Lackierer und Autolacke

Formel 1: Ein Besuchstag in der Lackierwerkstatt von Mercedes

 

Bereits im Oktober 2017 hat Mercedes die Weltmeisterschaft der Konstrukteure in der «FIA Formula One» und mit Lewis Hamilton die Fahrer-WM vorzeitig für sich entschieden. Allerdings hatte die Lackierwerkstatt am Hauptsitz des Teams im englischen Brackley vor dem letzten Rennen der Saison noch alle Hände voll zu tun, um die Carrosserieteile zum Versand an den nächsten Austragungsort fristgerecht fertigzustellen.

 

Im Verlauf einer F1-Saison hat das Team Tausende von Carrosserieteilen zu lackieren – manchmal bis zu 150 in einer Woche. Um diese Herausforderungen zu meistern, vertraut es auf Spies Hecker – eine der drei globalen Reparaturlackmarken von Axalta Coating Systems. Seit über vier Jahren ist die Marke für die Rennlackierung auf den Silberpfeilen des Teams verantwortlich. Aufgrund der extremen Bedingungen auf der Strecke sind Gewicht, Qualität und Beständigkeit der Lackierung der Rennwagen von entscheidender Bedeutung.

 

Jeder Dienstag beginnt für Andrew Moody, Leiter der Lack- und Grafikabteilung bei Mercedes-AMG Petronas Motorsport, mit einem Team-Meeting um 08:30 Uhr. Das gesamte 16-köpfige Lack- und Grafikteam ist anwesend, einschliesslich eines Lackierers, der um 06:00 Uhr die Frühschicht beginnt. Im Rahmen der Besprechung werden neben dem Wochenplan auch mögliche Engpässe erörtert.

 

«Das wöchentliche Meeting ermöglicht uns, all die Sachen zu besprechen, die wir unter der Woche zu erledigen haben», sagt Moody. «Es ist eine hilfreiche Ergänzung zum Arbeitsplan und zu den Ablauflisten, die von den Teamleitern jeden Morgen veröffentlicht werden. Der Plan und die Listen zeigen genau auf, mit welchen Komponenten wir an diesem Tag in der Lackierwerkstatt rechnen müssen und welche für das nächste Rennen benötigt werden». Nach dem Meeting widmet sich das Grafikteam seinen Aufgaben, während sich die acht Lackierer in der Werkstatt an die Arbeit machen. Komponenten mit einer längeren Durchlaufzeit, zu denen in der Regel grössere Carrosserieteile wie Seitenkästen, Motorabdeckungen, Nasen und Flügel gehören, werden zuerst abgearbeitet.

 

Heute stehen zunächst zwei Frontflügel an. «Wir arbeiten prozessorientiert. Für jede Komponente, die die Lackierwerkstatt durchläuft, gibt es genaue Anweisungen dazu, was und wie es gemacht werden muss. Von den anzuwendenden Mischverhältnissen über die Art des Schleifpapiers bis hin zu genauen Schleifmassen – alles ist vorgeschrieben», erklärt Moody.

 

Bevor es aber überhaupt losgeht, werden die Frontflügel gewogen. Sie kommen von einer anderen Abteilung, in der mithilfe von Scans, Belastungstests und Röntgenuntersuchungen sichergestellt wurde, dass sie keinerlei Beschädigungen oder Verschleissmerkmale aufweisen, die sich beim nächsten Rennen negativ auf den Wagen auswirken könnten. Drei Lackierer arbeiten zusammen an den zwei Flügeln. Nachdem der alte Lack entfernt wurde, werden die Flügel geschliffen bevor sie mit dem «Priomat Wash Primer 4075» von Spies Hecker grundiert werden. Anschliessend wird entweder der «Permasolid HS Vario Grundierfüller 5340» mit hohem Festkörperanteil oder der schnell trocknende, festkörperreiche Zweikomponenten-Schleiffüller «Permasolid HS Performance Füller 5320» eingesetzt.

 

Im nächsten Schritt wird einer der Frontflügel mit dem «Permahyd Hi-TEC Basislack 480» in einem speziell von Spies Hecker für das Team entwickelten Farbton namens «Stirling Silver» lackiert. Dieser ist nach Sir Stirling Moss benannt, der 1955 für Mercedes ins Rennen ging. Während der Lack des ersten Flügels eingebrannt wird, beginnt das Team mit der Lackierung des zweiten Flügels. Genau wie in jeder anderen Werkstatt mischen die Lackierer auch hier ihre eigenen Farbtöne. Moody und sein Team vertrauen dabei auf die Phoenix Farbtonmanagement-Software von Spies Hecker und auf zwei digitale Mischwaagen.

 

Jeder Lackierer im Team wurde für diesen Aufgabenbereich ausgebildet. Und da es oftmals erforderlich ist, von einer Tätigkeit zur nächsten zu wechseln, gibt es in der Werkstatt eine klare Kompetenzmatrix, weiss Moody. «Achtzig Prozent unserer Leute sind dafür qualifiziert, alle Arbeiten auszuführen, während rund die Hälfte des Teams zusätzlich auf spezifische Arbeiten wie etwa das Airbrushing spezialisiert ist. Flexibilität innerhalb des Teams ist ein unerlässlicher Faktor, um alle anfallenden Arbeiten erledigen zu können. Unser Arbeitsplan und die Ablauflisten bilden die Grundlage für den Tag. Wir müssen sehr flexibel sein, um uns auf Veränderungen und neue Situationen einzustellen, ohne das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren.»

 

Während der erste Frontflügel trocknet, arbeiten zwei der zuständigen Lackierer bereits an einem anderen Projekt. Ist der zweite Frontflügel zur Trocknung in der Kabine, beginnt einer der Airbrush-Spezialisten mit der Arbeit an den Farbton-Übergängen und den sogenannten Glow-Lines des ersten Flügels. Die dafür notwendigen Vinylmasken, die als Schablonen dienen, werden den Lackierern vom Grafikteam bereitgestellt. Für den Grossteil des Teams geht es jetzt erst einmal in die Mittagspause. Normalerweise essen alle zusammen und nehmen sich manchmal dafür bis zu eine Stunde Zeit. Wenn reger Betrieb herrscht und die Durchlaufzeiten knapp bemessen sind, muss dann allerdings auch eine halbe Stunde reichen.

 

Die komplexen Glow-Lines, Streifen und Funkeneffekte der Rennlackierung der Saison 2017 ziehen sich über mehrere Komponenten hinweg. Diese Komplexität macht es erforderlich, dass das Airbrush-Design auf jedem der austauschbaren Teile die Lackierung und Schattierung der angrenzenden Teile nahtlos fortführt. Die Tatsache, dass sich die Form des Autos ständig verändert, ist eine weitere Herausforderung, die Moody und sein Team meistern müssen. «Für einige Rennen ist ein hoher Abtrieb erforderlich. Auf anderen Strecken hingegen fahren wir Setups mit mittlerem oder geringem Abtrieb. Das bedeutet, dass wir uns ständig auf unterschiedlich geformte Teile einstellen müssen, was beachtlichen Aufwand mit sich bringt», erläutert er.

 

Vor der Beschichtung mit dem Klarlack gehen die Frontflügel noch ein letztes Mal in die Kabine. Für Teile, die schnell lackiert werden und trocknen müssen, arbeiten die Lackierer mit «Permasolid HS Speed Klarlack 8800». Wenn ihnen mehr Zeit zur Verfügung steht, verwenden sie «Permasolid HS Optimum Plus Klarlack 8650». Sobald der Klarlack getrocknet ist, wird den Frontflügeln mithilfe von drei unterschiedlichen Schleif- und Poliermitteln der spektakuläre Glanz verliehen, so wie es die Fans von den Silberpfeilen kennen. Jetzt ist es an der Zeit, die beiden Frontflügel abschliessend zu präparieren, um die Lackierwerkstatt in Richtung einer anderen Abteilung im Werk zu verlassen. Bevor ein Teil die Werkstatt verlässt, muss noch sein Gewicht notiert werden. Als letzten Schritt muss Moody – oder der Teamleiter – das Fahrzeugteil einer Endkontrolle unterziehen und die Freigabe erteilen. «In acht bis neun Stunden durchläuft solch ein Teil mindestens zehn unterschiedliche Lackierprozesse», sagt Moody. «Alles muss perfekt sein. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Daher machen die Zuverlässigkeit, die Beständigkeit und die Verarbeitungsgeschwindigkeit der Produkte von Spies Hecker für uns den Unterschied aus.»

 

Während die Frontflügel bereit sind für den Transport in eine andere Abteilung, werden andere Komponenten noch grundiert, lackiert oder poliert. Während die Frühschicht langsam aber sicher um 14:00 Uhr ihren Feierabend einläutet, tritt ein anderer Lackierer die Spätschicht an. Er übernimmt Arbeiten, die von der regulären Schicht bis zum Ende seines Arbeitstages um 17:30 Uhr nicht abgeschlossen werden konnten.
Der Lackierer der Spätschicht verlässt das Werk um 22:30 Uhr. Vorher bereitet er aber noch alles für den Kollegen der Frühschicht vor, der um 06:00 Uhr seinen Arbeitstag beginnt und den gesamten Prozess von neuem in Gang setzt.

 

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