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Rückblick: Ein Tag im schnellen Audi Avant RS2 von 1994

 

Bei seiner Markteinführung 1994 ist er der schnellste Kombi der Welt und zugleich der erste Audi, der die 250 km/h-Marke knackt: Der Audi Avant RS2 begeistert seine Fangemeinde als sportliches Familienauto mit viel Platz und einem ganz besonderen Turboerlebnis. Er entsteht als Kooperationsprojekt zwischen Audi und Porsche und steht in der mehr als 90-jährigen Tradition von Fremdentwicklungen durch Porsche.

 

1931 gründete Ferdinand Porsche sein Konstruktionsbüro in Stuttgart. Seitdem ist der Name Porsche eng mit Kundenentwicklungsprojekten verbunden. Heute wird diese Tradition durch die hundertprozentige Tochtergesellschaft «Porsche Engineering» fortgesetzt.

 

Während Audi mit dem RS2 das Image verbessern und dem Konkurrenzfahrzeug BMW M3 die sportliche Stirn bieten wollte, kann das Unternehmen Porsche durch Fremdentwicklungen wie diese seine Mannschaft in wirtschaftlich schwierigen Zeiten halten. Und natürlich auch den Mythos Porsche an Audi-Käufer weitergeben. 25 Jahre nachdem der letzte RS Avant gebaut wurde, trifft Ralf Friese, Unternehmenshistoriker bei Audi, auf Michael Hölscher, damals Projektleiter des RS2 bei Porsche. Während Friese den RS2 in Tropic Grün aus Ingolstadt mitgebracht hat, stellt das Porsche Museum den 911 (Generation 964) in Violametallic für eine Ausfahrt zur Verfügung. Letzterer ist ebenso wie der 911 (Generation 993) Teilepate von Blinkern, Nebelleuchten und dem Semi-Leuchtenband des RS2. Die Männer, beide Motorrad-Enthusiasten, entscheiden sich für eine kurvige Fahrt über die einstige Solitude-Rennstrecke westlich von Stuttgart.

 

Auf dem Vorplatz des Porsche Museums erzählt Hölscher, wie es zum Kooperationsprojekt gekommen ist: «Wir kreierten wenige Jahre zuvor mit Mercedes-Benz das Modell 500 E und empfahlen uns dank schneller und qualitativer Ergebnisse als Entwicklungsdienstleister.» 1993 kündigt Audi den Kombi bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt an, im März 1994 kommt das Fahrzeug bereits auf den Markt – trotz Zeit- und Budgetnot pünktlich. Eine Win-win-Situation in wirtschaftlich angespannten Zeiten.

 

«Bei der geringen Stückzahl von 2891 Exemplaren sieht man den RS2 mittlerweile sehr selten», sagt Hölscher. Und erzählt, dass sein Team den Audi im historischen Rössle-Bau fertigte, im selben Gebäude wie einst den Mercedes-Benz 500 E, der in diesem Jahr sein 30-Jähriges feiert. Die lackierten Carrosserie-Anbauteile lieferte Audi, den Rest erledigte Porsche, die logistischen Herausforderungen meisterten die Kooperationspartner bravourös.

 

Der Kombi mit 2,2-Liter-Reihenfünfzylinder, Allradantrieb und 315 PS polarisiert vor allem durch seinen Turbolader. «Damals wie heute fühlt sich das konstruktionsbedingt starke Turboloch wie die sprichwörtliche Faust im Rücken an – die einen mochten den plötzlichen Schlag nicht so, die stolzen Besitzer des RS2 haben den Turbolader immer geliebt. Das Ansprechverhalten des Turbotriebwerks ist sensationell, vor allem aus dem unteren Drehzahlbereich», berichtet Hölscher und möchte endlich losfahren. Friese steigt in den Porsche 911 (Generation 964), es ist das erste Mal, dass der gebürtige Badener einen Elfer fährt. Später, nach der Solitude-Runde, wird er sagen, dass er «völlig neue Fahreindrücke» gewonnen habe und von «diebischem Spass» schwärmen.

 

Hölscher zählt auf, welche Porsche-Teile ihren Weg in den Audi geschafft haben oder in Zuffenhausen neu entwickelt wurden: die 17-Zoll-Leichtmetallräder aus dem Cup-Fahrzeug, die Aussenspiegel samt neu konstruierter Spiegelfüsse, die charakteristisch roten Hochleistungsbremsen, der Porsche-Schriftzug als Neuteil im RS-Logo, die Stossfänger vorne und hinten, das Semi-Leuchtenband, die Zifferblätter und Türöffner. «Etwa 20 Prozent des RS2 sind von Porsche», schätzt Hölscher. Den Motor überarbeitete sein Team grundlegend mit Neuteilen. «Am wichtigsten war uns, dass der Porsche-Charakter sofort erkennbar und die Familienzugehörigkeit klar ist.»

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