Carrosserie- und Fahrzeugbau

Serie: «Vorwärtskommen – Berufsleute mit Biss + Ziel»

 

Wer in der Carrosseriebranche vorwärtskommen will, hat allerbeste Chancen. Denn hier wird Aus- und Weiterbildung GROSS geschrieben, die Möglichkeiten sind umfassend – egal, ob man sich werkstattseitig nach oben orientieren möchte oder der Plan steht, später einmal einen Betrieb zu führen oder zu übernehmen. Wohin ihr eigener Weg bereits geführt hat oder wohin er noch weisen wird, das erzählen einige Interviewpartner in unserer Serie «Vorwärtskommen».

 

Heute: Amedeo Bonorva (53), Luzern, National Sales Manager Schweiz, Akzo Nobel Car Refinishes AG

Herr Bonorva, Sie sind gelernter Carrosserielackierer und heute Chef der «Akzo Nobel Car Refinishes AG». Eine bemerkenswerte Berufskarriere. Haben Sie sich das so vorgestellt nach Lehrabschluss?
Amedeo Bonorva: Nein, absolut nicht. Für mich war es damals wichtig, die Lehre erfolgreich abzuschliessen. Ich war sicher, dass sich alles weitere ergeben würde. Zudem war ich erst 19 Jahre alt. Die Lehrzeit damals betrug ja nur drei Jahre.

 

Warum entschieden Sie sich 1982 für die Ausbildung zum Carrosserielackierer?
Amedeo Bonorva: Seit jeher hat mich alles begeistert, was von einem Motor angetrieben wird. Das hat vielleicht auch etwas mit meiner südländischen Herkunft zu tun. Jedenfalls besass ich bereits mit 14 Jahren ein Töffli. Ergo war klar, dass es ein Beruf sein muss, der mit Motoren, Fahrzeugen und Autos zu tun hat.

 

Sie haben sich um eine Schnupperlehre bemüht?
Amedeo Bonorva: Richtig. Und zwar als Autolackierer, wie man damals sagte. Diese wenigen Arbeitstage gefielen mir so gut, dass ich gleich vor Ort im Betrieb für eine Lehre nachgefragt habe. Das klappte auch gleich. Hat der Carrosserielackierer seine Aufgabe beendet, sieht er sofort das Ergebnis – das hat mich immer begeistert. Und mit Stolz erfüllt, wenn ein von mir bearbeitetes Auto auf der Strasse vorbeigefahren ist und ich sagen konnte: Das ist mein Werk.

 

Sie haben später viele Weiterbildungen und Schulungen in den Bereichen Verkauf und Marketing besucht. War damit schon klar, dass dies Ihr Weg sein wird?
Amedeo Bonorva: Jein. Vom Autolackieren wechselte ich in eine Zentralschweizer Firma, die Lack- und Baufarben hergestellt hat. Alles, was mit Farben zu tun hatte, war ihr Geschäft. Ich wurde als Farbmischer eingestellt, eine damals gefragte Tätigkeit, da es die heute bekannten Messgeräte noch nicht gegeben hat. Das habe ich ein Jahr lang gemacht.

 

Was ist dann passiert?
Amedeo Bonorva: Der Arbeitskollege, der über die Theke die Maler beriet und ihnen Farben und Lacke verkauft hat, gab seine Stelle auf. Ich wurde von der Firma angefragt, ob ich Interesse an dieser Arbeit hätte. Ich dachte: Okay, das mache ich, da kannst Du nur profitieren. So bin ich in die neue Richtung gerutscht . . .

 

. . . und Sie haben die ersten Erfahrungen im Verkauf gemacht?
Amedeo Bonorva: Genauso war es. Ich durfte interne Weiterbildungen besuchen und Maler, Lackierer und Baumaler beraten. Es war eine tolle Zeit, ich habe diese Arbeit wirklich sehr gemocht.

 

Trotzdem liebäugelten Sie mit einer Stelle im Aussendienst?
Amedeo Bonorva: Der Wunsch, in diesem Bereich Erfahrungen zu sammeln, wurde tatsächlich immer grösser. Aber im Zentralschweizer Betrieb war keine entsprechende Stelle frei. Während einer Weiterbildung bei einer unserer Zuliefererfirmen vernahm ich dann in Gesprächen, dass sie einen Aussendienstmitarbeiter suchen. Die Bedingung war, dass der Neue Autolackierer sein muss und die italienische Sprache beherrscht. Das passte perfekt zu mir.

 

Diese Stelle bei einem Lacklieferanten bedeutete auch, dass Sie in die Ostschweiz nach Wil umziehen mussten.
Amedeo Bonorva: Meine damalige Freundin und heutige Ehefrau folgte nach kurzer Zeit nach. Da habe ich mir die ersten ernsthaften Gedanken darüber gemacht, wie der Berufsweg aussehen könnte. Als Folge davon besuchte ich die ersten Weiterbildungen in den Bereichen Verkauf und Marketing.

 

Wie hat Ihnen der Aussendienst gefallen? Was war das Positive daran?
Amedeo Bonorva: Der Kundenkontakt. Auch darum, weil ich in eine neue Region ziehen durfte und dort niemanden kannte. Viele meiner Kunden sind heute noch gute Freunde. Toll war auch die Freiheit, die zum Aussendienst gehört – eigentlich war ich ein Unternehmer im Unternehmen. Diese Freiheit habe ich sehr geschätzt, wusste aber auch damit umzugehen. Um Erfolg im Aussendienst zu haben, braucht es Disziplin und Eigenverantwortung.

 

Wo haben Sie die negativen Aspekte geortet?
Amedeo Bonorva: Nirgends. Ausser vielleicht, dass wir damals kein Navigationssystem und keine Computer hatten. Alles wurde auf Papier festgehalten, und die Touren habe ich mit Pünktchen auf Landkarten geplant.

 

Später sind Sie in der Firmenzentrale eingezogen. Ein Verdienst der Weiterbildungen, die Sie besucht haben?
Amedeo Bonorva: Ja, da war ich zuständig für Marketing und Verkauf. Ich bekam die Chance, aufzusteigen und noch verantwortungsvollere Aufgaben zu übernehmen.


Nach acht Jahren wechselten Sie in die Computerbranche, wo Sie es zum Marketingdirektor gebracht haben. Warum Computer?
Amedeo Bonorva: Mein Schwager hat das aufgegleist. Er kam auf mich zu und sagte, dass sie eine Vertrauensperson in der Geschäftsleitung brauchen. Ich dachte: Komm, mach einmal etwas komplett anderes, das wird sicherlich eine spannende Erfahrung. Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Wir waren zu viert in der Geschäftsleitung, und ich konnte elf Jahre lang mithelfen, etwas Neues aufzubauen und die Bereiche Marketing, Verkauf und Personal zu leiten.

 

Beim Bildungs- und Kulturdepartement Luzern waren Sie zehn Jahre lang als «Exam Expert Mediamatiker» tätig. Was haben Sie dort gemacht?
Amedeo Bonorva: Lehrabschlussprüfungen beurteilt. In der zuvor genannten IT-Firma war es das Ziel, auf allen Abteilungen Lernende auszubilden. Da kamen die Berufe Logistik, Informatik, das KV und Mediamatik zusammen. Mediamatik war damals noch ganz neu, eine Mischung aus Grafik, Informatik und KV. Ich durfte eine der ersten Lernenden ausbilden und fand das so interessant, dass ich mich nebenamtlich als Prüfungsexperte beworben habe.

 

Sie sind nicht nur engagiert, sondern mit deutsch, englisch, französisch und italienisch auch vielsprachig. Wie kommt das?
Amedeo Bonorva: Französisch hatte ich in der Schule. Jetzt bin ich daran, die Kenntnisse aufzufrischen und zu ergänzen. Mit Deutsch und Italienisch bin ich aufgewachsen. Englisch kam vor acht Jahren im Rahmen eines zweimonatigen Sprachaufenthaltes dazu.

 

Bevor Sie im Juni 2014 zu «Akzo Nobel Car Refinishes AG» wechselten, waren Sie ein Jahr lang bei einem Anbieter von Schadenkalkulationen tätig. Der erste Schritt zurück in die Automobilbranche?
Amedeo Bonorva: Als Verkaufsleiter Schweiz habe ich damit in der Tat einen Schritt zurück in die angestammte Branche gemacht und die Kombination zwischen Automobilbranche und IT nach dem England-Aufenthalt genutzt. Die erworbenen Englischkenntnisse sind mir an dieser Stelle sehr entgegengekommen.

 

Dann sind Sie dem Ruf der «Akzo Nobel Car Refinishes AG» ins zürcherische Bäretswil gefolgt, wurden dort «Area Sales Manager».
Amedeo Bonorva: Das war die Chance, endgültig zu den Wurzeln zurückzukehren. Die Stelle war ausgeschrieben, und ich habe mich beworben und den Job erhalten. Vor sechs Jahren habe ich als Verkaufsleiter Deutschschweiz begonnen, und 2018 wurde ich angefragt, ob ich die Stelle «National Sales Manager Schweiz» übernehmen möchte.

 

Ihr Traumjob?
Amedeo Bonorva: Ja, auf allen Ebenen. Die Arbeit mit Kunden, Mitarbeitern und Konzernleitung macht sehr viel Freude. Ich habe nie gedacht, dass ich einmal in einem Weltkonzern an einer solch verantwortungsvollen Stelle sein werde. Ich glaube fest daran: Egal, was du tust und in welchem Beruf du stehst – mach es mit Leidenschaft, Freude, Engagement und Herzblut. Dann kommt es automatisch gut.

 

Wir kommen zur obligatorischen Schlussfrage: Wenn Sie einem Schulabgänger oder einer Schulabgängerin erklären müssten, warum er oder sie einen Beruf in der Carrosseriebranche wählen soll, was würden Sie sagen?
Amedeo Bonorva: Obwohl die Zahl der handwerklichen Berufe grundsätzlich abnimmt und kaufmännische Tätigkeiten oder diejenigen in den Büros aktuell gefragter sind, würde ich sagen: Die solide Carrosserie-Grundausbildung bildet ein gesundes Fundament für weitere Entwicklungen. Ich bin sehr froh und dankbar, diesen Weg gewählt zu haben. Er macht es möglich, dass ich mich mit Autolackierern und Mitgliedern von Geschäftsleitungen austauschen darf. Es ist ganz wichtig, dass man von der Wurzel her weiss, wovon man spricht.

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