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Vor 120 Jahren: Daimler-Motoren dominieren erstes Autorennen

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      Zwei Wagen, ausgerüstet mit einem Zweizylinder-V-Motor von Daimler, teilen sich 1894 den Hauptpreis des ersten Automobilwettbewerbs der Geschichte. Und ein Fahrzeug von Benz erhält den 5. Preis. So beginnt auf der Zuverlässigkeitsfahrt von Paris nach Rouen die Tradition von 120 Jahren Motorsportgeschichte von Mercedes-Benz.

       

      Auf der 126 Kilometer langen Strecke beweist das vom schnelllaufenden Daimler-Motor angetriebene «Kraftfahrzeug» seine Überlegenheit über Strassenfahrzeuge mit anderen Antrieben. Dieser magische Moment verändert die Mobilität für alle Zeit: «Wie kann man anders reisen als im Automobil?», fasst am 23. Juli die Zeitung «Le Petit Journal» das Ergebnis es Wettbewerbs voller Begeisterung und Zukunftsfreude zusammen.

       

      Sicherheit, leichte Bedienbarkeit und überschaubare Kosten: Das sind Paradedisziplinen des erst acht Jahre jungen Automobils mit schnelllaufendem Verbrennungsmotor im Vergleich insbesondere zur Dampftechnik. Und so erhalten die Marken Panhard & Levassor und Peugeot den (geteilten) ersten Preis in Höhe von 5000 Francs für ihre mit Daimler-Motoren ausgerüsteten Fahrzeuge.

       

      Insgesamt 21 Fahrzeuge sind zur Wettfahrt von Paris nach Rouen zugelassen. Sie haben an den drei Tagen vor dem Wettbewerb bereits bei Probefahrten ihre Tauglichkeit zur Teilnahme beweisen müssen. Ab 7 Uhr nehmen die Wagen am 22. Juli 1894 ihre Startplätze an der Porte Maillot im Pariser Stadtteil Neuilly sur Seine ein, direkt neben dem Bois de Boulogne gelegen. Der Start auf dem Boulevard Maillot ist für «Punkt 8 Uhr» vorgesehen. Als erstes Fahrzeug geht um 8:01 Uhr der Dampftraktor des Grafen de Dion mit seinem einachsigen Passagieranhänger im Schlepp auf die Strecke, die restlichen Fahrzeuge folgen im Abstand von 30 Sekunden.

       

      Die Zuverlässigkeitsfahrt wird ohne Absperrungen ausgetragen. Der Strassenverkehr ist nach dem Start besonders dicht, weil die umfangreiche Berichterstattung im Vorfeld viele Tausend Zuschauer anlockt, zudem mischen sich andere Fahrzeuge unter die Starter sowie unzählige Velofahrer.

       

      Unter den mobilen Zuschauern befinden sich auch Gottlieb Daimler und sein Sohn Paul, die diesen für ihren Motor so wichtigen Tag mit Spannung verfolgen. 20 Jahre später erinnert sich Paul Daimler in einem Artikel für die «Allgemeine Automobil-Zeitung» an das bunt gemischte Starterfeld: «Die Rennwagen, in Form und Art und Grösse grundverschieden, schwere Dampfwagen mit Anhängern konkurrierten mit leichtesten Dampfdreirädern, und wiederum diese mit Benzinwagen. Wir selbst begleiteten im Wagen das Rennen.

       

      Es war ein eigenartiges Schauspiel, diese so grundverschiedenen Wagentypen sich in Geschwindigkeit messen zu sehen: Die Heizer der schweren Dampfwagen schweisstriefend, mit Russ überzogen, schwer arbeitend mit Aufschütten von Brennmaterial, die Fahrer der kleinen Dampfdreiräder, dauernd den Druck und Wasserstand im kleinen, kunstvoll gefügten Röhrenkessel beobachtend und die Ölfeuerung regulierend, und in Gegensatz dazu die Fahrer der Benzin- und Petrolwagen ruhig auf dem Lenkersitz, hie und da einen Hebel betätigend, wie nur rein zum Vergnügen fahrend – ein ganz eigenartiger Vergleich und mir zeitlebens unvergesslich.»

       

      Von Paris führt die Strecke nach Mantes, wo Mittagspause eingelegt wird. Frisch gestärkt geht es weiter in Richtung Rouen, wo das erste Fahrzeug (De Dion) um 17:40 Uhr ankommt. Es folgen zwei Wagen von Peugeot mit dem 3,5 PS starken Daimler Zweizylinder-V-Motor (Albert Lemaitre/Auguste Doriot) sowie zwei weitere Fahrzeuge von Panhard & Levassor, die ebenfalls von Daimler-Motoren angetrieben sind (Paul Panhard/18:03 Uhr, Émile Levassor/18:30 Uhr). Das «Système Daimler» ist ein Zweizylinder-V-Motor, der nach den Originalplänen Gottlieb Daimlers in Frankreich in Lizenz gebaut wird.

       

      Von 21 Startern erreichen insgesamt 17 Fahrzeuge das Ziel – 9 von ihnen sind mit Daimler-Motoren ausgestattet. Als 14. kommt der auf einem Fahrzeug von Benz startende Ingenieur Emile Roger ins Ziel. Er ist seit 1888 alleiniger Vertreter für Fahrzeuge und Motoren von Benz in Frankreich, lässt jedoch bei der Meldung für die Wettfahrt geflissentlich die Herkunft des Mannheimer Automobils unter den Tisch fallen. Roger erhält den 5. Preis des Wettbewerbs und wird im Abschlussbericht, der am 24. Juli 1894 in «Le Petit Journal» erscheint, ausdrücklich für die «erfolgreichen Verbesserungen am Automobil mit Benzinmotor» gewürdigt.

      Während Roger komplette Benz-Fahrzeuge importiert, liefert zunächst Daimler Know-how für Motortechnik an die französischen Automobilhersteller: Bereits 1887 verhandelt Gottlieb Daimler über die Auswertung seiner Entwicklungen im französischen Staatsgebiet mit Edouard Sarazin aus Paris. Sarazin wiederum vereinbart mit dem Unternehmer Emile Levassor, dass dieser die Daimler-Motoren in Lizenz bauen wird. Nach dem frühen Tod Sarazins führt dessen Frau Louise – sie wird später Levassor heiraten – das Geschäft fort und legt damit den Grundstein für die französische Automobilindustrie. Denn die von Panhard & Levassor ab dem Jahr 1889 gebauten Motoren beflügeln die Entwicklung des Automobils in Frankreich.

       

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