Carrosserie- und Fahrzeugbau

Jörg Brauen vom «Xpert Center»: Der Ruhestand naht

 

Von Heinz Schneider (Interview) und Irene Schneider (Fotos)

Jörg Brauen, «Leiter Motorbusiness» beim «XpertCenter» – das ist der kompetente Berner Outsourcing-Partner fürs gesamte Schadenmanagement – nähert sich dem Pensionsalter. Sein Nachfolger steht schon bereit: Er heisst Lukas Bill (Das Interview mit ihm erscheint in wenigen Tagen) und tritt sein Amt am 1. Januar 2025 an. Wie Jörg Brauen die vergangenen Jahre erlebt hat, welche beruflichen Meilensteine ihn gefordert haben und wie er sein Leben künftig gestaltet, darüber spricht der 62-Jährige im Interview mit «carwing».

 

Herr Brauen, Sie haben von 1979 bis 1982 bei der Alpina Versicherung das KV gemacht, sind danach direkt bei der Mobiliar in die Abteilung «Haftpflichtschaden» eingestiegen. Wie wurden Sie «Leiter Motorbusiness» beim «XpertCenter»?
Jörg Brauen: Da muss ich etwas ausholen. Bei der Mobiliar, die erst 1978 mit der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung gestartet ist, hatte ich zuvor verschiedene Funktionen inne. Es war die Zeit des Aufbaus, und ich half zum Beispiel als Team- und Abteilungsleiter mit. Bis Ende April 2000 führte ich im Hauptsitz den damaligen «Haftpflichtschaden Innendienst Ost».

 

Dann haben Sie das sichere Nest verlassen, wechselten als Quereinsteiger zu den Fahrzeugexperten – etwas, womit Sie zuvor kaum in Berührung gekommen sind.
Jörg Brauen: Es in der Tat so, wie Sie es schildern. Es gab eine Anfrage, und ich nahm die Herausforderung an. Aber nicht etwa, um Expertisen zu machen oder Fachtechnik zu beurteilen, sondern um ein neues digitales Auftrags-Tool aufzugleisen.

 

Das Ganze kam ins Rollen, als die Mobiliar ein interessantes Tool in Holland gefunden hat. Man munkelt, das System sei damals auf einer israelischen Software gelaufen.
Jörg Brauen: Das stimmt tatsächlich. Als wir sagten, wir möchten dieses Tool bei uns einführen, gab es schon ein paar rote Köpfe. Zwei IT-Mitarbeiter der Mobiliar sind dann nach Amsterdam gereist, um die Software vor Ort umzubauen und auf unsere Bedürfnisse zu adaptieren. Im November 2002 haben wir die Applikation in die Schweiz geholt, und im Januar 2003 erfolgte der Startschuss. Es war die erste Internet-Applikation innerhalb der Mobiliar, und top modern.

 

Wie muss sich der Laie dieses System vorstellen? Wie funktioniert es genau?
Jörg Brauen: Der Kunde erteilt im Tool den Auftrag, eine Schadenexpertise zu machen. Der Auftrag wird dem zuständigen Experten zugewiesen, und dieser lädt alle relevanten Daten auf «Silverdat» (Anm. Red.: Ein leistungsfähiges Datensystem für die Reparaturkalkulation). Dort schliesst er die Kalkulation ab und erstellt die notwendigen Fotos mittels einer App. In dieser Applikation wird dann dem Kunden die fertige Expertise zur Verfügung gestellt. Voilà, schon war der Schritt fürs papierlose Arbeiten gemacht.

 

Das System schlug ein. Schon bald flatterten die ersten Anfragen ins Haus, ob man diese Expertisen-Dienstleistung nicht auch Dritten anbieten könnte.
Jörg Brauen: Stimmt. Bereits im April 2024 gab es diesbezüglich grünes Licht von der Mobiliar – mit der Anweisung, «ihr könnt jetzt vorwärts machen». Auf der «grünen Wiese» wurde «Xpert Center» gegründet, und am 1. Januar 2005 legten wir los – die Mobiliar-Experten erhielten entsprechende neue Arbeitsverträge, und mit dem Schadenregulierer «Avus» hatten wir schon bald den ersten Kunden im Portfolio. Heute sind wir im Motorbusiness 125 Leute und machen mehr als 100 000 Expertisen sowie über 8000 Rücknahmen in unseren Zentren in Studen und Bannwil. Über unsere eigene B2B-Plattform werden mittlerweile jährlich 25 000 beschädigte Motorfahrzeuge zum Kauf angeboten.

 

Ich möchte den Scheinwerfer jetzt auf Sie richten. Am 30. Juni 2026 werden Sie pensioniert, haben bis dahin aber noch die Aufgabe, ihren Nachfolger einzuarbeiten. Wie sieht der berufliche Fahrplan für Sie noch aus?
Jörg Brauen: Ich gebe das Amt «Leiter Motorbusiness» per Ende 2024 an Lukas Bill ab. Mir wurde die Funktion «Senior Manager» zugeordnet. Die Idee ist, dass ich ihn die kommenden 18 Monate begleite, im Netzwerk vorstelle und in jeder Beziehung unterstütze. Darüber hinaus unterstütze ich noch in der Entwicklung und Umsetzung das eine oder andere Projekt oder die eine oder andere Dienstleistung.

 

Auch in der Dienstleistung «Kaufbegleitung»? Dieses Produkt ist meines Wissens bei Ihnen schon weit fortgeschritten und wird Ihre Abteilung noch lange beschäftigen. Was steckt dahinter?
Jörg Brauen: In der Schweiz erhalten pro Jahr rund 600 000 Occasionsautos einen neuen Besitzer. Viele von ihnen nehmen zum Verkaufsgespräch jemanden mit, der etwas von Autos versteht. Dafür könnte man auch einen unserer Experten buchen. Er begleitet den Fahrzeug-Interessenten – mit einem gründlichen 160 Punkte umfassenden Kontroll-Check und einer Probefahrt. Für private Kunden ist das eine echte Dienstleistung. Was wir aber nicht tun, sind geldwerte Verhandlungen. Das bleibt ein Thema zwischen Käufer und Verkäufer. Natürlich machen wir uns auch Gedanken darüber, diese Dienstleistung auszubauen – zum Beispiel auf Wohnwagen und Camper.

 

Wie hoch ist das Honorar? Kann sich jeder und jede das leisten?
Jörg Brauen: Wir verrechnen momentan 300 Franken. Wird der neue Fahrzeugbesitzer Kunde bei der Mobiliar, erhält er die Hälfte dieses Betrages zurück.

 

Schauen wir noch auf Ihre Pensionierung und Ihre Zukunft. Welche Pläne verfolgen Sie für die Zeit nach 1. Juli 2026?
Jörg Brauen: Da haben meine Frau und ich schon ein paar relativ konkrete Ideen. Ab 2027 würden wir gerne um die Welt tingeln. Der Plan sieht vor, dass wir zwei oder drei Jahre ausserhalb von Europa unterwegs sein werden. Wir spekulieren mit einer langen, langen Kreuzfahrt, und möchten zwischendurch für einige Monate einen Camper mieten.

 

Und für die Zeit, in der Sie wieder zuhause sein werden?
Jörg Brauen: Im Raum steht, wieder einen Hund in der Familie zu haben. Und vielleicht werde ich mich verstärkt meiner Autorennbahn widmen. Sie liegt momentan noch gut verpackt auf dem Estrich, nimmt dort den halben Raum in Anspruch. Dann haben wir im südlichen Schwarzwald einen zweiten Wohnsitz in Form eines fest installierten Mobilhomes und dort viele Freundschaften geschlossen. Es wäre schön, sich künftig noch etwas mehr dorthin zurückziehen zu können. Momentan lege ich mich noch nicht fest, aber eine karitative Tätigkeit oder Transportdienst bei Tixi, Nez Rouge oder für Spitäler könnte ich mir auch noch vorstellen. An Anfragen mangelt es nicht. Aber eben, jeder Pensionär weiss, dass sein Ruhestand schnell zum Unruhestand werden kann. Das möchte ich dann doch nicht.

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