Was mit einem Scherz beim Betriebsausflug beginnt, endet in einem hochkonzentrierten Lackierduell zweier Veteranen: Enzo Santarsiero gegen Volker Wistorf. Angeblich eine freundschaftliche Challenge, deklariert als Spiel. In Wahrheit: ein ehrgeiz-getriebenes Kräftemessen unter Männern, die einst Massstäbe setzten – und jetzt wissen wollen, ob sie’s noch können.
Bei einem Spiel sassen sie Rücken an Rücken (siehe Bild) und hoben gleichzeitig die Tafeln – beide überzeugt: Ich bin besser als der andere. Monate später folgt der Beweis. Die Bühne: eine Lackierkabine. Die Herausforderung: ein einzelner Kotflügel, eine Kombination aus Motorhaube und Kotflügel, moderne Lacke, glasklare Vorgaben. Die Jury? Kein Wohlfühlpanel, sondern Schwergewicht pur: Clint Kaufmann (Weltmeister 1999), Willi Frei (Trainerlegende und ehemaliger Berufsschullehrer) und Aurélie Fawer (World Skills-erfahren).
Die Aufgabe klingt einfach, ist es aber nicht. Nass-in-nass, Basislack, Klarlack – exakt, gleichmässig, mit minimalem Overspray. Die Kriterien sind an das Bewertungsraster der Swiss Skills angelehnt. So ist eine saubere Reinigung für eine einwandfreie Lackierung essentiell. Dabei wird auch der persönliche Arbeitsschutz, wie das korrekte Tragen von Maske und Brille in die Wertung genommen. Entscheidend ist zudem die Gleichmässigkeit des Lackfilms. Auch Struktur und Glanzverlauf zählen, ebenso wie nachhaltige Anwendungstechniken – ein Aspekt, der heute stärker gewichtet wird als früher.
Nach einem Jahrzehnt Pause steigen Santarsiero und Wistorf wieder in den Overall. Die Spritzpistole in der Hand, der Blick fokussiert. Die Grundtechnik sitzt – die Bewegungen stimmen. Doch Abläufe und Routine sind nicht mehr so vertieft. Stattdessen vertrauen sie in die Materialien von Axalta. Neue Technologien verlangen Präzision. Früher ging’s mit Gefühl. Heute braucht’s Kontrolle. Zwar ist das Handwerk im Kern gleich geblieben, doch verändern sich Materialien und Methoden stetig. Ein bedeutender Fortschritt war die Einführung der Xtreme Linie bei den verwendeten Standox-Produkten – Trocknung bei Raumtemperatur spart Energie und senkt die Kosten.
Willi Frei beobachtet akribisch genau, und seine branchengeschulten Augen sehen mehr als der ungeübte Zuschauer. Auch wenn er selbst nicht mehr lackiert, versteht er den Reiz dieses Moments: «Obwohl ich schon ein paar Jahre nicht mehr selbst am Auto arbeite, kenne ich das Gefühl, dass man nochmals wissen möchte, was in einem steckt».
Wettkampfatmosphäre pur. Beide ziehen’s durch – mit Hingabe und Stolz. Aurélie Fawer notiert: keine Läufer, kaum Schwächen, ein echtes Kopf-an-Kopf-Rennen. Ihr Blick, geschärft durch viele Wettbewerbe, erkennt Schwachstellen, wo andere nur glänzende Flächen sehen. Auch die Ränder und Kanten müssen beachtet werden – hier zeigten sich kleine Unterschiede, die in die Bewertung einflossen. Volker Wistorf überzeugt zunächst mit einer exzellenten Vorarbeit und sauberer Applikation beim Grundmaterial. Enzo Santarsiero kontert mit einer besonders feinen Basis-Lackierung und effizientem Materialeinsatz. Beim Klarlack hingegeben waren sie wieder gleichaufliegend.
Am Ende liegt Santarsiero sechs Punkte vorne – bei insgesamt 480 möglichen Punkten. Der Sieg ist knapp, der Respekt gegenseitig. Zwei Karrieren treffen aufeinander, zwei Persönlichkeiten, eine gemeinsame Erkenntnis: Das Können ist geblieben, auch wenn sich die Regeln verändert haben. Clint Kaufmann dazu: «Wer einmal das Handwerk verinnerlicht hat, wird es nicht verlieren. Das zeigen die Ergebnisse. Keine Läufer, keine Streifen, keine Wolken – beide liefern Arbeit auf höchstem Niveau».
Und wenn man beide Stärken kombiniert? «Dann», sagt Willi Frei, «hat man den perfekten Lackierer».