Automobil

Der Ur-Mini lebt – als Modell «Meanie» mit Schweizerpass

 

Unschuldig steht er da – lackiert im sportlichen British Racing Green. Und dennoch so, als könnte er kein Wässerchen trüben. Doch der Schein trügt: Im kleinen Flitzer pocht ein grosses Herz – in Form eines durchzugsstarken Mittelmotors mit 2,0 Liter Hubraum, Turboaufladung und 220 PS, der allerdings von VW stammt. Damit spurtet der «Meanie» (engl. = fies) in weniger als vier Sekunden auf Tempo 100, die Tachonadel bleibt bei elektronisch abgeriegelten 200 km stehen.

 

Seine Geschichte ist spannend. Am Anfang steht 2013 die Semesterarbeit des Maschinenbaustudenten Raffael Heierli an der «Hochschule für Technik» in Rapperswil (SG). Der Titel lautet: «Strukturanalyse zur Konstruktion eines Mittelmotor-Sportwagens in Oldtimer-Optik, zulassungsfähig und in kleiner Serie umsetzbar». Sein Fahrzeug der Wahl war ein klassischer Mini in einer Version der späten 90er Jahre.
Die Sache hatte jedoch einen Haken: Das Auto bestand nur auf dem Papier. Der heute 28jährige Raffael Heierli fragte den Unternehmer Walter Frey um Unterstützung an. Der hatte offene Ohren für das Anliegen – schliesslich hatte seine Emil Frey Gruppe den Ur-Mini jahrzehntelang importiert. Er selbst war auf einem «Cooper S» Rennen gefahren.
Zusammen mit seinen beiden Studienkollegen Marc Bernhard und Adrian Spinnler machte Heierli sich in einer Hinterhofwerkstatt an die Arbeit. Die neu-alte Roh-Carrosserie wurde von «British Motor Heritage» gekauft. Äusserlich sollte sich der Meanie nicht vom Original unterscheiden, doch unter dem Blechkleid entstand ein sehr modernes Fahrzeug. Motor, Getriebe, Rohrrahmen, Bremsen, Kühlsystem, Abgasanlage und zwei Schalensitze mit Renngurten wurden eigens entwickelt oder aus aller Welt bezogen.

 

17 Wochen und rund tausend Arbeitsstunden später stand der Prototyp fahrbereit auf den Felgen, als Zweiplätzer und ohne Kofferraum. Ein umfangreiches Testprogramm mit Fahrten auf der Autobahn, der Rennstrecke, über Pässe und im städtischen Stop-and-Go begann. Das 847 Kilo leichte Auto zeigte keine Schwächen, seine unbändige Kraft liess sich bei Bedarf sehr kontrolliert auf die Strasse bringen. Für diese Bachelorarbeit, die 2014 auch die Prüfungsexperten überzeugte, erhielten die Studenten ihr Diplom.

 

Dann wollte Raffael Heierli noch die EU-Kleinserien-Typengenehmigung und damit die Strassenzulassung erreichen. Dazu tat er sich mit den beiden Emil-Frey-Betrieben «Classics AG» und «Roos Engineering Ltd» als Hersteller zusammen. Es folgten 18 Monate harter Arbeit. So musste Heierli 17 000 Seiten Reglemente durchackern. In einer kiloschweren Dokumentation beschrieb er den «Meanie» bis ins kleinste Teil, ebenso den Herstellungsprozess. Dazu galt es eine Vielzahl von Tests zu absolvieren – unter anderem beim unabhängigen deutschen Prüflabor «Fakt». Für den Crashtest wurde zum Beispiel ein Abbruch-Mini mit den realen Gewichten des Meanie versehen und gegen die Wand gefahren. Auch «exotische» Tests über die elektromagnetische Verträglichkeit und die Verdunstungsemissionen waren beizubringen. Selbstverständlich musste der «Meanie» die aktuell gültigen Abgas-, Lärm- und Sicherheitsvorschriften erfüllen.

 

Nach diversen Nachbesserungen klappte es schliesslich: Im Herbst 2016 erhielten die stolzen Macher die Strassenzulassung und die Genehmigung für die Produktion einer Kleinserie. Sie erlaubt die Herstellung von jährlich bis zu tausend Fahrzeugen. Trotzdem erhält die Schweiz damit keine Automobilindustrie. Da der «Meanie» wegen hoher Materialkosten, aufwändiger Konstruktion und viel Handarbeit nicht rentabel gebaut werden könnte, soll die «Serienproduktion» nach fünf Exemplaren auslaufen. «Wir statten die Autos nach der feinen britischen Art aus, unter anderem mit Leder und Alcantara», verspricht Heierli.



 

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