Lackierer und Autolacke

Im Interview: Pascal Lehmann, Weltmeister

lehmann b

 

 

Interview: Heinz Schneider

 

Herr Lehmann, wie haben Sie sich als Berufsmann in der Zeit zwischen den beiden Titeln «Schweizermeister» und «Weltmeister» verändert? Was können Sie besser?

 

Pascal Lehmann: Interviews geben. Nein, im ernst. Ich hab in jeder Beziehung dazugelernt. Präzises Arbeiten oder «geht nicht, gibt’s nicht» – das alles hat Coach Patrick Balmer mir in den letzten Monaten jederzeit vorgelebt, und ich habs übernommen. Gleichzeitig bin ich grundsätzlich in eine bislang mir unbekannte Leistungskultur eingetaucht. Das ist so niemandem bewusst, der sich für eine regionale Meisterschaft oder die Schweizer Meisterschaften anmeldet.

 

Haben diese Erfahrungen Sie zeitweise auch belastet?

 

Pascal Lehmann: Nein, ich denke nicht. Klar, die Erwartungen waren generell hoch – vom Umfeld, von den Leuten, die in mich und meine Weiterbildung investiert haben, aber natürlich setzt man sich auch selbst unter Druck. Vor allem, wenn man bis an die WM kommt, dort will jeder einfach nur gewinnen. Allerdings: Dadurch, dass wir über die gesamte Zeit und auch in Leipzig als Team unterwegs waren, sind die «Lasten», um es mal so zu nennen, auf verschiedene Schultern verteilt worden. Das hat mir enorm geholfen.

 

Wer hatte, um bei Ihrem Bild zu bleiben, besonders starke Schultern?

 

Pascal Lehmann: Alle, wirklich alle. Angefangen bei Werkzeughersteller Festool, die mir jederzeit bestes Material zur Verfügung stellten. Dann Trainer Mario Widmer, die Carbesa AG, Spies Hecker-Lacklieferant CH-Coatings mit Mitarbeiter Daniel Sohm, die mich alle stark und ausserhalb des üblichen Rahmens unterstützt haben.

 

Die wichtigste Bezugsperson war aber wohl ihr Coach Patrick Balmer, mit dem Sie eng zusammen gearbeitet haben?

 

Pascal Lehmann: Mit ihm habe ich eine geniale Verbindung. Er hat mich in jeder Hinsicht enorm beeindruckt mit seiner Zielstrebigkeit und seiner Seriosität. An den Schweizer Meisterschaften hab ich ihn als Experte kennen gelernt, später war er mein Mentor, und im letzten halben Jahr ist er Vorbild geworden. Seine loyale und besondere ganze Art hat mich tief beeindruckt. Um allen, die mich auf dem Weg begleitet und unterstützt haben, im persönlichen Rahmen zu danken, habe ich wie André Schmid eine Autogrammkarte drucken lassen, auf der alle meine Gönner, Vertrauten und Partner abgedruckt sind.

 

Ich möchte nochmals auf die WM zurückkommen. Welches Gefühl hatten Sie in Leipzig gleich nach dem Wettbewerb?

 

Pascal Lehmann: Eigentlich kein gutes, denn ich zog einen eher schlechten ersten Tag ein. Zudem haben mich die Arbeiten von meinen Mitbewerbern überrascht – die wirkten nach meinem Empfinden alle sehr professionell. Bis zur Rangverkündigung vergingen dann anderthalb Tage. Und wenn ich ehrlich bin, waren diese Stunden nicht gerade meine besten in Leipzig.

 

Umso grösser die Überraschung, als Sie gewusst haben, dass es eine Medaille sein wird.

 

Pascal Lehmann: Das ist wirklich so. Von diesem Zeitpunkt an hab ich für mich mit dem dritten Platz gerechnet, und mit einem schwedischen Sieg. Als dann zuerst Norwegen und Dänemark für Bronze und danach Schweden für Silber aufgerufen wurde, stand ich plötzlich alleine auf der Bühne. Mit der Gewissheit: du hast es geschafft. Das war ein gigantisches Gefühl, irgendwie unwirklich, weil das gesamte Umfeld aus meiner Wahrnehmung verschwunden ist.

 

Haben Sie Ihr persönliches Fazit von den letzten Monaten, jetzt, mit etwas zeitlichem Abstand, schon gezogen?

 

Pascal Lehmann: Ganz sicher. Am Anfang habe ich gedacht: Wow, da kommt ein riesiger Berg Arbeit auf dich zu, da wirst du sehr viel geben müssen. Ich hab alles angepackt, und plötzlich habe ich feststellen dürfen, dass mindestens so viel aus dem gesamten Umfeld zurückkommt.

 

Woran denken Sie da in erster Linie?

 

Pascal Lehmann: Man kommt mit vielen spannenden Leuten in Kontakt, knüpft Beziehungen. Dann hab ich gelernt, strukturiert und mit einem vordefinierten Zeitmanagement an die Arbeiten heranzugehen. Und in fachlicher Hinsicht erfährt man Dinge, die einem sonst verborgen bleiben würden. Das gilt im übrigen nicht nur für WM-Teilnehmer, sondern für jede und jeden, welche die Schweizer Meisterschaften bestreiten. Ich würde das in jedem Fall wieder tun. Im übrigen hoffe ich, dass ich etwas beitragen konnte, damit unser Berufszweig noch attraktiver wird.
Ich möchte als Beispiel dafür stehen, dass Sekundarschule und Lehre nicht Schlusspunkt, sondern Anpfiff für eine berufliche Laufbahn sein soll.

 

Den erwähnten Berg Arbeit, wie hoch war der in Stunden gesehen?

 

Pascal Lehmann: Das weiss ich nicht so genau. Vielleicht 20 pro Woche neben der normalen Arbeitszeit.

 

Das ist kaum zu hoch gegriffen, denn zu Ihrem Standardprogramm gehörte, dass Sie nebst den Wochenenden auch tagsüber jeweils um fünf Uhr morgens und über Mittag im Betrieb auf die WM hin trainiert haben.

 

Pascal Lehmann: Wie gesagt, ich hab die Stunden nicht gezählt. Aber die Lackmenge, die ich verarbeitet habe, die ist mir sehr wohl präsent: Es waren 200 Liter.

 

Wie sehen nun Ihre weiteren beruflichen Pläne aus?

 

Pascal Lehmann: Im Oktober geht’s zuerst mal in die Rekrutenschule, die hab ich zuvor wegen meines WM-Engagements verschieben müssen. Nachher ist alles offen.

 

Aber Sie bleiben zielstrebig?

 

Pascal Lehmann: In meiner beruflichen Weiterbildung hatte ich bislang verschiedene Etappenziele. Das letzte war die WM in Leipzig und somit der 8. Juli 2013. Jetzt ist vieles denkbar, und alles möglich. Klar ist nur, dass ich nicht stehen bleiben will. Im Moment trage ich mich mit dem Gedanken, eine zusätzliche Weiterbildung anzupacken, damit ich meinen beruflichen Horizont passend erweitern kann.

 

Hier gehts zum Interview mit André Schmid

 

Hier gehts zur Reportage

Neuste Artikel: Lackierer