Oldtimer

Im Blickpunkt: Die Modelle 156 und Alfasud von Alfa Romeo

 

Mehr als 680 000 Alfa Romeo 156 wurden zwischen 1997 und 2005 verkauft – damit zählt die Limousine zu einem der kommerziell erfolgreichsten Modelle in der 110-jährigen Geschichte der Marke. Der internationalen Presse wurde das Auto im Centro Cultural de Belém in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon vorgestellt. Die Botschaft war klar: Der 156er kombiniert dynamischen Stil mit einer Balance aus Leistung und sportlichem Fahrverhalten.

 

Die ersten Autos wurden mit Hinterradantrieb gebaut, aber von Anfang an faszinierte auch das Konzept des Vorderradantriebs die Konstrukteure. Diese Idee schwirrte auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Entwicklungsabteilung von Alfa Romeo. Orazio Satta Puliga und Giuseppe Busso waren vom Potenzial dieser Technologie überzeugt und starteten ein Entwicklungsprogramm mit dem Ziel, die Mittelklasselimousine Alfa Romeo 1900 zum ersten Fahrzeug der Marke mit Vorderradantrieb zu machen. Zwar fiel die Entscheidung letztlich in eine andere Richtung. Doch bereits Anfang der Fünfziger Jahre wurde bei Alfa Romeo die Idee eines Kleinwagens mit Vorderradantrieb geboren, was in der Entwicklungsabteilung zu Studien über verschiedene Arten von Antriebssträngen führte. Keines dieser Projekte erreichte allerdings die Produktionsphase.

 

Dennoch blieb Vorderradantrieb ein Thema. Ende der Sechziger Jahre entschied Alfa Romeo, sein Angebot um einen Kleinwagen unterhalb der Giulietta zu erweitern. Mit einem zusätzlichen kompakten Modell sollten Produktionszahlen und Umsatz gesteigert werden. Alfa Romeo vertraute das gesamte Projekt Rudolf Hruska an. Der Ingenieur aus Österreich war zuvor verantwortlich für verschiedene Versionen der Giulietta gewesen. Hruskas Aufgabe war einmalig. Er sollte nicht nur ein neues Modell konstruieren, sondern auch gleich das Werk dazu. Das Ergebnis war der Alfasud, das erste Fahrzeug von Alfa Romeo mit Vorderradantrieb.

 

Der Alfasud entstand sowohl auf einem weissen Blatt Papier als auf der grünen Wiese. Es war eine der seltenen Gelegenheiten, in denen eine Automobilfabrik einzig für die Herstellung eines bestimmten Modells geplant und gebaut wurde. Das betreffende Fahrzeug unterlag keinerlei technischer Einschränkungen, sollte allerdings vorgegebene Produktziele erfüllen. «Der Alfasud musste offensichtlich Vorderradantrieb haben. Und er musste ein luxuriöser Kleinwagen sein, ein Fünfsitzer mit einem sehr grossen Kofferraum», beschrieb Hruska das Projekt einige Jahre später.

 

Der 1,2-Liter-Boxermotor mit jeweils zwei horizontal gegenüberliegenden Zylindern wurde dem konventionellen Vierzylinder-Reihenmotor vorgezogen, da er niedriger baute und für ein aerodynamisches Profil der Carrosserie besser geeignet war. Die beispiellose Schrägheck-Carrosserie verbesserte den Zugang zum Kofferraum. Weil der Tank unter statt hinter der Rücksitzbank positioniert war, verblieb ein Volumen von 400 Litern für den Kofferraum.

 

Das Design des Alfasud war der erste wichtige Auftrag für Giorgetto Giugiaro. Um die Einschränkungen bei Grösse und Raumaufteilung zu berücksichtigen, erfand der junge Stylist das charakteristische Schrägheck. Die Verbindung zur aerodynamischen Front stellte er durch eine klare und stromlinienförmige Seitenlinie her.

 

Die Produktion des Alfasud startete 1972. Im selben Jahr überschritt die Zahl aller jemals gefertigten Alfa Romeo die Grenze von einer Million. Der Alfasud allein sollte diesen Wert nahezu verdoppeln. Zwischen 1972 und 1984 wurden 900 925 Einheiten des Kleinwagens produziert, nicht mitgerechnet die Version Sprint. Bis heute ist der Alfasud einer der meistverkauften Alfa Romeo aller Zeiten.

 

Neben der Sportlichkeit war Design stets ein Schwerpunkt in der Modellstrategie von Alfa Romeo. Der Alfa Romeo 164 von 1987, das erste Flaggschiff der Marke mit Vorderradantrieb, wurde vom Studio Pininfarina entworfen. Im gleichen Zeitraum wurde aber die Rolle des hausinternen Centro Stile Alfa Romeo immer wichtiger. Diese Abteilung verantwortete nicht nur das Design eines einzelnen Modells, sondern ganzer Baureihen. So stellte Alfa Romeo 1995 das Schrägheck-Modell 145 vor, ein Jahr später ergänzte der «146» mit kurzem Stufenheck das Angebot der Marke im C-Segment. Es folgte die Baureihe 916 mit dem Coupé «GTV» und dem «Spider».

 

Den Wendepunkt markierte der eingangs erwähnte 156er. Seine Farbpalette enthielt experimentelle Lackierungen, die zuvor in ähnlicher Form beim Konzeptfahrzeug Carabo (1968) und beim Alfa Romeo Montreal (1970) zu sehen war. Die Designer des Centro Stile fanden Inspiration im benachbarten Werksmuseum, das damals im selben Gebäude wie heute untergebracht war. In Anlehnung an die Farbe des ausgestellten Alfa Romeo 8C 2900 B von 1938 erfanden sie den Mehrschichtlack Nuvola Blau, der mit einem Glimmereffekt das Auto regelrecht zum Glitzern bringt.

 

Zum Start des «156» wurden sechs Motorvarianten angeboten. Ein V6-Benziner wurde von drei Twin-Spark-Aggregaten mit Doppelzündung begleitet. Diese Technologie, erstmals von Konstrukteur Giuseppe Merosi schon 1914 eingesetzt, war im Laufe der Jahre das Merkmal einer ganzen Reihe legendärer Motoren der Marke. Im «156» wurden zwei Zündkerzen pro Zylinder erstmals mit vier Ventilen kombiniert. Der «156» war das erste Serienauto der Welt, in dem Dieselmotoren mit Direkteinspritzung nach dem heute weit verbreiteten Common-Rail-Verfahren eingesetzt wurden. Die Turbodiesel mit 1,9 oder 2,4 Liter Hubraum waren am Kürzel JTD zu erkennen. Der «156» eroberte weltweit die Herzen: 1998 gewann er als erstes Modell von Alfa die internationale Auszeichnung «Auto des Jahres».

Neuste Artikel: Oldtimer