Carrosserie- und Fahrzeugbau

Serie: Mein erstes Auto

 

Egal, wie lange es her ist, von welcher Marke es stammte und in welchem Zustand es damals war: Sein erstes Automobil vergisst keiner, jeder und jede erinnert sich besonders gerne daran. Oftmals auch mit etwas Wehmut. Wir haben bekannte Profis aus der Carrosserie- und Fahrzeugbranche zu einer Zeitreise in die automobile Vergangenheit eingeladen und sie zu ihrem emotionalen Erlebnis des ersten Fahrzeugbesitzes befragt.

 

Heute: Adrian Bringold (43), Eigentümer Carrosserie Bringold AG, Ittigen-Bern, Sektionspräsident «Carrosserie Suisse Bern Mittelland»

 

Herr Bringold, Sie haben mir einmal erzählt, Sie erinnern sich so glasklar und im Detail an Ihr erstes Auto, als ob der Kauf erst gestern gewesen wäre. Was war so eindrücklich und speziell daran, dass Sie das immer noch so nahe vor dem geistigen Auge sehen?
Adrian Bringold: Nicht unbedingt nur das Auto an sich, sondern die Zeiten, in denen wir damals erwachsen werden durften. Die bleiben unvergessen, gehören mit zu den schönsten in meinem bisherigen Leben. Wir waren jung, und immer unterwegs. Stets war Action angesagt, obwohl wir kaum einen «Schtutz» im Sack hatten. So schnell als möglich die Autoprüfung bestehen und einen eigenen Wagen besitzen – das war damals das Dringendste für mich und meine Kollegen.

 

Natürlich mit allem «Chichi» wie Klimaanlage, Airbag oder auch Navigationsgerät?
Adrian Bringold: Vergessen Sie das. Es war die Zeit der Pioneer-Lautsprecher auf den Hutablagen und der überdimensionierten Subwoofer im Kofferraum. Und selbstverständlich montierten wir Recaro-Sportsitze und kleine Sportlenkräder. Auch der Remus-Auspufftopf durfte nicht fehlen.

 

Wann haben Sie sich Ihren Fahrzeugwunsch erfüllt?
Adrian Bringold: 1996. Es war ein hellgrüner VW Golf 2 GTI mit Jahrgang 1986. Ich steckte damals im dritten Lehrjahr als Carrosseriespengler. Der GTI kostete 2800 Franken. Sie können sich vorstellen, dass im Verhältnis zum Lohn der Monat immer sehr lange gedauert hat.

 

Wie haben Sie ihn «kürzer» machen können?
Adrian Bringold: Mit einem Aushilfsjob. Ein Bekannter besass ein Pneuhaus, da half ich in meiner Freizeit aus, verdiente so einen Zustupf für Benzin und Reifen. Wir wechselten die «Finken» unter freiem Himmel im Akkord – bei Wind, Wetter, Regen und Schneefall. Am Donnerstag, Freitag und Samstag war dann jeweils Ausgang angesagt. Wir fuhren, natürlich jeder im eigenen Wagen, hintereinander her – nach Fribourg ins Macumba. Oder nach Interlaken ins Café Grössenwahn. Das Schönste aber war stets die Fahrt durch das damalige «Selve Areal» der «Schweizerischen Metallwerke Selve & Co.» in Thun – mit anschliessender Party in der Villa Wahnsinn. Es war einfach eine geile Zeit.

 

Auf welche Weise sind Sie an den Golf herangekommen? Zeitungsannonce?
Adrian Bringold: Nein, ein Kauf unter der Hand. Ich hatte einen guten Kumpel. Dessen Schwester wiederum war mit einem jungen Mann befreundet, der uns gelegentlich in seinem BMW M3 E30 mitnahm. In diesem BMW erlebte ich meine ersten sportlichen Mitfahrgelegenheiten. Im Alltag benutzte der Freund jedoch den Golf. Dem verpassten wir einen Dachträger, packten mehrmals pro Woche einen Rennkart drauf und düsten so auf die Kartbahn nach Lyss. Als sich dann die Gelegenheit ergab, den GTI zu kaufen, war für mich sonnenklar: «Jetzt musst du zuschlagen.»

 

Mit zeitlichem Abstand betrachtet: War es ein guter Kauf?
Adrian Bringold: Auch wenn ich Ihre mittlerweile gut bekannte und streng angewandte Skala von 1 bis 10 zum Massstab nehme, kann es in der Disziplin «Emotionen» nur eine Zahl geben: die Zehn.

 

Und hinsichtlich Qualität?
Adrian Bringold: Rational betrachtet . . . maximal eine Drei. Sein Zustand war nicht gerade berauschend, aber er hatte ja auch schon fast viermal den Globus umrundet. Und musste dabei einiges über sich ergehen lassen. Aber egal – Hauptsache GTI (lacht).

 

Das heisst, frei übersetzt: Sie mussten viel Fronarbeit leisten?
Adrian Bringold: Klar doch, in jeder freien Minute, an Samstagen und obendrein auch noch in den Ferien. Das Heck war ziemlich vom Rost befallen, und weil mir als Lernender die Erfahrung noch fehlte, gelang einiges erst im zweiten oder dritten Anlauf. Ein Ausgelernter hätte wahrscheinlich gesehen, dass das Resultat nicht in jedem Detail perfekt war. Aber ich besass den nötigen Biss, lernte laufend dazu und war schliesslich in der Lage, den Wagen von meiner Warte aus gesehen tipptopp in Ordnung zu bringen. Und, mindestens so wichtig: Er gehörte mir, war bezahlt, und ich hatte alle Arbeiten selber ausgeführt.

 

Sie sagen «alle Arbeiten». Welche Überraschungen haben sonst noch auf Sie gewartet?
Adrian Bringold: Das bleibt unvergessen. Der Golf hatte einen Hagelschaden, und den liess ich wie damals üblich mit Flamme und Nagelspotter verschwinden. Auch die Spachtel-, Füller-, Schleif- und Abdeckarbeiten habe ich selber erledigt. Nur das Lackieren traute ich mir nicht zu. Ein Profi aus dem Lehrbetrieb hat mich dabei unterstützt und den GTI komplett lackiert – notabene gratis. Das war unglaublich.

 

Wie lange blieb der Golf bei Ihnen?
Adrian Bringold: Irgendwann, nach bestandener Lehrabschlussprüfung, hatte ich genügend Geld, um aufzurüsten. Mein geliebter Golf GTI musste Platz machen.

 

Für wen? Wer war sein Nachfolger?
Adrian Bringold: Tief und breit musste er sein – also kaufte ich einen BMW 328i. Leider hat es auch ihn verhagelt, und das Spiel ging wieder von vorne los, Freizeit und Ferien waren verplant. Da wurden Radläufe gezogen und gebördelt sowie Embleme zugezinnt. Und natürlich mussten dreiteilige Work-Felgen, ein Gewindefahrwerk und eine Chromstahl-Auspuffanlage verbaut werden.

 

Was fahren Sie heute?
Adrian Bringold: Im Alltag seit Jahren einen Range Rover. Wenn ich die alten Zeiten aufleben lassen möchte, nehme ich meinen BMW M3 E30 Sportevolution aus der Garage. Und lasse die Anlage wummern – selbstverständlich mit dem «Eurodance Sound» aus den Neunziger Jahren.

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