Dennis Schneider (Text)
Manchmal braucht Geschichte nur einen Namen, um schlagartig unruhig zu werden. Adolf Rosenberger ist so ein Name. Jahrzehntelang Randnotiz, jetzt Mittelpunkt. Eine neue Studie holt den jüdischen Rennfahrer, Unternehmer und Porsche-Mitgründer aus dem Schatten – nicht pathetisch, sondern präzise, quellengesättigt und überraschend lebendig.
Die Untersuchung steht unter der Leitung des Bonner Zeithistorikers Professor Dr. Joachim Scholtyseck und geht auf einen gemeinsamen Auftrag der Adolf Rosenberger GmbH und der Porsche AG aus dem Oktober 2022 zurück. Heute, nach Abschluss der Arbeiten, liegt das Ergebnis vor: erstmals eine vollständige, unabhängige Biografie, getragen von allen verfügbaren Archiven. Ausgewertet werden nicht nur die Bestände des Porsche-Unternehmensarchivs, sondern erstmals auch der Familiennachlass Rosenbergers, ergänzt durch nationale und internationale externe Quellen. Was jahrzehntelang fragmentarisch blieb, ist nun zusammengeführt – und öffentlich nachvollziehbar.
Rosenberger, geboren 1900 in Pforzheim, ist in den 1920er-Jahren eine schillernde Figur. Erfolgreicher Rennfahrer, bestens vernetzt, unternehmerisch wach. Als am 25. April 1931 Ferdinand Porsche, Anton Piëch und Adolf Rosenberger die Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH gründen, ist Rosenberger mehr als ein stiller Teilhaber. Er bringt Startkapital ein, organisiert Finanzen, pflegt Kundenkontakte und prägt das junge Konstruktionsbüro in seiner Frühphase entscheidend. Ohne ihn läuft wenig. Mit ihm läuft es erstaunlich gut.
Dann kippt die Zeit. 1933 legt Rosenberger die Geschäftsführung nieder – offiziell aus wirtschaftlichen Gründen. Kurz darauf wird aus Distanz Bedrohung. Als Jude gerät er nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunehmend unter Druck. 1935 muss er seine Gesellschaftsanteile zum Nominalwert abgeben. Es ist kein Geschäft, es ist ein Verlust unter Zwang. Zeitweise ist er im Konzentrationslager Kislau inhaftiert. Von Paris aus betreut er bis Ende 1937 noch Patente und Lizenzen für Porsche im Ausland, doch auch diese Verbindung wird gekappt. 1938 bleibt nur die Emigration in die USA.
Dort nennt er sich Alan A. Robert und versucht noch einmal neu anzufangen. Mit wechselndem Erfolg, nie wirklich nachhaltig. Ein Restitutionsverfahren endet 1950 mit einem Vergleich, der finanziell enttäuscht. Weitere Wiedergutmachungsverfahren mit dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Pforzheim verlaufen zäh, teils ernüchternd. Auch der Versuch, nach dem Krieg wieder geschäftlich mit Porsche anzuknüpfen, bleibt erfolglos. Rosenberger stirbt 1967 in Los Angeles. Erfolgreich gewesen, ja. Angekommen, kaum.
Die Studie erzählt diese Geschichte nun vollständig – ohne Auslassungen, ohne Beschönigungen. Untersucht werden 19 klar definierte Leitfragen, vom Aufwachsen in Pforzheim über das Kennenlernen Ferdinand Porsches bis zu den Gründen für Rosenbergers Ausscheiden aus Geschäftsführung und Gesellschafterkreis. Im Fokus steht nicht nur das Was, sondern das Warum. Warum musste er gehen? Unter welchen Umständen? Und warum blieb sein Beitrag so lange unsichtbar?
Professor Scholtyseck formuliert es so: Es geht darum, Rosenberger ein Gesicht zu geben und zugleich zu analysieren, warum ein erfolgreicher Rennfahrer und Unternehmer als Jude systematisch aus der Wirtschaft gedrängt wird. Die Ergebnisse sind differenziert, manchmal ernüchternd, immer quellengestützt. Genau darin liegt ihre Stärke.
Möglich wird diese Tiefe durch eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Die Porsche AG öffnet ihr Archiv vollständig. Die Familie Rosenberger stellt erstmals umfangreiche Dokumente aus dem US-amerikanischen Nachlass zur Verfügung. Zwei wissenschaftliche Workshops begleiten das Projekt, mit ausgewiesenen Experten wie Werner Plumpe, Frank Bajohr, Andreas Wirsching und dem US-Historiker Peter Hayes. Finanziert wird die Studie von Porsche, inhaltlich bleibt sie ergebnisoffen. Eine seltene, aber entscheidende Kombination.
Achim Stejskal, Leiter Porsche Heritage und Porsche Museum, spricht von einer geschlossenen Lücke in der frühen Unternehmensgeschichte. Dr. Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG, betont die Verantwortung, die aus dieser Vergangenheit erwächst. Erinnerung ist hier keine Pflichtübung, sondern Gegenwartsaufgabe.
Die Ergebnisse sind bereits im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums am Institut für Zeitgeschichte in München vorgestellt worden. Kurz darauf ist die Biografie «Adolf Rosenberger. Rennfahrer, Porsche-Mitgründer, Selfmademan. Eine Enttäuschungsgeschichte» im Siedler Verlag erschienen, begleitet vom Verkaufsstart zur Frankfurter Buchmesse. Eine englischsprachige Ausgabe liegt inzwischen ebenfalls vor, eine Buchpräsentation in den USA ist geplant.
Am Ende bleibt kein Heldenepos, sondern etwas Wertvolleres: eine präzise erzählte Lebensgeschichte zwischen Aufbruch und Verdrängung, Erfolg und Verlust. Adolf Rosenberger kehrt nicht als Denkmal zurück, sondern als Mensch mit Brüchen. Genau so wirkt Erinnerung am stärksten.