Lackierer und Autolacke

Interview mit Ernst Geissberger, Techniker im (Un)ruhestand

 

Ernst Geissberger hat beinahe die gesamte berufliche Laufbahn bei der André Koch AG in Urdorf (ZH) verbracht. Seit gut zwei Jahren ist der geborene Krienser pensioniert – was ihn allerdings nicht daran hindert, noch immer für seinen Arbeitgeber tätig zu sein. Wir schauen mit ihm zurück auf knapp 40 Jahre «im Dienste der André Koch AG».

 

Interview: Heinz Schneider

Herr Geissberger, Sie haben am 8. April den 67. Geburtstag gefeiert, arbeiten aber jetzt, zwei Jahre nach der Pension, noch immer für André Koch. Sind Sie – beruflich gesehen – ein Getriebener?
Ernst Geissberger: Getriebener ist vielleicht das falsche Wort, aber ich habe riesigen Spass an der Arbeit und bin mit Herz und Seele dabei. Allerdings war das überhaupt nicht so geplant: Nach dem tragischen Todesfall von Silvano Bordin bin ich mit der André Koch AG übereingekommen, die Pensionierung zeitlich nach hinten zu schieben und helfend einzuspringen.

 

Sie arbeiten voll?
Ernst Geissberger: Voll arbeiten ist verboten, ich muss ja immer auch noch Autofahren. Nein, Spass beiseite. Ich bin im Teilzeitpensum angestellt, zum Anfang waren es 50 Prozent, seit dem 1. Januar 2022 sind es noch 30 Prozent.

 

Welche Aufgaben nehmen Sie wahr?
Ernst Geissberger: Ich bin nach wie vor Verkaufsberater, betreue die Carrosseriebetriebe im Oberwallis und Engadin. Als Vertreter ihres Lacklieferanten besuche ich sie regelmässig und unterstütze, wo ich kann. Das muss sich übrigens nicht zwingend nur um das Produkt Lack handeln, wir können in jeder Hinsicht helfen – auch dann, wenn es sich um Betriebsführung oder was auch immer dreht.

 

Was macht den Reiz Ihrer Tätigkeit aus? Wissen zu vermitteln? Der Kontakt mit Kunden?
Ernst Geissberger: Beides. Es gibt nichts Schöneres, als sehr gute Kontakte zu pflegen, mit gegenseitigem Vertrauen. Es ist toll, so viele Leute zu kennen und ihre Wertschätzung zu spüren. Meine Kunden freuen sich ausnahmslos, wenn ich wieder vor ihrer Türe stehe.

 

Blenden wir in Ihrer beruflichen Laufbahn etwas zurück. Sie sind gelernter Autolackierer – aus Überzeugung?
Ernst Geissberger: Es hat sich so ergeben, ein Skiclub-Kollege hat mich gefragt, ob ich nicht Autolackierer werden möchte. «Weisch, da chasch au dis Töffli sälber schprütze», meinte er. Ich bin heute nicht mal mehr so sicher, ob er nicht eine Prämie erhalten hat, wenn er einen Lehrling vermittelt. Nach der Schnupperlehre habe ich noch den Carrosseriespengler in Erwägung gezogen, verbrannte mir aber beim autogenen Schweissen derart die Hand, dass es mir abgelöscht hat. «Ich mache dä Lackierer», das stand danach fest. Wobei: Damals hiess die Berufsbezeichnung «Auto- und Wagenlackierer», und die Lehrzeit dauert nur dreieinhalb Jahre. Es war eine super Entscheidung: Stolz und Freude am Beruf sind nach und nach gewachsen.

 

Wohin hat der berufliche Weg Sie nach der Lehre geführt? Ich weiss zum Beispiel, dass Sie bei den Pilatus Werken tätig waren.
Ernst Geissberger: Das auch, unter anderem. Zuerst war ich aber in Kriens bei der Carrosserie Mathieu und bei Aldo Nuttli angestellt, dann erst bei den Pilatus Werken in Stans. 1978 wechselte ich für zwei Jahre ins Berner Oberland nach Gstaad.

 

1983 haben Sie die Arbeit bei André Koch aufgenommen – zuerst als Anwendungstechniker, danach 14 Jahre lang als Verkaufsberater. Wie kam der Kontakt zustande?
Ernst Geissberger: Ich leitete damals die Carrosserie Kobler AG im aargauischen Muri, ein Betrieb mit zwei Lackierern und einem Lehrling. Ein Aussendienstmitarbeiter von André Koch hat mich angesprochen.

 

Was bewog Sie letztlich dazu, die Stelle in Urdorf anzunehmen?
Ernst Geissberger: Sie reizte mich, ich habe mich schon immer gerne neuen Herausforderungen gestellt. Ich war damals zwar erst 28 Jahre alt, aber auch die älteren Carrossiers in den Betrieben nahmen mich sehr gut auf und gaben mir nie das Gefühl, dass da ein junger «Schnösel» daherkommt und ihnen die Welt erklären will. Es war toll: Ich war beruflich an der Front, und wurde laufend mit den modernsten Informationen und Techniken versorgt.

 

Techniken, die Sie noch so gerne weitergegeben haben während Ihrer beruflichen Laufbahn!
Ernst Geissberger: Das stimmt, bereits 1983 hatte ich im Aargau meinen ersten Einsatz als LAP-Experte. Heute bezeichnet man die frühere Lehrabschlussprüfung ja mit Qualifikationsverfahren, also QV. In der Folge bin ich im Kanton 38 Jahre lang Prüfungsexperte geblieben, 13 Jahre als Chefexperte sowie im Vorstand der Sektion Aargau. Das tat ich aus tiefster Überzeugung und immer mit sehr viel Stolz. Ich würde mich daher extrem freuen, wenn junge Lackiererinnen und Lackierer sich permanent weiterbilden und als Experten oder für andere Einsätze für diesen schönen Beruf engagieren würden.

 

Sie sind im luzernischen Kriens geboren und, wie Sie mir einmal gesagt haben, im Herzen auch Krienser geblieben. Wie ging das mit der neuen Stelle in Urdorf auf? Sie mussten den Wohnort verlegen?
Ernst Geissberger: Ab 1978 war ich viel unterwegs, deshalb setzte ich zwei Jahre später den Anker im aargauischen Muri. Das liegt ideal – in 30 Minuten erreicht man Kriens, Zug, Aarau und Urdorf. Was will ich da noch mehr.

 

Wenn Sie auf 40 Jahre André Koch zurückblicken – wie haben Sie das Unternehmen damals erlebt? Und wie erleben Sie es heute?
Ernst Geissberger: Die André Koch AG war immer sehr innovativ. Denken Sie nur an 1972 zurück – das Unternehmen hatte schon damals eine eigene Lackierkabine und einen Schulungsraum in Urdorf. 1984 kam die erste Kundenzeitschrift «AK Aktuell», und nur ein Jahr später wurde das neue Schulungszentrum geplant und umgesetzt. Ja, wie erlebe ich das Unternehmen heute? Auf den Punkt gebracht, ganz einfach sehr sportlich.

 

Haben Sie in 39 Koch-Jahren nie mit einem Stellenwechsel geflirtet? Ich nehme an, Sie wären überall in der Branche willkommen gewesen.
Ernst Geissberger: Im Januar 2013 habe ich mir das überlegt, ich war damals nicht so glücklich. Es gab zwei oder drei Kontakte mit Konkurrenten, aber nach den ersten Gesprächen mit ihnen war mir klar, wo mein Platz ist. Der Entscheid war richtig: Dank loyaler Kunden, Partnern, Berufskollegen und den engagierten AK-Mitarbeitern war es mir vergönnt, eine wirklich geniale berufliche Zeit gehabt zu haben.

 

Gibt es innerhalb der letzten 39 Jahre im Rahmen Ihrer Tätigkeit ein schönes Erlebnis, das Sie nie vergessen werden?
Ernst Geissberger: Die Zeitspanne zwischen 25. und 27. Juni 1998. Damals feierten wir hier in Urdorf drei Tage lang mit Kunden und Freunden den 50. Geburtstag der André Koch AG sowie die Verleihung des Zertifikates «ISO 9002». Das war ein Festhütte, unglaublich.

 

Gab es auch eines, welches Sie sofort am liebsten wieder vergessen hätten?
Ernst Geissberger: Ja, ein externes. Aber ich will keine Namen nennen, es braucht immer zwei Personen, die aufeinanderprallen. Diejenigen, die mich kennen, wissen, um was es geht. Und sie wissen auch, dass ich allen Mitmenschen mit dem nötigen Respekt begegne.

 

Ist heute wieder alles in Ordnung?
Ernst Geissberger: Wenn wir uns sehen, grüssen wir uns. Aber anrufen würde ich ihn nie.

 

Im kommenden Jahr feiern Sie das 40-Jahre-Jubiläum bei der André Koch AG. Gibts eine Abschiedsfeier, eine rauschende Party?
Ernst Geissberger: Warten wir ab und sehen wir erst mal, ob ich überhaupt bis Dezember 2023 arbeiten darf. Ich weiss nicht, was die Zukunft bringt. Manchmal geht alles schneller als man denkt.

 

An dem Tag, an dem Sie von allen beruflichen Aufgaben entbunden sind – was werden Sie als erstes tun?
Ernst Geissberger: Vielleicht kommen die Tränen, vielleicht aber auch ein Lachen. Ich weiss es nicht. Sicher bin ich mir nur, was ich nicht tun werde: Ich möchte mich in keine beruflichen Verpflichtungen mehr einbinden lassen, meine Arbeit ist dann beendet. Eventuell lackiere ich noch das eine oder andere Möbel, aber das tue ich nur für mich.

 

Und Sie werden weiterhin im Oberwallis Ski fahren, oder nicht?
Ernst Geissberger: Das tue ich auf jeden Fall. Und wandern. «Bewege und plage deinen Körper – hörst du auf damit, plagt er dich», das bleibt auch in Zukunft mein Motto.

 

Schlussfrage: 1993 hatten Sie einen schweren Töffunfall, der Arzt prophezeite Ihnen, dass Sie nie mehr Ski fahren werden. Aber Sie sind auf die Piste zurückgekehrt. Ich denke, dafür ist derselbe starke Wille verantwortlich, den Sie auch beruflich an den Tag gelegt haben.
Ernst Geissberger: Das Wort schwer in diesem Zusammenhang ist übertrieben. Ich hatte einen Sturz, verletzte allerdings das Knie sehr stark. «Kopf hoch, und nach vorne schauen», das war das Motto. Oder wie Enzo Santarsiero sagt: «Geht nicht, gibts nicht.»

 

Übrigens: Sie hatten ihre Schlussfrage, ich möchte das Schlusswort. Und zwar mit einem riesigen Dankeschön an meine Frau Trudy, die mich seit 1976 stützt und verwöhnt. 1986 und 1990 kamen unsere Söhne auf die Welt, zuerst Mischa, dann Armin. Da hat sie sehr viel Verantwortung übernehmen müssen. Als Techniker ist man leider nicht jeden Mittag und Abend zu Hause. Dafür geniessen wir jetzt gemeinsam unsere Enkelinnen Flavia und Alissa. Das sind unglaublich tolle Momente.

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