Carrosserie- und Fahrzeugbau

Serie: Mein erstes Auto

 

Egal, wie lange es her ist, von welcher Marke es stammte und in welchem Zustand es damals war: Sein erstes Automobil vergisst keiner, jeder und jede erinnert sich besonders gerne daran. Oftmals auch mit etwas Wehmut. Wir haben bekannte Profis aus der Carrosserie- und Fahrzeugbranche zu einer Zeitreise in die automobile Vergangenheit eingeladen und sie zu ihrem emotionalen Erlebnis des ersten Fahrzeugbesitzes befragt.

 

Heute: Ruedi Wenger, (76), Wenger Carrosserie/Fahrzeugbau AG, Basel

Herr Wenger, ich habe folgendes herausgefunden: Ihr erstes Auto war ein roter Mini Cooper mit Jahrgang 1962, schwarzem Dach und 1000 Kubikzentimeter Hubraum. Liege ich richtig?
Ruedi Wenger: Das ist korrekt. Aber das Spezielle am Auto war nicht die rote Farbe oder das schwarze Dach, sondern seine Vorgeschichte.

 

Erzählen Sie sie bitte – in allen Einzelheiten. Jetzt machen Sie mich gwundrig!
Ruedi Wenger: Mein Vater fuhr zehn Jahre lang Autorennen – beim ACS, vor allem Slalom und Bergrennen. Mit seinem Alfa Romeo 1900 TI startete er in der umkämpften Zweiliter-Tourenwagenklasse und belegte 1962 an der Schweizermeisterschaft den zweiten Rang. Geschlagen nur von einem Auto, das an zwei Slalom-Prüfungen etwas schneller war – ein Mini.

 

Ich ahne es – dieser Mini wurde in der Folge Ihr erstes Auto?
Ruedi Wenger: Richtig, Ende Jahr kaufte mein Vater nicht nur ein neues Alfa Romeo 2000 Bertone Coupé, sondern auch gleich noch den siegreichen Mini für mich. Und ein bisschen für sich.

 

Ein bisschen heisst, er setzte ihn weiterhin an Wettbewerben ein?
Ruedi Wenger: Er nahm ab und zu an Slaloms und kleineren Veranstaltungen teil. Aber ich war 18, und der kleine Flitzer wurde je länger je mehr zu meinem Auto. Er fuhr sich wie ein Go-Kart, war für Rennen präpariert, hatte weder Isolationen noch Teppiche, dafür Heck- und Seitenscheiben aus Plexiglas und eine etwas ungewöhnliche Optik. Er war tiefer gelegt, rollte auf breiten Stahlfelgen und beschleunigte ungewöhnlich schnell. Der Motor war in einem britischen Flugzeugwerk ausgewuchtet worden und ertrug kurzfristig 8000 Touren.

 

Wie wurden Sie Anfang der Sechziger Jahre im Strassenverkehr aufgenommen? Als Jungspund mit Rennwagen?
Ruedi Wenger: Fahrer von stärkeren Autos – meist ältere Herren in ihren Jaguars, Lancias oder Mercedes – haben damals nicht begriffen, dass ein Mini so schnell und agil sein kann. Das brachte mir oft giftige Bemerkung ein wie: «Du Saubueb, fahr gefällig anständig!» Dabei war ich vorwiegend äusserst korrekt unterwegs, und Tempolimiten gab es damals ja noch nicht. Damit mich auch einmal jemand anlächelt, hatte ich mir angewöhnt, sehr höflich vor Fussgängerstreifen zu sein und den Vortritt zu gewähren.

 

Später haben Sie sich mit der Marke Lancia angefreundet. Wie kam das?
Ruedi Wenger: Mein Vater sah am Genfer Automobilsalon den neuen Fulvia – ein wunderschönes Auto in dunkelrot. Mit Peter Monteverdi, damals Lancia-Vertreter, war abgemacht, dass er uns das ausgestellte Exemplar liefert und den Mini eintauscht. Wir hatten ihn bereits abgeliefert, da erreichte uns nach vierzehn Tagen die Kunde, dass Lancia diesen Prototypen nicht hergeben will und der nächste Liefertermin in frühesten einem halben Jahr sein werde.

 

Sind Sie vom Rennfahrer-Virus, den ihr Vater befallen hat, nie angesteckt worden?
Ruedi Wenger: Doch, sehr stark sogar. Eines Tages kam eine Kundin mit ihrem Triumph Spitfire in unsere Carrosseriefirma. Die Dame war auf ihrer ersten Ausfahrt nach Zürich auf der Staffelegg zwischen dem Aargau und dem Fricktal verunfallt. Direkt vor einem Bauernhof ist ihr das Fahrzeugheck ausgebrochen, und mit der Front hatte sie die Begrenzungsmauer von einem Misthaufen touchiert. Vorne war das Chassis geknickt – für mich als Lehrling die grosse Chance.

 

Sie haben den Spitfire gekauft?
Ruedi Wenger: Gekauft, repariert, um- und eingebaut in ein neues Chassis. Ich veränderte die Federn am Heck, montierte neben speziellen Stossdämpfern auch breite Felgen und ein neues Hardtop. Sogar den Überrollbügel habe ich selbst angefertigt und ins Auto integriert. So nahm ich an diversen Slalom-Wettbewerben teil und bin obendrein mit dem britischen Sportwagen auch privat und beruflich einige Zeit herumgefahren. Nach der Unteroffiziersschule zum Beispiel nach Turin und später nach Florenz, wo ich einen Sprachaufenthalt absolvierte. Später wechselte ich fürs Technikum nach Kaiserslautern.

 

Wie hat sich der Triumph in den Rennen geschlagen?
Ruedi Wenger: Sehr gut. Bis auf das Clubrennen vom ACS Basel auf dem Hockenheimring, den ich wegen der Nähe zu Kaiserslautern in- und auswendig kannte. Eigentlich hatte ich mit dem Spitfire keine Chance in dieser Klasse, aber wegen des «Heimvorteils» gab ich halt Vollgas. Leider erlitt der Spitfire in der Zielkurve einen Antriebswellen-Bruch, Rad und Stossdämpfer hinten links flogen davon – und das Auto mit mir drei Mal hochkant über die Piste. Der Überrollbügel hat gehalten.

 

Aber genutzt hats ihm wenig, ein neuer BMW 2002 ti war schon bestellt, wie ich weiss.
Ruedi Wenger: Das war er. Mit ihm hielt ich in den Rennen vorne mit. Eines Tages, wir fuhren in der Zweiliterklasse, habe ich das Feld angeführt, hinter mir weitere BMWs und Alfas. Nach einigen Runden hat mich ein Mitkonkurrent im Scheitelpunkt einer Kurve seitlich hinten gerammt und zum Überschlag gebracht. Diesmal hatte ich einen Schock – zum einen, weil der Konkurrent aus einem nicht einsehbaren Winkel gekommen ist und ich ihn nicht bemerkt habe. Und zum zweiten, weil meine zukünftige Ehefrau live mit dabei war. Sie stellte das Ultimatum: «Hobbywechsel oder ich gehe»!

 

Sie wählten den Hobbywechsel?
Ruedi Wenger: Fortan widmete ich mich dem Sammeln klassischer Automobile und nahm mit ihnen an Ausfahrten, Rallys, Concours und historischen Rennen teil. Zum Beispiel auf dem Nürburgring, am Grand Prix von Bern, in Montreux, an den Bergrennen St. Ursanne – Les Rangiers oder Davos – Schatzalp. Auf dem Areal der Pilatus-Flugzeugwerke ins Stans holte ich einst in einem Ferrari Dino, den ich als einjährige Occasion mit 10 000 Kilometern auf dem Zähler gekauft habe, den Tagessieg gegen 87 Mitkonkurrenten.

 

Sie besitzen verschiedene Klassiker wie Martini, mehrere Delahayes, Talbots, Ferraris und seit jeher auch Monteverdis, mit denen Sie und Ihre Frau in den letzten 50 Jahren an den unterschiedlichsten Ausfahrten teilgenommen haben. Tun Sie das noch immer?
Ruedi Wenger: Ja, wann immer möglich. Aber das geht nur dank meiner lieben Frau, die das Hobby mit der damit verbundenen aufwändigen Pflege und dem Unterhalt der Fahrzeuge unterstützt. Dass man da als Carrossier einige Vorteile hat, versteht sich von selbst. Aber sich zu einer Veranstaltung anmelden und das Gebotene geniessen, das muss jeder selbst tun.

 

An welche Veranstaltungen denken Sie gerne zurück?
Ruedi Wenger: Wir lieben alle Concours und Schönheits-Wettbewerbe, egal, ob sie in Italien, Deutschland, Frankreich oder der Schweiz stattfinden. Eindrücklich und kulturhistorisch sehr interessant war die 14-Tage-Rundreise in Syrien im Jahre 2008, organisiert von den Franzosen. 40 Automobile und viele liebe Freunde nahmen daran teil, genossen die guten Hotels, das vorzügliche Essen und die kompetente französische Reisebegleitung. Von den vielen schönen Rallys und im Hinblick auf die damit verbunden Eindrücke, Freundschaften und Fahrvergnügen will ich aber noch auf ein Jubiläum zurückkommen: Aktuell feiern wir die 50-Jahre-Rally von Gstaad mit dem Hotel Palace. Mit meiner Frau war ich schon an der zweiten Durchführung vor 49 Jahren und seither fast immer mit dabei.

 

Kommen wir noch zu Ihren klassischen Automobilen zurück. Mit welchem wurde Ihre Sammlung aufgebaut?
Ruedi Wenger: Der erste war ein Monteverdi, den wir zehn Jahre als Familienauto gefahren sind. Aber die Sammlung wuchs rasch, für die vielen schon genannten Anlässe waren unterschiedliche Klassiker gefragt – auch von den Jahrgängen her.

 

Es gibt einen Salmson-Rennwagen, den Ihr Grossvater 1925 carrossiert hat. Was ist mit diesem tollen französischen Auto geschehen?
Ruedi Wenger: Der existiert noch, steht seit vielen, vielen Jahren in unserer Garage. Mein Vater hatte ihn zurückgekauft, als ich 16 war. Selbst ist er ihn nie gefahren, ich dafür schon.

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