Oldtimer

Tipo 33, Carabo, Montreal: Blick zurück in die 60er mit Alfa

 

Wir sind in den späten Sechziger Jahren. Bei Alfa Romeo erscheint der «Tipo 33 Stradale», entworfen von Franco Scaglione. Zum Renommée des Autos zählen Rennsiege, und es hat einen Zwillingsbruder – das Showcar Carabo von Bertone-Designer Marcello Gandini. Unterschiedlicher können die beiden Fahrzeuge kaum sein. Der eine zeigt Muskeln, der andere besteht fast nur aus geraden Kanten und scharfen Winkeln.

 

1964 entschied der damalige Alfa-Präsident Giuseppe Luraghi die Rückkehr in den Rennsport. Um keine Zeit mit dem Aufbau eines eigenen Werksteams zu verlieren, erwarb Luraghi die ursprünglich in Udine beheimatete Firma Autodelta. Sie war bereits Partner von Alfa bei der Produktion des Modells TZ. Zusammen mit Autodelta kehrte Carlo Chiti, der bereits von 1952 bis 1957 für Alfa gearbeitet hatte, als Teamleiter zurück. Luraghi beauftrage Chiti mit der Entwicklung eines Rennwagens, der in der Sportwagen-WW und an Bergrennen für Medienaufmerksamkeit sorgen sollte. Noch 1964 begannen die Arbeiten am Projekt Tipo 33, worauf Autodelta den Firmensitz von Udine nach Settimo Milanese in der Nähe von Mailand verlegte. Damit reduzierte sich die Distanz zum Alfa-Werk in Portello, vor allem aber zur Teststrecke in Balocco an der Autobahn zwischen Mailand und Turin.

 

Alfa konstruierte zunächst den tragenden Rahmen für den Tipo 33, das erste Exemplar wurde 1965 an Autodelta geliefert. Der Rahmen bestand aus drei H-förmig miteinander verschweissten Röhren aus einer Aluminiumlegierung. Die Tanks waren in die seitlichen Hohlräume integriert. Ein aus Magnesium gefertigter Hilfsrahmen vorn nahm die Vorderradaufhängungen, die Kühler, die Lenkung und die Pedale auf. Motor und Getriebe waren in Längsrichtung hinter dem zweisitzigen Cockpit montiert. Die Carrosserie bestand aus Glasfaser, um das Fahrzeuggewicht auf 600 Kilo zu
bringen – das vom Reglement geforderte Mindestgewicht. Nach fast zwei Jahren war der Tipo 33 bereit. Für die ersten Testfahrten installierten die Techniker den 1,6-Liter-Vierzylinder des GT-Sportwagens TZ2. Parallel dazu wurde ein neuer Zweilter-V8 mit anfangs 230 PS entwickelt.

 

Die erste Version des Tipo 33 erhielt den Spitznahmen «Periscopica», weil der über den Überrollbügel hinausragende Lufteinlass des Motors an das Periskop eines U-Boots erinnerte. Die Premiere fand am 12. März 1967 bei einem Bergrennen im belgischen Fléron bei Lüttich statt. Pilot war der Cheftestfahrer von Autodelta, Teodoro Zeccoli: Er fuhr den Alfa zum Sieg.

 

Das ermunterte Alfa, eine Strassenversion zu entwickeln. Die Aufgabe wurde Franco Scaglione anvertraut, 1916 als Spross einer Adelsfamilie in Florenz geboren. Er studierte Luft- und Raumfahrttechnik, bis er zum Militär eingezogen wurde. 1941 geriet er an der libyschen Front in Kriegsgefangenschaft, kehrte 1946 nach Italien zurück. Statt sein Studium fortzusetzen, schlug er die Karriere eines Automobildesigners ein. Er arbeitete zunächst für Pinin Farina, dann bei Bertone. Später war er freiberuflich. Scaglione steckte sein gesamtes technisches Knowhow und seinen kreativen Mut in das Design des Tipo 33 Stradale.

 

Die Motorabdeckung lässt sich als Ganzes öffnen, um den Zugang zu den mechanischen Komponenten zu erleichtern. Zum ersten Mal hatte ein strassenzugelassenes Auto Flügeltüren. Sie sahen nicht nur spektakulär aus, sie erleichterten auch das Einsteigen in das weniger als einen Meter hohe Fahrzeug. Hauptunterschiede zum Rennwagen waren die Verlängerung des Radstands um zehn Zentimeter und die Verwendung von Stahl anstelle von Aluminium für den H-förmigen Rahmen.

 

Der Motor war identisch mit der Rennversion. Er bestand nahezu vollständig aus Aluminium- und Magnesiumlegierungen, verfügte über eine Saugrohreinspritzung für den Treibstoff und Trockensumpfschmierung für den Ölkreislauf. Beide Zylinderbänke waren mit zwei obenliegenden Nockenwellen sowie zwei Ventilen und zwei Zündkerzen pro Zylinder ausgerüstet. In einem so leichten Auto ermöglichte die Leistung von 230 PS eine Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h (0 – 100: 5,5 Sekunden).

 

Einem breiten Publikum stellte Alfa Romeo den Tipo 33 Stradale auf dem Turiner Autosalon 1967 vor. Eine Handvoll Experten hatten zuvor schon die Gelegenheit – im Rahmen vom Grand Prix Monza am 10. September. Beim Marktstart war das Fahrzeug der teuerste Sportwagen, kostete damals fast 10 Millionen italienische Lire, nicht sechs oder sieben wie die Konkurrenten. Nur zwölf Exemplare vom Tipo 33 mit Scaglione-Carrosserie wurden gebaut. Heute ist das Auto fast unbezahlbar.

 

Das Streben nach verschiedenen Stilen führte Alfa Romeo auch in völlig andere Richtungen. So war die Idee eines «Autos der Zukunft» schon 1952 mit dem von Touring entworfenen Modell 1900 C52 umgesetzt worden. Das Design des flachen Spider mit ausgeprägten Kotflügeln war so futuristisch, dass sich der Spitzname «Disco Volante» (Fliegende Untertasse) durchsetzte.

 

Der Salon Paris 1968 sah die Premiere eines Autos, das die Weiterentwicklung dieser radikalen Idee darstellte. Das Konzeptfahrzeug Carabo war ein frühes Werk von Bertone-Designer Marcello Gandini, zu diesem Zeitpunkt erst 30 Jahre alt. Der Carabo basierte auf der Mechanik des Tipo 33 Stradale, die in dieser Ära auch von anderen Designern für Einzelstücke verwendet wurde. Zu ihnen zählte der Iguana von Giorgetto Giugiaro, das 33.2 Coupé Speciale und der Cuneo von Pininfarina sowie der Navajo von Bertone.

 

In der Höhe ähnelten sich Tipo 33 Stradale und Carabo, aber die geschwungenen Linien waren vollständig verschwunden. Alles am Carabo war scharfkantig, von der Keilform bis zu den Scherentüren. Der Name Carabo war vom Goldlaufkäfer (Carabus auratus) inspiriert, denn Gandini hatte dem Showcar in dessen Farbe lackieren lassen: ein schillerndes Grün mit orangefarbenen Details. Der Carabo bildete den Startpunkt für die Strategie von Alfa Romeo, extravaganten Farben und speziellen Lackiertechniken besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

 

Dieselbe Idee steckte auch hinter den Lackierungen des «Montreal». Er fiel mit einer aussergewöhnlichen Palette an Pastell- und Metallic-Farben auf: von Grün bis Silber, von Orange bis Gold. Gebaut wurde er aus folgendem Grund: 1967 stellten zahlreiche Nationen ihre besten technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften auf der Weltausstellung in Montreal/Kanada aus. Die Organisatoren der Expo baten Alfa Romeo, ein technologisches Symbol zu schaffen, ein Fahrzeug stellvertretend für «Das höchste Streben des modernen Menschen im Bereich Automobil». Orazio Satta Puliga und Giuseppe Busso von Alfa Romeo holten das Designstudio Bertone zur Unterstützung an Bord. Marcello Gandini wurde mit der Gestaltung von Carrosserie und Interieur beauftragt. Das öffentliche Interesse bewog Alfa dazu, eine Serienversion zu entwickeln, die 1970 in Genf vorgestellt wurde. Im Gegensatz zum Expo-Konzeptwagen hatte das Seriensuto einen V8, der auf dem Motor des Tipo 33 Stradale basierte. Im Sinne höherer Alltagstauglichkeit waren der Hubraum auf 2,6 Liter erhöht und die Leistung auf 200 PS gesenkt.

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