Lackierer und Autolacke

«Der zweite WM-Tag wird mich nie mehr loslassen!»

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      Die 43. Berufs-Weltmeisterschaften (World Skills Competitions 2015) in São Paulo (Brasilien) brachten der Schweizer Delegation 13 Medaillen – 1 x Gold, 7 x Silber und 5 x Bronze. Angela Jans, Schweizermeisterin Carrossierin Lackiererei, holte sich dabei mit dem fünften Rang ein Diplom, ist aber mit diesem Resultat nicht rundum zufrieden. Warum, erzählt Sie im Interview.


      Frau Jans, unsere Leserinnen und Leser wissen, wie Sie trainieren, wie Sie zum Beruf gekommen sind, welche Bedeutung er für Sie hat und dass Sie Schweizermeisterin geworden sind. Aber sonst wissen sie nichts über die junge Frau, über die so viel geschrieben worden ist in jüngster Vergangenheit. Also Frau Jans, wer sind Sie?
      Angela Jans: Wow, das ist jetzt mal eine Einstiegsfrage. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.

      Denken Sie ganz spontan, an etwas Naheliegendes.
      Angela Jans: (Nach längerem Zögern). Ich bin wohl ein Mensch, der sehr viel Ehrgeiz mitbekommen hat. Ich bin nicht materialistisch, aber emotional. Ich denke gefühlsbetont, handle oftmals auch so und gönne jedem seinen Erfolg. Ich freue mich, wenn es den Leuten gut geht, die ich liebe. Und obendrein bin ich ein Glückspilz: Ich durfte in den letzten Wochen und Monaten so viel lernen, wie ich es mir nie hätte vorstellen können.

       

      Auch über sich selber?
      Angela Jans: Tatsächlich habe ich seit den Wettkampftagen sehr viel über mich nachgedacht. Die Ereignisse an der WM haben mich extrem verändert – und zwar in manchen Bereichen.

       

      Hat das mit dem Resultat zu tun? Geht Ihre Nachbetrachtung so weit, dass Sie sich fragen, ob Sie in São Paulo ein Diplom gewonnen oder eine Medaille verloren haben?
      Angela Jans: Natürlich weiss ich, dass der 5. Platz an einer WM eine gute Leistung ist. Aber auch mit zeitlichem Abstand betrachtet war es für mich persönlich halt doch eine Niederlage. Ich bin nach São Paulo gegangen, um eine Medaille zu gewinnen – das ist der Traum von jedem und jeder.

       

      Sie haben den zweiten Tag verhauen. Was ist geschehen?
      Angela Jans: Ich begreife immer noch nicht, was passiert ist. Aber irgendwie kam ich einfach nicht in diesen Arbeitstag hinein. Es war, als ob ich an einem anderen Ort gewesen wäre. Wenn ich zurückdenke, und das hab ich oftmals getan seither, muss ich sagen: Irgendetwas hat mich gehemmt. Ich hab an diesem Tag Dinge getan, die ich sonst nie mache. Ich war nicht wirklich dort. Und das, obwohl eine einfachere Arbeit zu bewältigen war – Spot Repair, etwas, das mir eigentlich gut liegt und wo ich normalerweise viel Zeit übrig habe am Schluss. Am dritten Tag war wieder alles anders. Es waren schwierigere Aufgaben zu bewältigen, trotzdem lief es wie von selbst. Warum es zu diesen zwei Gegensätzen gekommen ist, das hat mich im Nachhinein stark beschäftigt.

       

      Mit welchem Resultat?
      Angela Jans: Es ist mir bislang in vielen Lebensbereichen gut gegangen – auch beruflich. Manchmal sogar zu gut. Jetzt hat es für einmal nicht ganz so gut funktioniert, wie ich es gewohnt war. Das war tatsächlich eine Niederlage, und die ist nicht spurlos an mir vorübergegangen, sie hat mich sogar ziemlich mitgenommen.

       

      Würden Sie das Rad der Zeit gerne zurückdrehen, ein paar Dinge vielleicht anders anpacken?
      Angela Jans: Nein, es ist gut so wie es jetzt ist. Sogar sehr gut. Der zweite WM-Tag wird mich zwar nie mehr loslassen, aber ich habe sehr viele Lehren daraus gezogen. Er hat mir gezeigt, dass es nie und nimmer automatisch im selben Stil weitergeht und man nicht immer alles beeinflussen kann. Vor allem aber hat er mich dazu gebracht, mich mit Niederlagen auseinanderzusetzten und sie – überspitzt formuliert – freundschaftlich anzunehmen. Freundschaftlich in dem Sinne, dass ich heute der Überzeugung bin, dank der Niederlage mehr über mich erfahren zu haben als es vielleicht mit einer Medaille möglich gewesen wäre.

       

      Ist Ihnen das Lernen immer leicht gefallen? Wie gut waren Sie in Schule?
      Angela Jans: In der Primar-und Sekundarschule habe ich keine Bäume ausgerissen. Ich war nicht eigentlich gut, aber auch nirgends schlecht. Ab dem zehnten Schuljahr und in der Berufsschule war ich dann Klassenbeste. Und das, ohne Aufwand zu betreiben. Ich musste nie «anehocke» und büffeln – was ich vorgesetzt bekam, habe ich aufgenommen und nicht mehr vergessen.

       

      Eigentlich eine tolle Sache, um die Sie viele Leute beneiden würden?
      Angela Jans: Mir hat das im Endeffekt nicht nur gut getan. Ich war, ohne mich anstrengen zu müssen, immer vorne mit dabei. Auch bei den Regionalen Meisterschaften hat es geklappt, ohne dass ich mich zu fest anstrengen musste. Seit der WM weiss ich es besser: Ich will mich künftig in keinem Lebensbereich alleine aufs Talent verlassen und mich von der ersten Minute nicht 97-, sondern 100-prozentig auf eine bevorstehende Sache konzentrieren.

       

      Als Sie sich für die Schweizermeisterschaften angemeldet haben, war das eher als Abenteuer mit ungewissem Ausgang gedacht? Oder sind Sie mit klaren Zielen angetreten?
      Angela Jans: Ich wollte gewinnen und bei der WM dabei sein. Aber wie ich schon gesagt habe – rückblickend wäre es unter Umständen eine gute Lektion gewesen, wenn es nicht ganz so reibungslos gelaufen wäre. Ein kleiner Schuss vor den Bug hätte mir möglicherweise damals gut getan.

       

      Hatten Sie eine enge Bezugsperson in São Paulo? Wer hat Sie hauptsächlich unterstützt?
      Angela Jans: Wir hatten ein unglaublich tolles Schweizer Team, die Kandidaten haben sich untereinander extrem gut verstanden. Und wir haben uns gegenseitig geholfen – so gut das gegangen ist und im Wissen, dass letztlich jeder ein Einzelkämpfer ist, der für sich schaut und sehen muss, wie er über die Runden kommt. Als es mir nicht ganz so gut gegangen ist, war Coach Patrick Balmer ganz klar die grösste Stütze.

       

      Wer ist sonst der Mensch in Ihrem Leben, dem Sie am meisten vertrauen? Wer ist Ihre Bezugsperson?
      Angela Jans: s`Mami. Sie hat natürlich nach der WM schnell gespürt, dass mich das Ganze stark beschäftigt. Und meine beste Kollegin Lisa, mit ihr rede ich wirklich über alles.

       

      Ehrgeiz in Ehren, aber es gibt auch ein Privatleben. Was tun Sie am liebsten in der Freizeit?
      Angela Jans: Ehrgeizig sein. Nein, im ernst: Seit meinem 21. Geburtstag im April habe ich damit begonnen, auf meinen Körper aufzupassen und ihn in sportlicher Hinsicht richtig zu fordern. Neben regelmässigen Besuchen im Fitnesscenter bin ich jetzt daran, mich auf einen Halbmarathon vorzubereiten. Zudem werde ich Anfang März 2016 am Survival Run in Thun dabei sein.

       

      Eine überaus harte Prüfung, wo die Teilnehmenden eine 18 Kilometer lange Sprintstrecke zu bewältigen haben.
      Angela Jans: Und erst noch in einem Militärgelände, das in der Hauptsache aus Schlamm, Wasser und vielen anderen Hindernissen besteht. Die Schwierigkeit besteht darin, dass dieses Terrain keinen eigentlichen Lauf-Rhythmus zulässt. Zudem ist die Chance gross, dass es Schnee hat und kalt ist. Das kann dann schon recht hart werden.

       

      Ist auch mal Abhängen und Feiern mit Freunden bis früh am Morgen angesagt?
      Angela Jans: Das ist nicht mein Ding. Ausser, es gibt wirklich mal etwas zu feiern – da tanze ich sehr gerne und lasse mich auch gehen. Aber ansonsten liebe ich gemütliches Beisammensein mit Freunden oder meiner besten Kollegin. Und diese Treffs dauern kaum bis spät in die Nacht.

       

      Ich nehme Sie als beliebte und sehr erfolgreiche Botschafterin für den Lackierberuf wahr. Ist Ihnen das bewusst? Können Sie damit gut umgehen?
      Angela Jans: Niemand baut höheren Druck auf mich auf als ich es selber tue. So gesehen kann ich gut damit umgehen, dass ich gewissen Ansprüchen zu genügen habe. Wenn ich ehrlich bin, gefällt mir das sogar. Es ist eine Herausforderung, und ich nehme sie gerne an. Muss ich letztlich auch. Denn sehen sie: Wir WM-Teilnehmer haben eine spannende und lehrreiche Zeit erfahren dürfen und viele tolle einflussreiche Leute kennengelernt, die es extrem gut mit uns gemeint haben. Nennen sie mir einen vergleichbaren Anlass, wo so viele junge Leute so wertvolle Erfahrungen machen dürfen. Es gibt mit Sicherheit keinen.

       

      Sie sind viel gecoacht worden. Können Sie sich vorstellen, mal auf ebendieser Seite zu stehen und jungen Berufsleuten Ihre Erfahrungen nahe zu bringen?
      Angela Jans: Das wünsche ich mir sogar. Ich hab schon jetzt in meinem beruflichen Umfeld verlauten lassen, dass ich dafür sehr gerne zur Verfügung stehe. Ich habe in den letzten Monaten so unglaublich viel aufgesogen, dass ich platzen würde, wenn ich all das für mich behalten müsste.

       

      Wie sieht Ihre mittelfristige berufliche Zukunft aus?
      Angela Jans: Ich will jetzt prioritär die BMS zu Ende bringen. Das dauert zwei Jahre. Dann sehen wir weiter. Wissen sie, ich bin Widder als Sternzeichen. Und die lassen sich gerne schnell begeistern. Unter anderem reizen mich Fremdsprachen und das Ausland. Aber ich nehme mich jetzt zurück – und hab deshalb die BMS zu meiner ersten 100-Prozent-Aufgabe nach der WM erkoren.

       

      Wer Sie googelt, erhält eine riesige Auswahl an Artikeln und Fotos aufgezeigt, die über Sie erschienen sind. Ist das Euphorie oder Unbehagen?
      Angela Jans: Keines von beidem. Eher eine stille Freude. Weil es mir zeigt, dass ich viele Sachen richtig gemacht habe. Wenn es jetzt aber etwas ruhiger wird um meine Person, bin ich nicht unglücklich.

       

      Was haben Sie grundsätzlich für eine Einstellung zum Auto?
      Angela Jans: Ein Freak im herkömmlichen Sinn bin ich nicht. Aber ich fahre sehr gerne Auto – weil ich kein Stubenhocker und deshalb gerne unterwegs bin. Darüber hinaus sehe ich das Automobil mit den Augen der Lackiererin. Mich faszinieren die Oberflächen, und somit die Farben und das damit verbundene genaue Arbeiten.

       

      Sie haben mal gesagt, die Geschwindigkeit reize Sie.
      Angela Jans: Das ist so. Ich bin ein Adrenalin-Junkie, deshalb begeistert mich alles, was schnell und extrem ist. Go-Kart-Fahren zum Beispiel. Oder Fallschirmspringen. Wenn ich es mir finanziell erlauben kann, wird ein Sprung das nächste sein, was ich mir leiste. Ich hab zwar immens Höhenangst, aber dieser Sprung ist bestimmt das richtige Mittel, um sie zu bekämpfen. Und ich hoffe immer noch, dass mich eines Tages jemand auf eine Rennstrecke einlädt – wenns auch nur als Beifahrerin ist.

       

      Schauen wir kurz nach São Paulo zurück. Was hat Sie am meisten beeindruckt?
      Angela Jans: Eben, das Schweizer Team. Das war eine Hammer-Truppe – nur schon dass ich sie kennenlernen durfte hat die Arbeit gerechtfertigt, die wir im Vorfeld der WM investiert haben. Es macht mich geradezu euphorisch, wenn ich zurückdenke, wie wir als Mannschaft aufgetreten sind. Mit Landesfahnen, Treicheln, roten Uniformen mit Schweizerkreuz, der Hymne: Sie werden das vielleicht nicht glauben – aber das hat meine Liebe zu unserem Land noch um einiges verstärkt. Wir alle waren extrem stolz, die Schweiz im Ausland vertreten zu dürfen.

       

      An der WM haben Sie mit Glasurit-Produkten gearbeitet. Können Sie jetzt problemlos wieder wechseln?
      Angela Jans: Das will ich gar nicht, ich habe Glasurit ins Herz geschlossen. Es ist ein tolles Produkt und hat mich in den letzten Monaten eng begleitet. Schon wenn ich es rieche, läuft zwangsläufig ein langer Film in meinen Gedanken ab. Ein toller, spannender und unterhaltsamer Film, der mit einem Happy-End ausgegangen ist.

       

       

       

       

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