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Im Rückspiegel: Der Volvo P120 Amazon wird 60 Jahre jung

 

Der Volvo P120 Amazon feierte am ersten September-Wochenende des Jahres 1956 in der mittelschwedischen Stadt Örebro Weltpremiere und hatte schon bald diverse Innovationen in der Antriebs- und Sicherheitstechnik vorzuweisen: So präsentierte er sich 1959 mit serienmässigen Dreipunkt-Sicherheitsgurten vorne und sogar Befestigungspunkten für Fond-Sicherheitsgurte. Weitere Sicherheitsfeatures waren das gepolsterte Armaturenbrett, die Zweikreisbremsanlage und der effektive Rostschutz. Alle gefährdeten Bauteile wurden im Warmbad verzinkt. Von 1956 bis 1970 wurden 667 791 Exemplare des P120 Amazon produziert.

 

Gezeichnet wurde die Carrosserie vom damals 26jährigen Jan Wilsgaard, dem späteren langjährigen Leiter des Designzentrums. Unter Wilsgaards Verantwortung entstanden die Formen der Modelle 140 und 240 sowie die 700er-Serie und auch teilweise das Design des Volvo 850. Im Sommer 2016 ist Jan Wilsgaard im Alter von 86 Jahren verstorben.

Den anfänglich nur als Viertürer erhältlichen P120 gestaltete Wilsgaard in Pontonform mit feinen Stilelementen aus der italienischen, britischen und amerikanischen Designkultur. Dagegen verkörperten die massiven Türen und die hohe Gürtellinie Sicherheit, während die Front mit der V-förmigen Motorhaube von den sportlichen Ambitionen kündete. Gesteigert wurde der Auftritt der 4,45 Meter langen Limousine durch eine Zweifarben-Lackierung, die in den Modelljahren 1957 bis 1959 serienmässig war. Angeboten wurden Kombinationen aus schwarz, mitternachtsblau oder rubinrot mit hellgrauem Dach oder aber eine hellgraue Carrosserie mit schwarzem Dach.

Für Aufregung sorgte die Namensgebung, mit der die Limousine an die Amazonen erinnerte. Jene besonders verwegenen Kriegerinnen der griechischen Mythologie, die mit Pfeil und Bogen kämpften. Die anfänglich Amason (mit «s» geschrieben) genannten Fahrzeuge änderten ihren Namen 1957 in das internationaler klingende Amazon. Allerdings hatte der deutsche Motorradhersteller Kreidler zu dieser Zeit bereits die Namensrechte für sein neues Moped Amazone in den wichtigen Schlüsselmärkten schützen lassen. Volvo erreichte schliesslich eine Vereinbarung, nach der die Fahrzeuge in Skandinavien als Amazon vermarktet werden durften. In allen anderen Ländern dagegen nannte sich der Standardtyp nur Volvo 121 und die sportliche Version Volvo 122.

 

1958 wurde das Angebot erweitert. Zum offiziellen Vertriebsstart debütierte der dank Doppelvergaser und schärferer Nockenwelle 83 PS starke Amazon Sport. Es ging aber noch mehr: Mit bis zu 128 PS starken werksseitigen Sportmotoren zählte der P120 über Jahre in Tourenwagen- und Rallye-Meisterschaften zu den Titelfavoriten. Ab Ende 1961 gab es ihn auch als zweitürige Limousine, die zum Modelljahr 1967 die Basis lieferte für den 123 GT Amazon mit 103 PS starkem Motor und elektrisch betätigtem Overdrive-Getriebe aus dem Sportcoupé 1800 S. Zu erkennen gab sich der 123 GT Amazon vor allem an zwei zusätzlichen Jod-Scheinwerfern mit den Funktionen Weitstrahler, Nebelscheinwerfer und Kurvenlicht. Auch ein Drehzahlmesser durfte nicht fehlen. Im Februar 1962 wurde der P220 Amazon Kombi eingeführt. Der Vorreiter heutiger Familien- und Freizeitkombis überraschte durch eine horizontal geteilte Hecktür, so wie sie sonst bei amerikanischen Kombis beliebt war.

Der P120 Amazon war der erste Volvo, der ausserhalb Schwedens produziert wurde. Zunächst wurde im Jahr 1963 im kanadischen Halifax ein Werk eröffnet, das den nordamerikanischen Markt belieferte. Später ging ein weiteres Werk im südafrikanischen Durban an den Start. Die grösste Investition tätigte Volvo jedoch in der belgischen Stadt Gent. Dort wurde 1965 eine Fabrik eröffnet mit einer anfänglichen Jahresproduktionskapazität von 14 000 Fahrzeugen. Für Volvo war dies ein wichtiger Schritt zu Zollerleichterungen, da Schweden noch kein Mitglied der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war.

 

Der letzte Volvo P120 Amazon wurde am 3. Juli 1970 im Werk Torslanda bei Göteborg gebaut – eine dunkelblaue Limousine, die direkt in die Fahrzeugsammlung fuhr, aus der später das Volvo Museum hervorging.

 

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