Oldtimer

Im Rückspiegel: Der grosse Benz ist 90 geworden

 

Oktober 1930: Mit dem Modell 770 präsentiert der Stuttgarter Autobauer auf dem Salon Paris den sogenannten «Grossen Mercedes». Das intern mit «W 07» bezeichnete repräsentative Fahrzeug bietet für damalige Verhältnisse viel Fahrkomfort und aussergewöhnliche Fahrleistungen dank Achtzylinder-Reihenmotor (7,7 Liter Hubraum).. Das grösste, schwerste und weitaus teuerste Modell des Unternehmens sichert der damaligen Daimler-Benz AG eine Spitzenposition im internationalen Automobilbau. Trotzdem bleibt es eine Rarität auf der Strasse: Zwischen 1930 und 1938 entstehen nur 117 Exemplare in verschiedenen Ausführungen. Abgelöst wird die Baureihe «W 07» vom «W 150» mit der identischen Modellbezeichnung «770 Grosser Mercedes».

 

Im Mercedes-Museum in Stuttgart-Untertürkheim sind zwei «W 07»-Modelle zu entdecken. Zum einen das 1932 als Sonderanfertigung hergestellte Cabriolet F von Kaiser Wilhelm II., der in jenen Jahren im niederländischen Exil lebt. Den Kühler ziert statt des Mercedes-Sterns das Hohenzollernwappen. Die Aussenfarbe Marineblau ist des Kaisers Reverenz an die deutsche Seeflotte. Direkt daneben steht die Pullman-Limousine des japanischen Kaisers Hirohito, die 1935 als eines der ersten Automobile überhaupt in beschusssicherer Sonderschutzausführung ausgeliefert wird. Eine mehrschichtige und dicke Verglasung der Seiten- und Heckscheiben sowie eine Panzerung von Dach und Türen sind Teil der Schutzmassnahmen.

 

Nach zweijähriger Entwicklungsarbeit beschliesst der Vorstand in einer Sitzung am 6. März 1930, den W 07 zur Serienreife zu bringen und die Nürburgring-Erprobung bis Ende Mai des Jahres abzuschliessen. Am 6. Juni 1930 resümiert der neue Vorstandsvorsitzende Wilhelm Kissel: Die «Entwicklung eines neuen grossen Wagens» sei erforderlich gewesen, um wieder ein aktuelles Luxusklassefahrzeug im Modellprogramm zu haben.

 

Anders als mancher Wettbewerber entscheidet sich das Team um den Leiter des Konstruktionsbüros Hans Nibel und Motorenentwicklungschef Albert Heess nicht für ein Triebwerk mit zwölf Zylindern, sondern für einen Achtzylinder-Reihenmotor mit 7,7 Liter Hubraum. Seine Maximaldrehzahl liegt bei 2800 Touren, die Leistung bei 150 PS. Wird der Roots-Kompressor beim vollständigen Durchdrücken des Gaspedals zugeschaltet, sind es 200 PS. Bei einem Minderpreis von 3100 Reichsmark kann der «Grosse Mercedes» auch ohne Kompressor bestellt werden. Dafür entscheiden sich allerdings nur 13 der 117 Kunden.

 

Die Kraftübertragung erfolgt über ein Dreiganggetriebe, das durch ein nahezu geräuschloses Maybach-Schnellganggetriebe ergänzt wird. Es ist zu jedem der drei Vorwärtsgänge zuschaltbar. So stehen in der Praxis sechs Gänge zur Verfügung. Die weiteren Eckpunkte: Benzinverbrauch etwa 30 Liter, Tankinhalt 120 Liter, Spitze mit aktiviertem Kompressor etwa 160 km/h, Gewicht des Fahrgestells 1950 Kilo, Gewicht komplettes Fahrzeug 2700 Kilo, Radstand 3,75 Meter, Fahrzeuglänge 5,60 Meter.

 

Die Carrosserien vom «Grossen Mercedes» werden im Sonderwagenbau im Werk Sindelfingen hergestellt. Endmontage und Übergabe an die Kunden erfolgt in Stuttgart-Untertürkheim. Zunächst wird die insgesamt 42-mal produzierte Pullman-Limousine mit sechs bis sieben Plätzen angeboten. Die Cabriolets B, C, D und F sowie ein offener Tourenwagen ergänzen die Carrosserieauswahl im September 1932. Hinzu kommen Aufbauten einiger privater Carrossiers wie beispielsweise Erdmann & Rossi.

Neuste Artikel: Oldtimer