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Im Rückspiegel: Die ersten Jahre in der AMAG-Firmengeschichte

 

Die «Automobil- & Motoren AG» (AMAG) ist 75 Jahre alt. Wir blättern deshalb ein wenig im Geschichtsbuch des Importunternehmens. Und drehen zu Ehren dieses Jubiläums das Rad der Zeit zurück. Diesmal in die Ära der hauseigenen Fahrzeugproduktion im aargauischen Schinznach-Bad.

 

Mit Martini oder Turicum hatte die Schweiz in frühen Jahren eine zwar kleine, immerhin aber eigenständige Automobilproduktion. Zudem wurden viele edle Marken von berühmten «Carrosserieschneidern» eingekleidet. Und mit der AMAG gab es auch ein Unternehmen, das ausländische Fahrzeuge komplett im eigenen Haus montierte: Kurz nach ihrer Gründung begann die AMAG in Schinznach-Bad mit dem Zusammenbau von Automobilen.

 

1947 bot sich in Schinznach-Bad der Kauf eines Areals mit Fabrikationshallen, das einer früheren Zementfabrik gehörte. Diese Fabrik war schon vor dem zweiten Weltkrieg in den Konkurs gegangen, und in den Kriegsjahren wurden sie von der Armee als Stroh- und Heulager genutzt. Im gleichen Jahr erfolgte der Umbau in eine für damalige Begriffe moderne Kleinmontageanlage für Automobile. 1949 begann die ASAG (Automontage Schinznach AG) mit der Montage der ersten Plymouth- und Standard-Limousinen.

 

Auch wenn in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit die AMAG Autos montiert hatte, so ist das juristisch nicht ganz korrekt. Die Montagetätigkeit erfolgte in einer rechtlich eigenständigen Firma, der ASAG Automontage Schinznach AG, die wie die AMAG zur Walter Haefner Holding AG gehörte.

 

Doch was brachte ein Automobilhandelsunternehmen dazu, Fahrzeuge selber im eigenen Lande zu montieren? Wie häufig bei solchen Entscheidungen war der Fiskus mit ein Grund. Auf Komplettfahrzeugen aus den USA hatten die Schweizer Zollbehörden beinahe protektionistische Zollgebühren erhoben. Teilelieferungen hingegen waren sehr günstig, denn sie schafften Arbeitsplätze.

 

Aus der Not wurde im Laufe der Jahre eine Tugend. Was aus Kostengründen in Schinznach begann, entwickelte sich schon sehr schnell zu einem Qualitätslabel. Die Fertigungsqualität der Rohkarossen, die Rostschutzbehandlung oder die zum Teil aus Schweizer Produktion verwendeten Materialien waren deutlich besser. Auch speziell für die Schweiz: «Montage Suisse»-Autos waren besser ausgestattet als ihre amerikanischen Vorbilder.

 

Willy Huter, einziger und langjähriger Direktor der Automontage brachte es schon in den Fünfziger Jahren auf den Punkt: «Das kleine Label Montage Suisse, das wir auf allen von uns montierten Fahrzeugen anbringen, muss immer für höchste Qualität bürgen». 1954 erfuhren alle Mitarbeitenden: «Vom allerersten Arbeitsgang an müssen die Facharbeiter in der Automontage sich bewusst sein, dass es ernst gilt und dass von der Qualität ihrer Arbeit der Verkaufserfolg, die Zufriedenheit der Kunden und die Sicherung der eigenen Existenz mit abhängen.»

 

Die ersten zehn Montage-Jahre können als «Plymouth-Jahre» bezeichnet werden. Bereits im ersten Jahr rollten 66 Fahrzeuge in Schinznach-Bad vom Band. Bis 1959 wurden über 7100 Fahrzeuge montiert. Im Vergleich dazu nehmen sich die 42 Chrysler, und je rund 250 De Soto und Dodge bescheiden aus. Anfang der Fünfziger war die Liefertreue aus Detroit sehr schlecht. Da war man froh, dass zur Überbrückung und Auslastung auch über 500 Standard Vanguards gebaut werden konnten. Als Ende der Fünfziger Jahre die Amerikaner immer grösser wurden und die Nachfrage zurückging, war man in Schinznach-Bad froh darüber, dass rund 1000 Einheiten des damals neuen, schnittigen Karmann-Ghia-Coupés in der Schweiz hergestellt werden konnten. Dies zur Entlastung der Produktion in Osnabrück. Während die Amerikaner komplett in Einzelteilen angeliefert wurden, lieferte Karmann komplette Rohkarossen in die Schweiz, die hier noch mit Türen und Hauben versehen werden mussten. Nach Korrosionsschutz und Lackierung fand in der Schweiz «nur» die Endmontage statt.

 

Als Intermezzo kann die kurzfristige Produktion von Studebaker-Fahrzeugen ab 1959 bezeichnet werden. Der Konkurs der US-Gesellschaft verhinderte einen grösseren Erfolg. Schweizer Kunden empfanden die grossen «Amerikaner» bald nicht mehr als sehr praktisch, europäische Alternativen waren kompakter und alltagstauglicher. Alternativen waren gefragt. Die Lösungen hiessen in den Jahren 1960 und 1961 Chrysler Valiant und Dodge Dart. Zwei für damalige US-Verhältnisse kompakte Mittelklasselimousinen, angetrieben von Reihen-Sechszylindermotoren. Die AMAG positionierte den Valiant sogar als eigenständige Marke. Damit sollte klar gezeigt werden, dass der Valiant kein grosses «Amischiff» war. Bis zur Einstellung der Montagetätigkeit in Schinznach-Bad wurden rund 14 000 Valiants gebaut. Der Dodge Dart, bautechnisch ein Schwestermodell des Valiant, brachte es auf rund 4700 Einheiten.

 

Gegen Ende der Sechziger Jahre verfiel die amerikanische Autoindustrie wieder dem Gigantismus, diesmal in Sachen Hubraum und Leistung. Das Interesse an den Valiants und Darts nahm laufend ab. Gleichzeitig hatte die AMAG mit der von VW gekauften Auto Union AG plötzlich mit Audi 90, Audi 100 oder NSU RO 80 ein neues, verbrauchsärmeres Angebot in der Mittel- und gehobenen Mittelklasse.

 

Die Nachfrage nach in der Schweiz montierten Fahrzeugen nahm laufend ab. Die Automontage konnte nicht mehr rentabel geführt werden. Hatte die Montage in Schinznach mit einem Plymouth begonnen, so lief sie 1972 mit einem Plymouth Valiant aus – nach 29 227 Einheiten.

 

 

 

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