Automobil

Für Sie gefahren: Mit dem Nissan GT-R im Schnee

 

Mit 570 PS über die total verschneite Bündner Bergwelt. Geht das? Wir wollen es genau wissen und haben deshalb die Mission «Schneemobil» ins Leben gerufen. Als Hauptakteur und Missionar entsandten wir Nissans Hochleistungssportler «GT-R»


Text und Fotos: Heinz Schneider


Es ist sehr früh am Morgen. Und saukalt. Zudem hat es die ganze Nacht hindurch geschneit – es liegen mindestens 60 Zentimeter Neuschnee auf Graubündens Strassen im Gebiet Obersaxen und in der Surselva. Obwohl durch und durch Optimist, zweifle ich immer mehr daran, ob es tatsächlich eine gute Idee war, den bärenstarken Nissan GT-R vier Tage lang auf seine winterlichen Fähigkeiten hin zu prüfen. Immerhin reden wir hier von einem gut trainierten Sportwagen mit 570 PS, der sich in der Preisliste und auf dem Asphalt den Ruf des Porsche-Killers erarbeitet hat. Aber die geplante Testfahrt findet eben nicht auf irgendeinem trockenen Circuit statt, sondern sie führt über drei schneereiche Alpenpässe nach Surcuolm ins Hauptquartier von «4x4 – Das Schweizer Automagazin». Auf den Punkt gebracht: Der Winterdrive mit dem japanischen Hochleistungssportler droht schon im Morgengrauen in einem völligen Fiasko zu enden.

 

Natürlich muss man es bedächtig angehen – wer will schon im Graben landen?

Um etwas Ruhe in die Gedanken zu bringen, versuche ich mich an die Details hinsichtlich Nissans Allrad-Kompetenzen zu erinnern. Wie war das doch gleich? Genau –
der japanische Renault-Kooperationspartner beschäftigt sich seit beinahe 70 Jahren mit dem Bau von 4x4-Fahrzeugen. Okay, die ersten Exemplare waren vielleicht nicht unbedingt State of the Art, sind auch eher so in einer Art Kleinserie exklusiv fürs Militär entstanden. Dann aber, in den frühen Sechzigern, ging es los mit qualitativ ausgereifteren Serienprodukten wie Prairie, Patrol oder Pathfinder. Und heute stehen mit Juke, Murano, Qashqai, X-Trail und dem Pickup Navara fünf wintererprobte Allradler im Programm. Da müssten die Ingenieure das Thema doch eigentlich auch beim GT-R im Griff haben. Trotzdem gelobe ich innerlich, das mir anvertraute rund 120 000 Franken teure Testfahrzeug unter keinen Umständen ans Limit zu bringen, den Morgen von Tag 1 bedächtig und gelassen anzugehen.

 

Der Modus «Save» für Getriebe und Motor ist im Schnee die passende Lösung

Das heisst erst Mal, die Finger vom sportlichen R-Modus zu lassen. Denn wer das tut (ich habs auf trockenem Asphalt getan) und per Schaltwippe die Drehzahl gegen 3500 hochjubelt, über den bricht der motorische Wahnsinn herein. Der GT-R stürmt, unmittelbar nachdem die beiden Turbolader die Kraft von 570 PS und 630 Newtonmeter gebündelt haben, los wie eine Rakete. Mit einer unfassbaren Traktion, die man nur ganz selten erlebt.
Also zuerst mal Warmfahren. Ich drück den Startknopf, der Gangwählhebel der Automatik flutscht ins «D», los geht es im Schneetest. Vorausschauend und vorsichtigerweise – der Japaner will übrigens mit hochwertigem 100-Oktan-Sprit betränkt werden – im benzinsparenden Modus «Save» für Getriebe und Motor sowie mit der Fahrwerksabstimmung «Comfort». Das passt hervorragend. Auf diese Weise geht es kommod vorwärts wie in einer Oberklasselimousine. Ohne Stress, immer cool und vor allem so sicher wie in Abrahams Schoss. Ganz locker gehe ich es mit Tempo 70 im sechsten Gang an – derweil pflügen die vier Räder durch den glitschigen Neuschnee, so als wären sie auf Schienen. Lukmanier – wir kommen.

 

Normalerweise fährt der GT-R mit Heckantrieb. Gibts Schlupf, schalten sich automatisch und stufenlos die vorderen Räder dazu – und zwar über eine elektrisch gesteuerte Mehrscheibenkupplung. Diese paritätische Aufteilung ist am Berg auf Schnee gut zu spüren – selbst an der direkten und präzise arbeitenden Lenkung, die verlässliche Rückmeldungen liefert. Ich taue langsam auf, traue mir immer mehr zu. Und sowieso dem Nissan. Der macht es mir aber auch leicht: Im Zusammenspiel mit dem Torque-Vectoring durch Bremseingriffe und dem Sperrdifferenzial wieselt er leichtfüssig um die engen und verschneiten Kurven. Ich werde immer übermütiger. Mittlerweile fühlt es sich beinahe so an, als hätte ich Asphalt unter den Breitreifen. Ich frag mich, ob man den Test im nächsten Januar unter etwas erschwerteren Bedingungen wiederholen sollte. Vielleicht in Finnland.

 

Wussten Sie eigentlich, dass . . . 

das Motto beim Triebwerkbau des GT-R «Ein Mann, ein Motor» heisst? Jedes Aggregat wird von nur einem weiss behandschuhten Handwerksmeister zusammengebaut – in einem Atelier, das immer dieselbe Innenraum-Temperatur aufweist und klinisch rein gehalten ist. Der Name des Handwerksmeisters wird auf einer Plakette am Motor verewigt.

 

Nissan GT-R

Preis ab   119 900 Fr.

Zylinder / Hubraum   6 / 3799 ccm

Leistung   570 PS bei 6800 U/min

Drehmoment   637 Nm ab 3600 U/min

Antrieb   Doppelkupplung, 6 Stufen

0 – 100 / Spitze   2,8 Sek, 315 km/h

Verbrauch Test   13,6 l (100 Oktan) / 100 km

Energieklasse G   CO2: 275 g/km

Länge / Breite / Höhe   4,71 / 1,89 / 1,37 m

Ladevolumen   315 Liter

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