sein für die Lernenden. Das ist in diesen Fällen dann der Werkstattleiter. Ihm und allen, die mit den jungen Menschen zu tun haben, steht mit TAB ein Fahrplan und somit ein strukturiertes Ausbildungsprogramm zur Verfügung – was immens hilft, alle Controlling-Instrumente nicht nur richtig, sondern auch zur passenden Zeit anzuwenden.

 

Was macht «TAB» und die «Stufe 3» so besonders? Wie erklären Sie einem Laien die Vorteile?
Roger Niederberger: Man erarbeitet ein komplettes Ausbildungskonzept, das sich einerseits beim Stellenwechsel des Ausbilders problemlos auf seinen Nachfolger übertragen lässt oder temporär von Stellvertretern weitergeführt werden kann. Zudem startet das Programm bereits bei der Selektion des Schnupperlehrlings und endet erst vier oder fünf Jahre später mit der Beantwortung der Frage, ob der Ausgelernte als junge Fachkraft im Betrieb bleibt.

 

Was bedeutet das konkret, bezogen auf die Rekrutierung eines Lernenden?
Roger Niederberger: Die Art, wie ein Schnupperlehrling vorinformiert wird, ist jetzt immer dieselbe. So weiss er schon im Vorfeld, was ihn erwartet und wie hoch die Anforderungen an ihn sind. Wir wiederum haben klare Richtlinien, wie man einen Schnupperlehrling begleitet, wie er an seinem ersten Tag zu empfangen ist und welche Materialien bereitzustellen sind. Er soll spüren, dass man ihn erwartet hat und mit ihm arbeiten will.

 

Auf was legen Sie Wert bei der Anstellung eines Lernenden?
Roger Niederberger: Gute Schulnoten sind sicherlich wichtig, der junge Mensch muss aber auch Vorstellungsvermögen haben und räumlich denken können. Zudem sollte jeder angehende Carrosserie-Spengler in der Lage sein, einen Bauplan zu lesen. Wem diese Fähigkeiten fehlen, wird kaum je eine Carrosserie richten oder die Richtwinkelsätze bedienen können. Wir würden auch keinen Lernenden einstellen, der sich nicht mit unserer Betriebskultur identifizieren kann. Darum ist ein Lehrvertrag in unserem Unternehmen kein Entscheid eines Einzelnen, sondern Teamwork.

 

Ihr Betrieb bildet in verschiedenen Berufsrichtungen aus. Wird er «TAB» zum Beispiel auch auf die Lernenden aus den Bereichen Mechatronik oder KV ausweiten?
Roger Niederberger: Das muss das Ziel sein. Wir arbeiten momentan an den spezifischen Anpassungen und jeweiligen Anforderungen – und übertragen die entsprechenden Überlegungen auch gleich in die Ersatzteil-Logistik.

 

Das Label «TAB» bescheinigt Ihnen hohe Ausbildungsqualität. Werden Sie Ihr «Gütesiegel» auf irgendeine Art vermarkten?
Roger Niederberger: Das tun wir ganz sicher. Einerseits auf unserer Homepage, mit verschiedenen Rundschreiben und in unserer Kundenzeitschrift. Wir glauben fest daran, mit «TAB» viele Eltern, Berufsberater und vielleicht auch Lehrer für die Berufe aus dem Carrosseriegewerbe begeistern zu können. Wenn sich mehr geeignete Jugendliche von dieser Euphorie anstecken lassen – umso besser.

 

Neuste Artikel: Carrosserie- und Fahrzeugbau