Automobil

Interview: Wittmann, Generaldirektor Renault Suisse SA

 

«Durch meine Adern fliesst wohl auch ein wenig Benzin – nicht immer zur Freude meiner Frau!»

Viele Oldtimer, eine alte Tankstelle und Rennrunden auf dem Nürburgring – das wünscht sich Olivier Wittmann. Wie seine berufliche Realität aussieht, warum Dacia ihm Freude macht, wie er Renault pusht und was er von der Formel 1 hält, schildert der Renault-Generaldirektor hier

 

Interview: Heinz Schneider

 Herr Wittmann, wir starten mit den guten Nachrichten. Renault-Tochter Dacia erreicht in der Schweiz 2,8 Prozent Marktanteil, lässt damit etablierte Konkurrenten wie Volvo oder Hyundai hinter sich.
Olivier Wittmann: Wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden, der Marktanteil ist der höchste in der bisherigen Geschichte. Am meisten gefragt sind Sandero und Duster. Beide sind auch in Europa sehr beliebt: Sandero ist die Nummer Eins in seinem Segment, Duster steht auf Rang Drei, wenn man die Verkäufe an Privatkunden betrachtet – also ohne Flottenkunden.

 

Was fehlt der Marke noch, um in der Schweiz mit den Grossen mitspielen zu können?
Olivier Wittmann: Image und Qualität sind gut, die Preis-Positionierung ist unschlagbar. Und die Restwerte befinden sich im Occasionsmarkt unter den Besten – besonders beim Duster. Selbstverständlich wären noch mehr Modelle und ein breiteres 4x4-Angebot hilfreich. Aber es geht in die richtige Richtung.

 

Zum Beispiel wohin?
Olivier Wittmann: Diesen Sommer bekommen wir noch mehr Power. Der neue 1,3-Liter-Turbobenziner mit Partikelfilter liefert dann 130 beziehungsweise 150 PS mit Allradantrieb. Damit werden wir viele überzeugen. Überdies setzen Schweizer Kunden vermehrt auf Automatikgetriebe. Da legen wir im Portfolio noch zu.

 

Wo Licht ist, gibts Schatten. Und der fällt momentan auf Renault. 2017 haben Sie und ihr Team 13 873 Personenwagen verkauft – 2018 waren es nur noch 12 729 Einheiten, also 8,2 Prozent weniger. Damit sank auch der Marktanteil von 4,4 auf aktuell 4,2 Prozent.
Olivier Wittmann: Die Einführung des neuen Emissions-Messprotokolls WLTP hatte schon gewisse Auswirkungen. Das erste Halbjahr war gut, dann sind wir etwas zurückgefallen. Ich würde aber von einem stabilen Ergebnis sprechen. Wir stellen immer wieder fest, dass die Schweiz ein starker Premiummarkt ist. Daher verkaufen wir, vor allem von den grösseren Modellen, viele Exemplare in der Top-Ausstattungslinie «Initiale Paris». Sie beinhaltet alle Features, die bei Premiummarken extra zu bestellen sind. Auch zeichnet sich die Schweiz durch einen extrem hohen Anteil an Allrad aus. Hier können wir nicht bei allen Modellen etwas anbieten.

 

Sie hätten gerne mehr Allradautos?
Olivier Wittmann: Absolut. Bei den Neuwagen beträgt ihr Verkaufsanteil schon mehr als 50 Prozent. Allerdings ist das einzigartig, nirgendwo auf der Welt sind soviele Kunden bereit, mehr Geld für 4x4 auszugeben. Das führt manchmal dazu, dass unsere Anregungen in den Entwicklungsabteilungen zwar gehört, aber nicht immer umgesetzt werden.

 

Welche Massnahmen ergreifen Sie, damit es 2019 für Renault wieder aufwärts geht?
Olivier Wittmann: 2019 gibt es ein Feuerwerk an Neuheiten. Im Rahmen des Genfer Autosalons haben wir den neuen Twingo und den Clio präsentiert, der im Spätsommer auf den Markt kommt. Er ist der meistverkaufte Renault sowohl in der Schweiz als auch weltweit. Wir sind überzeugt, dass er durch die Revolution, die er im Interieur erfahren hat, wieder Marktführer sein wird. Er bietet den grössten Touchscreen seiner Klasse, hochwertige, weiche Materialien im Innenraum und alle Fahrassistenzsysteme, die man aus grösseren Klassen kennt. Und mit seinem Autobahn- und Stauassistenten fährt er teilautonom.

 

Ebenfalls in Genf zu sehen war der Alaskan als «ICE Edition». Sondermodelle wie dieses künden oftmals das Ende einer Serie an. Steht die neue Baureihe schon bald bereit?
Olivier Wittmann: Der Alaskan ist erst seit Herbst 2017 im Markt und somit einer der jüngsten Pickups. Wir sind sehr zufrieden mit ihm, er hat in seinem ersten vollen Verkaufsjahr bereits 4,5 Prozent des Segments gewonnen. Mit der «ICE Edition» wollten wir in Genf Aufmerksamkeit erregen. Das ist uns gelungen, er sieht ja in Weiss und mit den schwarzen Strippings auch wirklich echt stark aus.

 

Apropos Salon: Da hat sich Renault auf 2892 Quadratmetern präsentiert. Etwas grösser, nämlich 3092 Quadratmeter, war nur der VW-Stand.
Olivier Wittmann: Genf ist jedes Jahr ein Highlight im Kalender und für uns ein absolutes Muss. Wir stärken damit die Präsenz und die Kontakte. Mit der «Formel 1 Competition», der Clio-Show und der Zuckerwatte, die man sich auf dem Dacia-Stand durch Velofahren hat erarbeiten können, haben wir in diesem Jahr auch Entertainment geboten. Das erwarten die Besucher. Genf ist aber definitiv keine Verkaufs-, sondern eine Imageshow.

 

Als Generaldirektor von Renault Suisse haben Sie eine spezielle Ausgangslage: Sie sind in dieser Funktion sowohl für die Schweiz als auch Österreich verantwortlich. Wie unterscheiden sich die beiden Märkte?
Olivier Wittmann: Eine spannende Frage. Die zwei Nachbarländer sind etwa gleich gross und landschaftlich ähnlich, aber gleichzeitig sehr verschieden. Vor allem was das Neuwagengeschäft betrifft. Schweizer bevorzugen Benzinmotoren mit High-Power und in Kombination mit 4x4 und Automatikgetriebe, was mit der höheren Kaufkraft zu tun hat. Die macht sich überdies auch in der Dominanz der Premiummarken bemerkbar. Der österreichische Markt ist näher am deutschen und verlangt kaum Allradantrieb – trotz vieler Berge. Dafür legt Österreich beim Thema Elektromobilität vor.

 

Wie bringen Sie die beiden Verantwortlichkeiten unter einen Hut?
Olivier Wittmann: Ich pendle jede zweite Woche hin und her. Das garantiert einen regelmässigen Rhythmus, auf den sich die Teams beider Länder einstellen können.
Das erfordert natürlich etwas mehr Terminplanung im Vorfeld, aber es geht. In der Freizeit bedeutet es, dass ich an beiden Orten Mitglied eines Eishockeyvereins bin. Sie zu vergleichen wäre übrigens auch sehr spannend.

 

Sie haben bislang in Ihrer Karriere in Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich und den Niederlanden gearbeitet und waren für die Regionen Afrika, Mittlerer Osten und Indien verantwortlich. Wo gefiel es Ihnen am besten?
Olivier Wittmann: Schwer zu sagen. Jedes Land hat seine Vorzüge und interessanten kulturellen Eigenheiten. Das ist das Tolle an der Automobilindustrie: Man kann im selben Konzern viele verschiedene Aufgaben und Länder kennenlernen. Ich schätze das sehr. Aber die Schweiz hat schon Charme – besonders, wenn man wie ich ein grosser Wintersportfan ist.

 

Kommen wir auf die Renault-Modellpalette zurück. Ich vermisse die Hybridautos.
Olivier Wittmann: Der neue Clio wird bereits nächstes Jahr den Hybridmotor haben. Damit fährt er 80 Prozent der innerstädtischen Strecken elektrisch. Hinzu kommt – ebenfalls 2020 – ein Plug-in Hybrid für die Modelle Captur und Mégane. Mit diesen beiden werden Sie ebenfalls die meiste Zeit elektrisch unterwegs sein können.

 

Die E-Mobilität als grosses Thema: Wie ist Renault diesbezüglich aufgestellt?
Olivier Wittmann: Die Marke ist Pionier und seit Jahren europäischer Marktführer für vollelektrische Fahrzeuge – mit den Modellen «Zoe» im Kleinwagensegment und dem «Kangoo Z.E. Zero Emission» bei den Leichttransportern führen wir auch die Verkaufsstatistiken in der Schweiz an. Wir werden bis 2022 acht neue vollelektrische Modelle auf den Markt bringen.

 

E-Mobilität und F1-Rennwagen gingen bei Renault bis vor kurzem Hand in Hand.
Olivier Wittmann: Das stimmt. Das Team «e.dams» hat die Formel E in ihrer kurzen Geschichte drei Mal für sich entschieden. Da haben wir viel Neues über Motortuning und Energierückgewinnung gelernt. Jetzt treibt Allianzpartner Nissan das Engagement in der Formel E weiter – und wir konzentrieren uns wieder voll auf die Formel 1.

 

Dort kann man kaum Geld, aber sicherlich viel Image holen. Was kostet eine F1-Saison?
Olivier Wittmann: Renault engagiert sich seit über 40 Jahren in der Formel 1. In dieser Zeit haben wir zwölf Weltmeistertitel und 174 GPs gewonnen. Es macht mich jeden Rennsonntag stolz, dass wir mit einem eigenen Team vertreten sind und so Forschung und Entwicklung auf allerhöchstem Niveau betreiben. Die jährlichen Investitionen bewegen sich in der Grössenordnung eines dreistelligen Millionen-Betrags.

 

Zum Schluss wartet jetzt der persönliche Fahrzeug-Check auf Sie. Ihr erstes Auto?
Olivier Wittmann: Ein Renault R19. Mit ihm sind meine Frau und ich in die Ferien gefahren – von Nizza über Berlin bis in die polnische Hauptstadt Warschau. Retour gings über Prag. Später bekam ich den ersten Dienstwagen, ebenfalls ein R19. Da habe ich den eigenen verkauft – zum für mich immer noch guten Preis (lacht).

 

Welches Auto würden Sie sich gönnen, wenn Geld keine Rolle spielt?
Olivier Wittmann: Den Renault RS01. Damit über den Nürburgring zu fahren – das ist mein Traum. Natürlich würde ich versuchen, den Rekord des Mégane RS Trophy zu brechen. Damit könnte ich meine Zeit als Rennfahrer wieder so richtig aufleben lassen.

 

Welches Auto würden Sie nie kaufen?
Olivier Wittmann: Nicht immer zum Gefallen meiner Frau fliesst wohl auch Benzin durch meine Adern. Ich hätte gerne eine ganze Halle voll mit Oldtimern und Rennwagen – natürlich von verschiedenen Marken. Und eine alte Tankstelle. Aber lassen wir das, ich muss eine Antwort auf ihre Frage geben: Fiat Multipla und Ford Scorpio sind nicht nach meinem Geschmack.

 

Was ist für Sie die genialste Erfindung in der rund 135-jährigen Geschichte des Autos?
Olivier Wittmann: Bezogen auf die Technik wahrscheinlich der Turbomotor – er erhöht die Durchzugskraft enorm. Heute lässt sich die Effizienz mit dem E-Motor nochmals kräftig steigern. Aber bei mir überwiegt wohl eher der Gedanke, dass das Auto allen Menschen die individuelle Mobilität gebracht hat. Wir fahren damit in die Ferien, auf kurzen Strecken und auf der Rennpiste. Oder wir benutzen es zum Zügeln. Das Auto ist Teil unseres Lebens geworden – und wird das noch für Jahre bleiben.

 

Auf welches Komfort- oder Sicherheits-Gadget könnten Sie locker verzichten?
Olivier Wittmann: Auf den adaptiven Tempomaten. Ich behalte vorzugsweise jederzeit die Kontrolle bei mir und fahre gerne aktiv.

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