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Diebstahl auf Rezept: 900 Motoren, 0 Kontrolle

 

Ein Autowerk in Indien. Hunderttausende Fahrzeuge laufen hier jedes Jahr vom Band. Hochautomatisiert, durchgetaktet, angeblich lückenlos kontrolliert. Und trotzdem fehlen am Ende 900 Motoren. Nicht wegen eines Zahlendrehers. Nicht wegen einer fehlerhaften Buchung. Sie sind einfach weg. Und niemand merkt etwas – fünf Jahre lang.

 

Der Skandal fliegt erst bei einer internen Jahresendabrechnung auf. Plötzlich klafft ein Loch in der Bilanz, das sich nicht mehr schönrechnen lässt. Die erste Ausrede: Die Motoren seien auf dem Transportweg verloren gegangen. Hält genau so lange, bis die Polizei genauer hinsieht – und entdeckt: Das Ganze ist kein Unfall, sondern ein systematisch geplanter Coup. Initiiert aus dem Innersten des Unternehmens. Beteiligte: aktuelle und ehemalige Kia-Mitarbeiter. Die Methode: präzise, vernetzt, mit Zugriff auf Datenbanken und Logistiksysteme. Also alles andere als improvisiert.

 

Wer hier noch von einem «Einzelfall» spricht, hat den Ernst der Lage nicht verstanden. Es geht nicht um einen fehlgeleiteten Container. Es geht um das Verschwinden von 900 Antriebsaggregaten – mitten aus der laufenden Produktion. Ohne Gewalt. Ohne Drama. Ohne Verdacht. Und, vor allem: ohne Kontrolle. Was sagt das über ein Unternehmen, das angeblich jeden Fertigungsschritt digital überwacht, aber nicht bemerkt, wenn ihm ein ganzer Bestand an Motoren abhandenkommt?

 

Kia versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben. Drei Sonderkommissionen werden eingesetzt, die Polizei durchkämmt das Land, der Konzern schweigt. Verständlich – was soll man auch sagen, wenn sich der eigene Sicherheitsapparat als durchlässiger erweist als eine Garagenwand aus Pappe? Dass trotz der verschwundenen Antriebe die Produktion einfach weiterlief, wirkt wie ein Treppenwitz. Oder schlimmer: als hätte man es schlicht nicht bemerkt.

 

Was bleibt, ist ein massiver Vertrauensverlust. Nicht nur gegenüber den Mitarbeitenden, sondern auch gegenüber der Illusion, industrielle Grossprozesse liessen sich lückenlos kontrollieren. 900 Motoren verschwinden spurlos – und niemand drückt auf Stopp? Das ist kein logistisches Versehen. Das ist ein Offenbarungseid.

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