Automobil

«Der 911er wird einer der letzten Sportwagen sein, der Lenkrad und Pedale hat!»

 

Ohne Dieselmotoren, dafür mit Batterie- und noch mehr Hybridfahrzeugen – Porsche definiert seine Modellpalette für die Zukunft. Wie diese aussieht und welche Rolle das selbstfahrende Auto dabei für die Marke spielt, verrät Porsche-Schweiz-Geschäftsführer Michael Glinski

Interview: Heinz Schneider

Herr Glinski, die Schweiz und der Schweizer Markt waren für Sie vor einem Jahr noch unbekanntes Land. Wie gefällt es Ihnen in Ihrer neuen Heimat?

Michael Glinski: Ich habe mich sehr schnell eingelebt, weil es mir Geschäftspartner und Mitarbeiter auch leicht gemacht haben. Ausserdem fällt dies auch nicht schwer in diesem schönen Land. Mich hat am meisten beeindruckt, dass Höflichkeit und Verlässlichkeit hier sehr gross geschrieben wird. Das schätze ich sehr. Für Porsche ist die Schweiz ein besonderer Markt mit langer Tradition und ich habe von Anfang an erfahren, dass die Marke einen hohen Stellenwert geniesst und gleichzeitig sozial akzeptiert ist.

 

Mit 3216 Zulassungen bis Ende Oktober 2018 haben Sie im laufenden Geschäftsjahr knapp drei Prozent weniger Autos verkauft als in den Vergleichsmonaten 2017. Warum?
Michael Glinski: Wir können mit dem ersten Halbjahr des Jahres zufrieden sein, trotz der Herausforderungen bei den Umstellungen auf den neuen Prüfzyklus WLTP und auf Ottopartikelfilter. Wir werden das Jahr voraussichtlich wie geplant abschliessen, etwas unter dem Niveau von 2017.

 

Vom 911er, der im März 2019 in der achten Modellgeneration startet, sind bis Ende Oktober 2018 tausend Exemplare zugelassen worden. Vom offenen Boxster aber nur 103 und vom geschlossenen Schwestermodell Cayman sogar nur 80. Ist der «kleine» Porsche für Schweizer zu wenig prestigeträchtig?

Michael Glinski: Die Schweiz ist traditionell ein Elferland, darauf sind wir auch sehr stolz. Das Roadster-Segment nimmt seit einigen Jahren leider im Gesamtmarkt absolut ab, obwohl wir zum Beispiel mit den 718 GTS-Modellen ein attraktives Angebot im Segment haben, insbesondere für die zahlreichen schönen Passstrassen in der Schweiz. Denn die bereiten gerade mit einem Mittelmotorsportwagen besondere Fahrfreude.

 

Über die gesamte Palette gesehen: Mit wievielen verkauften Einheiten rechnen Sie im kommenden Jahr?

Michael Glinski: Die Produktpalette, die wir in 2019 anbieten können, war selten so jung und attraktiv in der Geschichte von Porsche. Somit erhoffen wir uns eine deutliche Steigerung der Verkaufszahlen. Hinzu kommt die Markteinführung des Porsche Taycan, mit dem wir auch viele neue Kunden ansprechen wollen.

 

Zum Taycan kommen wir noch. Ihre Marke bietet künftig keine Dieselmodelle mehr an. Porsche-Chef Oliver Blume hat kürzlich gesagt, die Krise rund um die Selbstzünder habe viel Ärger bereitet, obwohl man selbst nie solche Motoren entwickelt hat. Waren die Schweizer Dieselkunden ebenfalls verärgert? Oder haben sie sich nachsichtig gezeigt?

Michael Glinski: Auch wenn wir keine Dieselmotoren entwickelt und gebaut haben, trägt Porsche gegenüber den Behörden und seinen Kunden die Verantwortung für seine Produkte. Grundsätzlich spielt der Diesel bei Porsche generell, aber auch in der Schweiz eine untergeordnete Rolle. Sein weltweiter Anteil lag im vergangenen Jahr bei zwölf Prozent. Das Interesse an Hybridmodellen hingegen steigt enorm, so liegt ihr Anteil beim neuen Panamera bei den Bestellungen in der Schweiz um 60 Prozent. Die Rückmeldungen von Kunden zu unserem Entscheid waren grundsätzlich positiv und natürlich werden wir alle bestehenden Diesel-Kunden weiterhin professionell betreuen.

 

Wie hoch war der Anteil von Dieselmodellen hierzulande? Gibt es den in der Wolle gefärbten Fan, der seinen Porsche nur als Selbstzünder will – weder als Benziner und erst recht nicht als Hybrid?

Michael Glinski: Der Diesel-Anteil in der Schweiz war recht gering. 2017 lag er bei 15 Prozent. Für uns als Sportwagenhersteller sind wir zu der Überzeugung gelangt, künftig ohne Diesel auskommen zu wollen. Das Feedback, das ich von Kunden und Händlern derzeit erhalte, stimmt mich positiv, dass wir in der Schweiz auch ohne Diesel auskommen werden.

 

Verlieren Sie deswegen Kunden? Zum Beispiel an Audi, Mercedes oder BMW?

Michael Glinski: Es kann natürlich einige Kunden geben, die aufgrund des fehlenden Dieselantriebs zu einer anderen Marke wechseln. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir mit unserem zukünftigen Dreiklang aus Verbrennungsmotoren, Hybrid-Antrieben und reinen Elektroantrieben eine attraktive Produktpalette anbieten, mit der wir alle unsere Kunden begeistern können.

 

Wie denken Sie über das selbstfahrende Auto?

Michael Glinski: Wir müssen unterschiedliche Ebenen und Kundenbedürfnisse sehen. Wenn ich morgens in meinem Panamera Turbo S E-Hybrid im Stau ins Büro fahre, wünsche ich mir heute schon das vollautonome Fahren. Wir werden jedoch sicher nicht der erste Hersteller mit vollautonomen Fahrzeugen sein, müssen wir auch nicht. Aber es wird mehr und mehr über einzelne Assistenzsysteme Einzug ins Fahrzeug finden, je nach Baureihe mehr oder weniger. Aber bei einem bin ich mir sicher: Der 911er wird einer der letzten Sportwagen sein, der Lenkrad und Pedale hat.

 

Sie haben einmal gesagt, bis etwa 2025 bestehe das Modellangebot von Porsche zu einem Viertel aus Elektromobilen. Ich glaube nicht, dass die Schweizer Kundschaft dann bereit sein wird für so viele Porsches mit Batterieantrieb. Sie schon?

Michael Glinski: Tatsächlich rechnen wir heute schon damit, dass im Jahr 2025 rund 50 Prozent unserer ausgelieferten Fahrzeuge elektrisch angetrieben werden. Ich denke, dass unsere Kundschaft durchaus bereit für Hybridfahrzeuge als auch reine Elektrofahrzeuge ist.

 

Der erste Elektro-Porsche wird der Taycan sein. Wann erwarten Sie ihn in den Ausstellungsräumen der Schweizer Händler?

Michael Glinski: Der Taycan kommt Ende nächsten Jahres auf den Markt.

 

Ich höre diesbezüglich von 500 Kilometer Reichweite und einer Ladezeit von vier Minuten für 100 Kilometer. Und der Taycan soll sowohl optisch als auch leistungsmässig ein dynamischer Sportwagen sein?

Michael Glinski: Sie haben vollkommen recht mit ihren Angaben. Hinzufügen kann ich noch die Systemleistung von 600 PS und die Beschleunigungszeit von unter 3,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Optisch wird der Taycan sehr nah an die Konzeptstudie des Mission E rankommen, die wir bereits 2015 auf der IAA in Frankfurt gezeigt haben. Er wird ein Vollblutsportwagen sein – ein echter Porsche.

 

Mit der Elektrifizierung kommen grosse Veränderungen auf die Händler zu. Mit hohen monetären Investitionen und vielen Ausbildungseinheiten ins Werkstatt- und Verkaufspersonal. Wie locker können Porsche-Importeur und Händler das alles stemmen?

Michael Glinski: Die Elektromobilität hat Einfluss auf alle Geschäftsbereiche von Porsche. Wir arbeiten hier sehr eng mit unserer Handelsorganisation unter anderem an der notwendigen Infrastruktur und der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter zusammen. Heute bin ich guter Dinge, dass wir pünktlich zur Markteinführung des Taycan gemeinsam unsere Hausaufgaben gemacht haben werden.

 

Zum Schluss der persönliche Fahrzeug-Check. Welches war ihr erstes Auto?

Michael Glinski: Das erhielt ich an meinem 18. Geburtstag von meinen Eltern. Es war ein schwarzer Citroen AX mit 45 PS. Ich fuhr ihn bis zum Ende meines Studiums und schenkte ihn dann meiner Schwester zu deren Schulabschluss. Leider hatte sie nicht so viel Glück damit und musste das Fahrzeug wenige Zeit später gegen einen Neuwagen eintauschen.

 

Welches Auto würden Sie sich kaufen, wenn Geld keine Rolle spielt?

Michael Glinski: Der neue Porsche 911 R ist das beste Fahrzeug, das ich je gefahren bin – den werde ich mir hoffentlich irgendwann einmal in meine Garage stellen.

 

Welches Auto würden Sie nie kaufen?

Michael Glinski: Es gibt Fahrzeuge deren Design mich nicht ansprechen, beispielweise ist das beim Fiat Multipla der Fall. Das ist einfach Geschmackssache.

 

Was ist für Sie persönlich die genialste Erfindung in der bald 132-jährigen Geschichte des Automobils?

Michael Glinski (lacht): Der Sechszylinder-Boxermotor und die Zündung auf der linken Seite.

 

Auf welches Gadget könnten Sie persönlich im Auto verzichten?

Michael Glinski: Auf die Standheizung, die bringt nur überflüssiges Gewicht ins Fahrzeug.

 

Neuste Artikel: Automobil