Oldtimer

9. März 1949: Der Unimog beginnt seine Laufbahn

 

Vor genau 75 Jahren rollte der erste Unimog zu einem Kunden in der Nähe von Stuttgart. Das Fahrzeug entstammte der Serienfertigung des Maschinenbau-Unternehmens Gebrüder Boehringer im schwäbischen Göppingen. Die Auslieferung erfolgte am 19. März 1949 durch die Unimog-Generalvertretung Kloz in Fellbach, nur wenige Monate nach Aufnahme der Produktion. Dies war der Startschuss für die inzwischen 75-jährige Geschichte des Universal-Motor-Geräts, kurz Unimog.

 

Der erste Serien-Unimog aus der Baureihe 70200 mit der Fahrgestellnummer 003 trug das stilisierte Ochsenkopf-Logo von Boehringer auf der Haube. Die beiden Exemplare 001 und 002 wurden als Erprobungsfahrzeuge nur für interne Zwecke gebaut und gelangten nicht in den Handel. Das Fahrzeug vereinte erstmals die Vorzüge von Schlepper, Geräteträger und Lastwagen.

 

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann Albert Friedrich, technischer Leiter bei der Gold- und Silberwarenfabrik Erhard & Söhne in Schwäbisch Gmünd und zuvor Leiter der Flugmotoren-Konstruktion von Daimler‑Benz, mit der Entwicklung einer kompakten Allrad-Arbeitsmaschine mit 25 PS und vier gleich grossen Rädern. Vorgesehen war sie in erster Linie für den landwirtschaftlichen Einsatz, darüber hinaus auch für den Einsatz als stationäre Antriebsmaschine und Lieferfahrzeug für die Agrarwirtschaft mit einer Geschwindigkeit von bis zu 50 km/h. Diese frühen Überlegungen mussten den strengen Kriterien des Morgenthau-Plans in der amerikanischen Besatzungszone entsprechen, mit dem Deutschland zum reinen Agrarstaat umgebaut werden sollte.

 

Aus dem Herbst 1945 stammen die ersten Zeichnungen Friedrichs für eine solch vielseitige Agrar-Allround-Arbeitsmaschine mit einer Spurweite von1270 Millimetern, was exakt zwei Kartoffelreihen entsprach. Weitere charakteristische Merkmale waren das Faltverdeck, eine umklappbare Frontscheibe und ein Antrieb für landwirtschaftliche Geräte vorn, eine Zugeinrichtung hinten und eine Hilfsladefläche auf der Pritsche hinter dem Fahrerplatz. Zur Realisierung dieses Konzepts sammelte Friedrich ein engagiertes Team von Entwicklern um sich, unter anderem seinen ehemaligen Mitarbeiter Heinrich Rössler. Die Sache passt: Rössler schlägt sich seit Kriegsende als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft durch, kann daraus viele Erfahrungen einfliessen lassen und wird zum Chefkonstrukteur des ersten Prototyps.

 

400 Reichsmark war damals das Einheitsgehalt für die beteiligten Ingenieure. Der Lederwarenfabrikant Franz Catta unterstützte die Entwicklungsarbeiten finanziell. In «Geschichten rund um den Unimog» von Michael Wessel erinnert sich der zum Entwicklerteam gehörende Hans Zabel an die Geburtsstunde des Unimog: «Um jedoch sofort anfangen zu können, haben wir zur Soforthilfe gegriffen und aus eigenen Mitteln 25 000 Reichsmark aufgebracht. Alle waren wir unter der Woche von zu Hause getrennt und wohnten in bescheidenen Privatquartieren. Daher gab es auch keine bestimmte Arbeitszeit. Sie betrug pro Tag mindestens 12 Stunden, manchmal auch 18 Stunden – natürlich ohne zusätzliche Bezahlung.»

 

Im Spätherbst 1945 wurde die Genehmigung der amerikanischen Besatzungsmacht für das «Motorgetriebene Universalgerät für die Landwirtschaft» erteilt. Weil Heinrich Rössler das Fahrzeugkonzept danach umfangreich überarbeitete, musste sie ein halbes Jahr später erneuert werden, bevor gebaut werden durfte. Friedrich gewann Erhard & Söhne als Partner für den Prototypen-Bau, den Motor (OM 636) lieferte Daimler‑Benz zu. Schon 1946 wurde in Schwäbisch Gmünd der erste Prototyp fertiggestellt, und am 9. Oktober des gleichen Jahres fand die erste Probefahrt mit dem U 1 statt.

 

Noch vor der ersten öffentlichen Präsentation kürzte Hans Zabel die sperrige Bezeichnung «Universal-Motor-Gerät» mit dem Akronym «Unimog» ab. Unter diesem eingängigen Namen wurde das Fahrzeug am 29. August 1948 auf der Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in Frankfurt am Main erstmals der Öffentlichkeit präsentiert und heimste dort auf Anhieb 150 Vorbestellungen ein.

 

Die Serienfertigung des Unimog begann 1949 bei Gebrüder Boehringer in Göppingen am Rande der Schwäbischen Alb, nachdem Maschinenfabrikant Rolf Boehringer von Erhard & Söhne die Herstellung des Universal-Motor-Geräts übernommen hatte. Ohne Fliessband und grösstenteils in Handarbeit bauten die etwa 90 Mitarbeiter bis zu 50 Fahrzeuge im Monat. Insgesamt 600 Unimogs der Baureihe U 70200 wurden von Boehringer hergestellt, darunter 44 Einheiten für die Schweizer Armee. Dies bestätigte die Eignung des bisher ausschliesslich landwirtschaftlich genutzten Unimog auch für andere Bereiche, in denen ein wachsendes Interesse an diesem Fahrzeugkonzept bestand. Zwei dieser Ur-Unimog aus der Boehringer-Produktion sind im Museum Gaggenau ausgestellt: Der Prototyp U 6, der zweitälteste erhaltene Unimog und ein Unimog aus der ersten Serie vom Baumuster 70200.

 

Da die nachgefragten Stückzahlen hohe Investitionen erforderlich machten, erwarb die Daimler‑Benz AG im Herbst 1950 das Unimog-Geschäft mit allen Patenten und Fertigungseinrichtungen – einschliesslich des Entwicklungsteams und der neu aufgebauten Vertriebsmannschaft. Auf einem zweiseitigen Dokument wurde die Übernahme in fünf Punkten vertraglich festgehalten und ein Kaufpreis von 600 000 D-Mark vereinbart. Rückblickend ein Schnäppchen und ein Schriftstück, über das Juristen heutzutage den Kopf schütteln würden. Die beiden Urväter des Fahrzeugs wechselten ebenfalls zu Daimler-Benz: Albert Friedrich war bis 1958 als technischer Leiter für den Unimog verantwortlich. Heinrich Rössler, Chefkonstrukteur des Unimog bei Boehringer, blieb in dieser Funktion bis 1976 bei Mercedes‑Benz in Gaggenau.

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