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Corvette SS: Die gescheiterte Legende, die Geschichte schrieb

 

Wenn Ikonen unter den Hammer kommen, hält die Welt des Motorsports den Atem an. Die Chevrolet Corvette SS Project XP-64, General Motors‘ erster reinrassiger Rennwagen, wird bei «RM Sotheby’s» in Coral Gables, Florida, versteigert. Ein Fahrzeug, das nicht nur ein technisches Meisterwerk ist, sondern auch eine der großen «Was wäre wenn?»-Geschichten des Motorsports erzählt. Geschätzter Preis? Zwischen 4,5 und 6,3 Millionen Schweizer Franken. Ein stolzer Betrag – aber für ein Stück Rennsportgeschichte fast ein Schnäppchen.

 

Die Geburt einer Rennlegende

In den 1950er-Jahren ist die Corvette vor allem eines: ein sportlicher Straßenwagen. Doch zwei Männer haben größere Pläne. Zora Arkus-Duntov, GM-Chefingenieur, und Design-Guru Harley Earl wollen eine echte Rennmaschine bauen, die es mit Ferrari, Jaguar und Mercedes aufnehmen kann. Die Idee, einfach einen Jaguar D-Type mit Chevrolet-Power auszurüsten, wird verworfen – stattdessen entsteht das ehrgeizige «Projekt XP-64», besser bekannt als «Corvette SS».

 

GM entwickelt zwei Versionen: einen Testträger und ein vollwertiges Rennmodell. Der Wagen ist ein Leichtbau-Wunder – ein Rohrrahmen aus Chrom-Molybdän-Stahl wiegt nur 81 Kilogramm, die Magnesium-Karosserie hält das Gesamtgewicht bei federleichten 840 Kilogramm. Fast eine halbe Tonne leichter als eine Serien-Corvette. Aerodynamisch optimiert, aber immer noch unverkennbar eine Corvette.

 

Technische Innovationen – und ein abruptes Ende

Herzstück ist ein V8 mit Benzineinspritzung, der 300 PS auf die Straße bringt. Gekoppelt an ein Viergang-Getriebe aus Aluminium, verspricht das Setup explosive Leistung. Die Vorderräder sind einzeln aufgehängt, hinten reduziert eine «De-Dion-Achse» die ungefederte Masse. Gekrönt wird das Ganze von vakuumunterstützten Trommelbremsen – hinten platzsparend im Innenraum montiert.

 

Doch dann kommt das Desaster. Bei den 12 Stunden von Sebring 1957 scheidet die Corvette SS nach gerade einmal 23 Runden mit technischen Problemen aus. Ein holpriger Start für GMs Rennsport-Zukunft – und zugleich das jähe Ende. Denn nur drei Monate später zieht sich GM, wie viele andere US-Hersteller, offiziell aus dem werksseitigen Motorsport zurück. Der Traum von Le Mans platzt.

 

Eine Legende ohne Pokal – aber mit Einfluss

Trotz der kurzen Karriere bleibt die Corvette SS nicht nur eine Fußnote. Sie bewahrt die Corvette davor, zum soften Grand Tourer zu verkommen, und legt den Grundstein für die späteren Modelle. Ihr Test-Chassis wird später zur Basis für den «XP-87 Stingray Racer» – der wiederum die «Corvette C2» inspirierte. Ohne die SS gäbe es wohl keine Z06, keine ZR1 und keine modernen Supersport-Corvettes.

 

Ein historisches Unikat auf dem Markt

Jetzt kommt dieses einmalige Stück Automobilgeschichte unter den Hammer. Und es ist nicht allein. Bei der Auktion wurden bereits ein Ferrari 250 LM für 32.718.000 Schweizer Franken und ein Mercedes-Benz W196 für 49.000.000 Schweizer Franken verkauft. Noch zu haben ist hingegen ein Ford GT40 Mk II mit Le-Mans-Geschichte – für einen Preis zwischen 7.194.400 und 9.892.300 Schweizer Franken. Das «Indianapolis Motor Speedway Museum» trennt sich von mehreren Sammlerstücken – eine seltene Gelegenheit für Investoren und Enthusiasten.

 

Fazit: Kein Erfolg, aber eine Ikone

Die «Corvette SS» ist GMs erster ernsthafter Versuch, in der Rennsport-Oberklasse mitzuspielen. Ein Erfolg auf der Strecke blieb aus – aber ihr Einfluss auf die Corvette-DNA reicht bis heute. Wer dieses Stück amerikanischer Rennsportgeschichte erwerben will, braucht nicht nur Leidenschaft, sondern auch ein gut gefülltes Konto. Denn eines ist sicher: Billig wird dieses Kapitel Motorsportgeschichte nicht.

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