Lackierer und Autolacke
André Koch als Axalta-Tochter: Das steckt hinter der Übernahme
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Der Deal ist abgeschlossen: Neuer Besitzer der André Koch AG ist «Axalta Coatings Systems». Was dies im Alltag für den Schweizer Lacklieferanten bedeutet, wie für ihn die Pläne kurz- und mittelfristig aussehen und welche Rolle – auch seine private – Enzo Santarsiero bei diesem Veränderungsprozess spielt, wollten wir im Gespräch mit dem CEO gleich selber von ihm wissen.
Interview: Heinz Schneider
Herr Santarisero, der US-Lackhersteller Axalta Coatings Systems ist neuer Eigentümer der André Koch AG. Warum ein Amerikaner?
Enzo Santarsiero: Für mich stellte sich die Grundsatzfrage, wer der wichtigste Partner ist von André Koch. Die Antwort war schnell gegeben: Wir haben seit 75 Jahren die Lackmarke Standox im Angebot, und der heutige Hersteller heisst seit 2013 Axalta. Vor diesem Hintergrund war es mir wichtig zu erfahren, wer hinter Axalta und ihrer Schweizer Organisation steckt. Sie wissen, dass die europäische Axalta-Niederlassung in Basel beheimatet ist. Auf diesem Weg habe ich die Leute kennengelernt, die hier bei uns und in Europa die Entscheidungen treffen – angefangen bei Jim Muse, Global Vice President. Daraufhin gab es verschiedene Meetings, unter anderem mit CEO Chris Villavarayan und Management Director Troy Weaver. Und die waren neugierig darauf, uns noch näher kennenzulernen und zu erfahren, wie wir als KMU arbeiten und wie unser Netzwerk funktioniert. Sie wollen sich künftig unser Wissen und unsere Erfahrungen zunutze machen, um dies in anderen Märkten anwenden zu können. Sie haben sich dann jedenfalls sehr schnell für einen Kauf der André Koch AG engagiert.
Gab es auch andere Übernahmeangebote?
Enzo Santarsiero: Die gab es, und nicht unattraktive. Aber ein Hersteller, dem unsere Lackmarke gehört und der somit Einfluss auf uns hat, den muss man ernst nehmen. Wir sind ein Handelspartner, produzieren jedoch nichts ausser Dienstleistungen. Das ist im Geschäftsalltag zwar sehr wichtig, kann aber als Alleinstellungsmerkmal auch gefährlich werden.
Sie haben mir einmal gesagt, dass es ihr Bestreben ist, die André Koch AG in schweizerische Hände zu übergeben. Warum ist das nicht geschehen?
Enzo Santarsiero: Ich wollte vor allem immer, dass die Eigenständigkeit bleibt. In Schweizer Händen zu sein würde bedeuten, dass der Besitzer eine Handelsorganisation wäre, weil es hierzulande keine Lackproduzenten gibt.
Und das kann, wie sie grad erwähnt haben, Gefahr bedeuten. Wollen sie damit sagen, dass ein Hersteller über die eigentliche Macht verfügt?
Enzo Santarsiero: Macht ist ein starkes Wort, denn wir sind in einem People Business – aber ja, das ist klar der Trend. Wir sehen das zum Beispiel in der Automobilindustrie, wo statt der bisherigen Importverträge Agentenmodelle zur Diskussion stehen. Axalta ist der weltweit grösste Autoreparaturlack-Anbieter, und das gibt eine enorme Macht. Deshalb nehme ich meine Verantwortung im Sinne der Firmeninteressen wahr. Das heisst: Weil ich will, dass meine Mitarbeiter und meine Firma eine Zukunft haben, musste ich diese Entscheidung treffen. Die Absicht von Axalta ist die, im Schweizer Markt noch besser vertreten zu sein. Das sind sehr gute Aussichten. Ich suchte keine Investoren, die nur mal so schnell reinspringen und baldmöglichst wieder gewinnbringend verkaufen. Ich wollte Axalta, weil sie die André Koch AG weiterentwickeln werden.
Wie ist der aktuelle Stand in ihrem beruflichen Alltag? Was beschäftigt sie am meisten?
Enzo Santarsiero: Das grösste Anliegen ist, dass die Kunden mein Kader und meine Mitarbeitenden spüren, und erkennen, dass es auch in Zukunft im bisherigen Rahmen weitergeht. Alles bleibt beim Alten. Gleichzeitig will ich den Prozess weiterhin begleiten bis zum Tag, an dem ich sagen kann, dass ich den idealen Nachfolger von mir präsentieren kann. Ihn oder sie zu finden, das ist aktuell unsere Hauptaufgabe. Es mag vielleicht für den einen oder anderen in der Branche eine Enttäuschung sein: Fakt ist, sie müssen weiterhin mit mir rechnen. Und zwar sowohl im Netzwerk als auch im operativen Bereich und im Managementteam – da mache ich den Weg noch nicht frei. Ich werde schrittweise reduzieren, aber solange es die Gesundheit erlaubt, nehme ich diese Verantwortung wahr.
Und was kommt danach?
Enzo Santarsiero: Das werden wir dann sehen. Jetzt trage ich immer noch eine Verantwortung, die ich mit der bekannten Leidenschaft wahrnehmen will. Das bin ich Axalta und meinen Mitarbeitern schuldig. Ich werde erst dann reduzieren, wenn ich sagen kann, jetzt geht der Weg auf der Erfolgsstrasse auch ohne mich weiter. Das gilt kurz- und mittelfristig. Gleichzeitig hat die Nachfolgeregelung oberste Priorität. Meinen Nachfolger will ich persönlich bestimmen – und ich werde ihn begleiten und als Coach unterstützen.
Haben Sie ihn schon?
Enzo Santarsiero: Nein, das ist ein Prozess, den ich sehr ernst nehme und in den Axalta selbstverständlich involviert ist. In einem weiteren Schritt werde ich den operativen Weg verlassen und einen Geschäftsführer anstellen – mit mir als sein Stellvertreter. Ich hoffe, den CEO in einem Jahr bekanntgeben zu können. Ich werde dann noch da sein – eventuell in der Funktion als verantwortlicher Manager für die Weiterentwicklung des Netzwerks.
Wie sieht ihre eigene vertragliche Situation aktuell aus?
Enzo Santarsiero: Die André Koch AG ist eine hundertprozentige Axalta-Tochter, deshalb unterstehe ich einem normalen Arbeitsvertrag. Ich bin aber weiterhin an der Firma und an ihrem Erfolg beteiligt. Dazu zählt übrigens auch Repanet Suisse.
Bleibt der Name André Koch AG?
Enzo Santarsiero: Das wird er. Ganz einfach darum, weil er eine starke Marke ist. Aber wir ergänzen ihn – wie man schon im Internet sieht – mit dem Zusatz «Powered by Axalta».
Veränderungen gibt es hingegen im Verwaltungsrat. Sie sind der Einzige, der bleibt.
Enzo Santarsiero: Wir operieren als Dreier-Team. Seitens von Axalta kommt Fabien Boschetti dazu, er ist Sales Vice-President von Europa, Middle East und Afrika. Gleichzeitig wird ein Schweizer Anwalt dazustossen.
Mich interessiert das Thema Axalta Coatings Schweiz. Wird sich die Zusammenarbeit verändern?
Enzo Santarsiero: Absolut. Wir werden mit Basel eine sogenannte «One-Axalta-Strategie» führen. Das heisst, in den Bereichen Sales und Vertrieb gehen wir künftig im Gleichschritt. Das durften wir bislang auch aus rechtlichen Gründen nicht, wir konnten nur im Hinblick auf «Repanet Suisse» zusammenarbeiten. Nun freue ich mich auf den gedanklichen Austausch im Verkauf, bei der Kundenbetreuung und den Dienstleistungsangeboten.
Beim Lack wird man sich aufgrund der neuen Besitzverhältnisse auf Axalta-Systeme konzentrieren. Wird es von André Koch AG bald auch Cromax geben?
Enzo Santarsiero: Aktuell ist es so, dass «Axalta Swiss Coatings Basel» für die direkten Kunden von Spies Hecker, Cromax und Syrox alle Zügel in die Hände nimmt. Eine doppelte Betreuung machen wir sicherlich nicht mehr, da werden wir kooperieren. Dass wir in der aktuellen Phase Cromax aufnehmen, ist kein Thema. Das hat Thomas Nussbaum mit seinen Leuten bestens im Griff.
Auf den Punkt gebracht: Ihr Ziel ist es, Synergien gemeinsam zu nutzen, neue Kunden anzusprechen und als «Zweier-Ticket» stark aufzutreten?
Enzo Santarsiero: Genauso ist es. Hinsichtlich der Produkte bedeutet dies, dass wir Standox für unsere wichtigsten Partner haben. Die AMAG-Retail-Gruppe erhält Spies Hecker, weil sie sich aus Nachhaltigkeitsgründen dafür entschieden hat. Und Syrox ist die Marke für frühere Lesonal-Kunden und für all jene, die sich preisbewusst orientieren.
Allerdings steht Lesonal nicht mehr im Angebot. Wie viele Kunden gehen ihnen dadurch verloren?
Enzo Santarsiero: Natürlich gibt es Kunden, die Lesonal bei Akzo Nobel beziehen werden. Damit musste ich rechnen. Das ist auch völlig legitim, und ich habe volles Verständnis dafür. Nüchtern betrachtet sieht es aber folgendermassen aus: Auf der einen Seite verlieren wir tatsächlich etwas, in der Endabrechnung ist unser Portfolio jedoch breiter geworden, und für viele Kunden sind wir neu noch attraktiver.
Wie geht es mit «Repanet Suisse» weiter? Werden sie auch das künftig mitverantworten?
Enzo Santarsiero: Ein wichtiger Grund für Axalta, die André Koch AG übernehmen zu wollen, war «Repanet Suisse» – und die Führung vom Netzwerk. Sowie meine Wenigkeit und das Knowhow als Geschäftsleiter. Repanet bietet europaweit ein einzigartiges Loyality-Programm – was wir bislang geleistet haben, sorgte in der Axalta Group für Begeisterung. Sie werden dieses Programm so belassen wie es ist, und sie wollen davon lernen. Bereits der Entscheid vor knapp zwei Jahren, das Axalta-Netzwerk «Five Star» in «Repanet Suisse» zu integrieren und so aus zwei Netzwerken eines zu machen, zeigt ja, wie fest Axalta an einem starken «Repanet Suisse» interessiert ist.
Gibt es einen Masterplan, wie es mit «Repanet Suisse» weitergehen soll?
Enzo Santarsiero: Wir haben den Auftrag, das Netzwerk auszubauen. Aber das geht nur mit zusätzlichen Mitarbeitern. Fest steht auch, dass ich, sollte ich den operativen Teil dereinst abgegeben haben, im Netzwerk bleiben werde. Und zwar mit der starken Unterstützung von Axalta. Da habe ich schon ein paar Ideen. Zum Beispiel nahm ich «Five Star» in Frankreich etwas genauer unter die Lupe. Da bemerkte ich Sachen – zu denen ich nun Zugang habe – die sich durchaus auf den Schweizer Markt adaptieren lassen.
Ihrer Antwort entnehme ich, dass hier sehr grosse Erwartungen zu erfüllen sind!
Enzo Santarsiero: Das sehe ich genauso, aber das vorhandene Potential ist riesig. Darum werde ich persönlich sehr viel Zeit und Engagement investieren. «Repanet Suisse» ist drauf und dran, noch stärker zu werden – und exklusiver. Doch die Anforderungen zum Mitmachen steigen: Zum Beispiel werden wir Betriebe, welche die Zertifizierung und neu inklusiv «Green Car Repair» nicht erfüllen, nicht mehr als Netzwerk-Mitglieder aufführen können. Dieser nachhaltige Leistungsausweis kommt übrigens vom Markt, nicht nur von uns.
Sie sagten kürzlich, sie planen, in naher Zukunft das Leistungsspektrum der André Koch AG deutlich zu erweitern. Was heisst das?
Enzo Santarsiero: Hier bei ihnen will ich unseren Mitbewerbern natürlich nicht zu viele Informationen geben. Aber wir stellen fest, wo unseren Kunden der Schuh drückt. Da geht es, um die gängigen und bekannten Themen zu nennen, um Personalmangel, den Druck auf die Administration, um Preiserhöhungen bei den Ersatzteilen und um Prozessoptimierungen. Auf diesen Ebenen will ich neue Dienstleistungen einführen, von denen der Carrossier profitieren kann. Denn der Angriff auf die Margen wird markant zunehmen. Mit Axalta zusammen kann ich den Hebel da noch besser ansetzen – auch in finanzieller Hinsicht. Denn ein aktives Netzwerk kostet immens viel Geld.
Ich mache noch einen Versuch, mehr über ihre persönlichen Zukunftspläne nach der Koch-Ära zu erfahren. Da sind sie uns eine Antwort noch schuldig.
Enzo Santarsiero: Ich bin ein Sonnenmensch, darum haben meine Frau Patrizia und ich einen kleinen Sitz auf den Kanarischen Inseln. Den haben wir in der Vergangenheit zu wenig genutzt. Das wollen wir gemeinsam nachholen. Zudem tätigte ich in der Vergangenheit einige Investments in Unternehmungen, um die ich mich dann kümmern werde. Es sind aber keine Carrosseriebetriebe, um dies vorwegzunehmen.
Sie haben mir mal unter vier Ohren verraten, dass sie irgendwann mal sehr gerne eine Academy für Carrossiers gründen würden und damit sogenannte «Young Talents» unterstützen würden. Ist das ein Thema?
Enzo Santarsiero: Dieses Szenario stelle ich mir immer konkreter vor. Der Tag, an dem ich eine Non-Profit-Organisation gründen und junge Unternehmer begleiten möchte, rückt näher. Sie ist gedacht für junge Leute, die in der Carrosserie- und Lackbranche etwas erreichen wollen. Solche «Streber» würde ich sehr gerne coachen – weil ich weiss, dass ihnen in jungen Jahren in erster Linie die moralische und konzeptionelle Unterstützung fehlt. Mit meiner Erfahrung, der Netzwerk-Kompetenz und vor allem Begeisterungsfähigkeit kann ich sicherlich helfen. Aber nicht für mein eigenes Ego. Ich würde das tun, wenn ich spüre, dass seitens von jungen Unternehmern ein Interesse besteht.
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